Digitale Interaktion auf öffentlichen Netzwerken: Vom Staat blo­ckiert

von Rahel M. K. Diers und Nico Kuhlmann

10.02.2018

Trump macht es, die Polizei macht es und auch einige Politiker in Deutschland: Sie blockieren Nutzer auf sozialen Netzwerken. Rahel M. K. Diers und Nico Kuhlmann zur Frage, ob die öffentliche Gewalt dies darf.

In jüngster Zeit sind vermehrt Fälle bekannt geworden, in denen Accounts auf sozialen Netzwerken, die verschiedenen Gewalten der öffentlichen Hand zuzurechnen sind, andere Nutzer blockiert und dadurch von dieser Informationsquelle abgeschnitten haben. Der US-amerikanische Präsident ist beispielsweise bekannt dafür, umfassend unliebsame Nutzer auf sozialen Netzwerken zu blockieren. Aber auch verschiedene Accounts der deutschen Polizei sind diesbezüglich auffällig geworden. Zudem geben Politiker auf Bundes- und auf Landesebene offen zu, diese Möglichkeit nach Belieben zu nutzen.

Auch die Hamburger Polizeibehörde etwa blockiert Nutzer, die gegen die Netiquette des Social Media-Teams verstoßen. So solle die "Qualität der Diskussion in den sozialen Netzwerken auf hohem Niveau" gehalten werden. Die Behörde beruft sich so auf eine selbst erstellte Benimmregel für das Internet.

In diesen Fällen geht es um nichts Geringeres als die Reichweite und den Schutz der Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 HS.1 Grundgesetz (GG) und die Informationsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 HS.2 GG im Internet.

Blockieren, Löschen und Sperren

Zu unterscheiden ist dabei zwischen dem Verhalten der Plattformbetreiber und dem des Inhabers des Social Media Accounts. Der Plattformbetreiber kann und muss einzelne Beiträge nach den verschiedenen rechtlichen Vorgaben und dem NetzDG löschen. Auch ein vollständiges Sperren von Accounts durch den Betreiber ist basierend auf den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der sozialen Netzwerke möglich.

Das Blockieren liegt demgegenüber in der Hand der Nutzer. Es bedeutet, andere nach freiem Belieben vom Lesen und Kommentieren der eigenen Beiträge auszuschließen, beispielsweise, wenn diese sich nach der eigenen Einschätzung unangemessen verhalten haben. Betroffene können auf die über diesen Account veröffentlichten Informationen dann nicht mehr zugreifen.

Handelt es sich um den Account einer Privatperson, ist das unproblematisch. Auch die öffentliche Hand ist nicht verpflichtet, dem Bürger eine weitere Informationsquelle durch die Nutzung von sozialen Netzwerken zugänglich zu machen. Aber wenn sie dies tut, dann muss sie sich an bestehende Vorgaben des GG halten – und dann gelten für die öffentliche Hand ganz andere Maßstäbe als für Private.

Blockade als Eingriff

Denn auf ein informatorisches Handeln der öffentlichen Hand müssen alle Bürger Zugriff haben können, es muss kommentiert werden dürfen und zugänglich sein, um den Anforderungen des Grundgesetzes zu entsprechen. Schließt die Behörde hingegen einen Nutzer aus, beschränkt sie dessen Meinungs- und Informationsfreiheit und begeht einen Grundrechtseingriff.

Dieser Eingriff wird auch nicht deswegen ausgeschlossen, weil wichtige Informationen weiterhin über die klassischen Medien verbreitet werden. Denn zum einen dauert diese Verbreitung meist länger, zum andern werden überhaupt nicht alle Informationen durch klassische Medien verbreitet. Gerade aus diesen beiden Gründen sind beispielsweise die Accounts der Polizei so beliebt.

Allem voran unterliegt das staatliche Handeln immer dem allgemeinen Sachlichkeitsgebot und der Neutralitätspflicht. Unzweifelhaft beinhaltet ein Blockieren von Nutzern aber eine Bewertung des Inhalts der Kommentare, und dies widerspricht grundsätzlich der staatlichen Neutralitätspflicht. Die Eingriffsintensität wird gegebenenfalls dadurch verringert, dass die Beiträge bei einigen Netzwerken auch ohne vorherige Anmeldung gelesen werden können. Ob dies den Eingriff in die Informationsfreiheit vielleicht sogar ganz ausschließt, ist eine Frage des Einzelfalls.

Wann ist ein Account hoheitlich?

Eine informatorische Handlung ist nach der Ansicht der Rechtsprechung immer dann der staatlichen Gewalt zuzurechnen, wenn Ressourcen der Behörde genutzt wurden, sich der Handelnde selbst als Teil des Staates und nicht als Privatperson präsentiert und wenn aus den weiteren Umständen folgt, dass die Handlung im Zusammenhang mit der Ausübung des Amtes steht.

Damit sind die offiziellen Accounts der Polizei und der sonstigen Exekutive unzweifelhaft dem Staat zuzurechnen. Gleiches gilt für die offiziellen Konten der Legislative und Judikative, wenn diese in den sozialen Netzwerken aktiv sind. Bei Politikern wird dies regelmäßig anders sein, da diese ihre Präsenz im Internet meistens als Parteipolitiker betreiben und gerade nicht in Ausübung des öffentlichen Amtes. Aber auch dies ist eine Frage des Einzelfalls.

Das Blockieren kann durch das Gefahrenabwehrrecht gerechtfertigt sein. Der Rückgriff auf die polizeiliche Generalklausel hilft allerdings nur bei beleidigenden oder sonst rechtswidrigen Inhalten, nicht aber, wenn durch die Nutzer überhaupt keine Gefahren ausgehen und die Kommentare ihrerseits von der Meinungsfreiheit erfasst werden.

Denkbar ist noch eine Art digitales Hausrecht als Ermächtigungsgrundlage für das eingreifende staatliche Handeln. Dann dürfte der Staat Störungen abwehren, um die Funktionsfähigkeit aufrechtzuerhalten. Aber auch dann würde nicht jede unangemessene Äußerung ein Blockieren rechtfertigen, sondern nur solche Beiträge, die den Ablauf nachhaltig stören. Nicht geklärt ist allerdings, ob ein solches digitales Hausrecht der öffentlichen Hand neben den zivilrechtlichen Verpflichtungen der Plattformbetreiber überhaupt bestehen kann.

Digitales Hausrecht oder rechtswidrig?

In den USA wird dies demnächst durch die Gerichte geklärt werden, gegen US-Präsident Donald Trump wird bereits ein entsprechendes Verfahren geführt. Die Kläger berufen sich auf die im ersten Zusatzartikel der US-amerikanischen Verfassung enthaltene Meinungsfreiheit und darauf, dass diese durch das Blockieren von einem öffentlichen Forum ausgeschlossen wurden.

Auch wenn in Deutschland, soweit ersichtlich, noch keine gerichtlichen Verfahren wegen des Blockierens rechtshängig sind, ist das wohl nur eine Frage der Zeit. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) ist bereits auf der Suche nach geeigneten Klägern.

Die Autorin Rahel M. K. Diers ist Rechtsanwältin im Öffentlichen Recht bei Oppenländer Rechtsanwälte in Stuttgart.

Der Autor Nico Kuhlmann ist Blogger und wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Hogan Lovells im Bereich Intellectual Property, Media and Technology in Hamburg. 

Zitiervorschlag

Nico Kuhlmann, Digitale Interaktion auf öffentlichen Netzwerken: . In: Legal Tribune Online, 10.02.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/26993 (abgerufen am: 07.11.2024 )

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