BMVI verweigert Aussagegenehmigung: "Ver­kehrs­mi­nis­te­rium schützt Auto­in­du­s­trie"

von Hasso Suliak

19.04.2018

Blockiert das BMVI die Aufklärung des Dieselskandals? Das Ministerium untersagte dem Präsidenten des Kraftfahrtbundesamtes die Zeugenaussage in einem Zivilprozess, in dem es um die Entschädigung eines Porsche-Macan-Fahrers ging.

Mit einer äußerst fragwürdigen Begründung hat das Bundesverkehrsministerium (BMVI) dem Präsidenten des Kraftfahrtbundesamtes (KBA), Ekhard Zinke, die Genehmigung für eine Zeugenaussage in einem Zivilprozess vor dem Landgericht (LG) Heilbronn versagt. Renommierte Jura-Hochschullehrer halten das Vorgehen des BMVI für rechtswidrig.

Geklagt hatte vor dem LG in Heilbronn der Käufer eines Porsche Macan wegen einer notwendig gewordenen Nachbesserung seines Fahrzeugs im Zusammenhang mit dem Abgasskandal. Er wollte vom Kaufvertrag zurücktreten und verlangte von seinem Porschezentrum den Kaufpreis für das Fahrzeug in Höhe von rund 85.000 Euro abzüglich einer Nutzungsentschädigung zurück.

In dem Verfahren hätte eigentlich auch der Präsident des KBA als Zeuge aussagen sollen. Einen entsprechenden Beweisbeschluss hatte das LG am 6. März bereits gefasst (Az.6 O 61/18). Zur Zeugenaussage Zinkes kam es jedoch nicht: Sein oberster Dienstherr, das BMVI, genehmigte die Aussage nicht. Mit einer Begründung, die Zivilprozess- und Beamtenrechtsexperten für "hanebüchen" halten.

Porsche zahlt plötzlich großzügig

Nachdem der klagende Porschefahrer im Jahre 2016 festgestellt hatte, dass sein Fahrzeug aufgrund von Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit dem Dieselskandal nachgebessert werden sollte, legte er mit Hilfe der Rechtsanwaltskanzlei Stoll & Sauer, die im VW-Abgasskandal viele Tausend Betroffene vertritt, unter anderem Klage gegen das Porschezentrum ein, in dem er das Fahrzeug gekauft hatte.

Nachdem vor dem LG auch eine erste mündliche Verhandlung stattgefunden hatte, ergab sich für das Gericht offensichtlich erheblicher Aufklärungsbedarf. Dabei sollte es auch um die Rolle des KBA im Abgasskandal gehen. Medienberichten zufolge war Porsche um eine Rückrufaktion seines Modells Macan durch das KBA nur deshalb herumgekommen, weil der Autobauer dem Modell mit Drei-Liter-Dieselmotor bereits ein Softwareupdate verpasst hatte und nunmehr ein weiteres für europaweit rund 52.500 Fahrzeuge angekündigt hat. Zur Aufklärung des Sachverhaltes sollte deshalb der von der Klägerseite benannte Präsident des KBA vernommen werden. Zum anderen sollte ein Sachverständigengutachten über diverse Fragen bezüglich der Abschalteinrichtung eingeholt werden.

Eine Woche bevor der neue Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem LG mit der Zeugenvernehmung des KBA-Präsidenten stattfinden sollte, zahlte plötzlich und überraschend das Porschezentrum dem Kläger nicht nur den vollen, ursprünglichen Kaufpreis in Höhe von rund 85.000 Euro zurück. Darüber hinaus überwies das Autohaus freiwillig und ohne jegliche Aufforderung rund 9.000 Euro an Zinsen und Rechtsanwaltskosten.

BMVI-Argumentation "hanebüchen" 

Klägeranwalt Stoll zur LTO: "Dies war eine Überraschung. Offensichtlich hatte das Unternehmen nicht nur von dem angekündigten Sachverständigengutachten Angst, sondern auch davor, dass der KBA-Präsident vor Gericht aussagen muss."

Was Porsche allerdings zum Zeitpunkt seiner großzügigen Zahlung an den Kläger noch nicht wusste: Einen Auftritt Zinkes musste der Sportwagenhersteller nicht mehr befürchten. Denn dem KBA-Präsidenten hatte das BMVI zwischenzeitlich die erforderliche Aussagengenehmigung verweigert. Begründung des Ministeriums gegenüber LTO: "Das BMVI und das KBA sind staatliche Behörden und damit der Neutralität verpflichtet. Eine Beteiligung als Zeuge in einem Zivilprozess, an dem diese nicht selbst beteiligt sind, ist damit grundsätzlich nicht vereinbar."

Eine Argumentation, die nicht nur der Berliner Zivilprozessrechtler Prof. Dr. Christoph G. Paulus auf Nachfrage von LTO für "hanebüchen" hält. Auch der renommierte Staatsrechtler und ausgewiesen Experte im Beamtenrecht, Prof. Dr. Ulrich Battis, hält sie rechtlich für nicht nachvollziehbar: "Laut § 68 Abs. 1 Bundesbeamtengesetzes hätte die Aussagegenehmigung Zinkes nur versagt werden dürfen, wenn seine Aussage 'dem Wohle des Bundes Nachteile bereitet'". Laut Battis berufe sich das Ministerium aber offenbar eher auf den Absatz 2 der Vorschrift. Dieser sei aber "schon deshalb nicht einschlägig, weil der KBA-Präsident nicht als Partei, sondern als Zeuge in dem Zivilprozess hätte aussagen sollen", so der Staatsrechtler.

Ministerium weist Vorwürfe zurück

Klägeranwalt Stoll hält das Verhalten des Ministeriums für "peinlich". Mit der Argumentation des Ministeriums ließe sich letztlich "jede Zeugenaussage eines Staatsbediensteten vom Dienstherren untersagen", so Stoll zur LTO. Der Anwalt kann nur mutmaßen, warum sich das Ministerium entgegen der Rechtslage bei der Aussage des KBA-Präsidenten quer stellt: "Dem Ministerium geht es darum, im Dieselskandal die Autoindustrie zu schützen". Dabei gehe es sogar so weit, einem Kunden noch nicht einmal in einem Gerichtsverfahren zu helfen, kritisiert der Anwalt. "Mit der Aussageverweigerung fügt das Verkehrsministerium bewusst unserem Mandanten einen Schaden zu." Porsche werde hier direkt geschützt, bei einem offenen Umgang mit den Vorwürfen und Informationen hätte das Ministerium Zinke aussagen lassen können, so Stoll.

Vorwürfe, die das Ministerium in einer Erklärung gegenüber LTO nicht auf sich sitzen lassen will: "Bundesminister Scheuer blockiert keine Ermittlungen und schützt weder Autobosse noch Autofirmen." Das KBA gebe zudem etwaige Erkenntnisse an die Staatsanwaltschaften weiter und setze hier auf Transparenz. Außerdem könnten unabhängig von Gerichtsverfahren jederzeit Auskunftsbegehren bei den Behörden gestellt werden.

Der Sportwagenbauer sieht im Zusammenhang mit seinem Modell beim Thema Porsche Macan indes keinen Grund zur Aufregung und wegen diverser Servicemaßnahmen und Software-Updates auch "keinen Anlass für die klageweise Geltendmachung von Ansprüchen", so ein Sprecher zur LTO. Grundsätzlich sei Porsche allerdings immer bemüht, mit Kunden individuelle Lösungen zu finden.

Was im Zivilprozess offenbar gut funktioniert, dürfte an anderer Stelle schwierig werden: Auf der Suche nach Beweisen im Diesel-Abgasskandal durchsuchten vergangenen Mittwoch mehr als 30 Staatsanwälte und rund 160 Polizisten den Stammsitz des Stuttgarter Autobauers im Stadtteil Zuffenhausen, das Entwicklungszentrum in Weissach sowie weitere Standorte - auch zwei der Konzernschwester Audi, von der Porsche die Diesel-Motoren für seine Fahrzeuge bezog. Die Ermittlungen wegen des Verdachts des Betruges und der strafbaren Werbung richten sich laut Staatsanwaltschaft unter anderem gegen ein Vorstandsmitglied der Porsche AG und ein Mitglied des höheren Managements.

Zitiervorschlag

Hasso Suliak, BMVI verweigert Aussagegenehmigung: . In: Legal Tribune Online, 19.04.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/28175 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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