BKA-Chef Holger Münch und Innenminister Horst Seehofer halten die Erstellung von Listen politischer Gegner für strafwürdig. Im Entwurf für ein Gesetz gegen Hasskriminalität fehlt ihnen aber nichts. Christian Rath hält das für inkonsequent.
Neben BKA-Präsident Holger Münch fordert nun auch Innenminister Horst Seehofer (CSU) eine Strafnorm für die Erstellung und Verbreitung so genannter "Feindeslisten". Das Ministerium unterstütze die Position des BKA-Präsidenten, erklärte ein Sprecher auf Anfrage.
Feindeslisten als Einschüchterung
Als "Feindeslisten" oder "Todeslisten" werden vor allem Namens- und Adresssammlungen bezeichnet, die von Rechtsextremisten angelegt werden und deren politische Gegner erfassen. Die NSU-Terroristen hatten eine solche Liste, ebenso der Ex-Bundeswehr-Soldat Franco A., der bald wegen Terrorvorbereitungen vor Gericht stehen wird. Auch die Nordkreuz-Gruppe, die sich in Mecklenburg-Vorpommern auf einen "Tag X" vorbereitete, sammelte Adressen von vermeintlichen Feinden.
Für Einschüchterung sorgen solche Listen vor allem, wenn sie veröffentlicht und weiterverbreitet werden, etwa eine Liste unter dem Titel #WirKriegenEuchAlle, die rund 200 Namen umfasste. Für den größten Wirbel sorgte aber eine Liste mit knapp 25 000 Namen und Adressen, die teilweise als "Antifa-Liste" zirkuliert. Tatsächlich ist es nur die 2015 gehackte Kundenliste eines Punkversands. Die Liste wurde aber mit der Aufforderung verbreitet, man könne jetzt die "subversiven, demokratiefeindlichen Elemente zur Räson bringen".
Sollen Betroffene benachrichtigt werden?
Im Sommer 2019 wurde erstmals breit über solche Listen diskutiert. Im Mittelpunkt stand die Frage, ob die Polizei alle Personen benachrichtigen soll, die dort aufgeführt wurden. Die Landespolizeien agierten uneinheitlich. In manchen Bundesländern (etwa Bayern, Hessen, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern) wurden Betroffene angeschrieben, in anderen Bundesländern unterblieb dies.
Das Bundeskriminalamt verneinte eine konkrete Gefahr und lehnte eine generelle Benachrichtigung ab, da "dies zu einer aus polizeilicher Sicht nicht gerechtfertigten Verunsicherung führen würde". "Der derzeit in der medialen und öffentlichen Diskussion verbreitete Begriff der 'Feindes-' oder gar 'Todesliste' ist daher konsequent zurückzuweisen", erklärte das BKA damals. Das Innenministerium übernahm die Aussage wortwörtlich.
BKA will "Outing" bestrafen
Im Oktober 2019 ging das BKA aber in die Offensive. Es forderte die Schaffung einer neuen Strafnorm gegen das "Outen". Dies sollte auch "das Erstellen und Verbreiten von Datensammlungen" erfassen, hieß es damals in einem BKA-Papier.
Die damalige Formulierung macht jedoch deutlich, dass es dann nicht nur um Listen rechtsextremistischer Herkunft gehen wird, sondern auch um Datensammlungen der Antifa. Diese arbeitet schon lange damit, Mitglieder rechtsextremer Strukturen im Internet, in ihrer Nachbarschaft und am Arbeitsplatz zu outen. Schon mehrfach wurden auch Delegiertenlisten von AfD-Parteitagen im Internet veröffentlicht.
Maßnahmepaket ignoriert Feindeslisten
Die Diskussion um ein neues Strafdelikt war allerdings schnell wieder zu Ende, als Innenminister Seehofer und Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) Ende Oktober ihr "Maßnahmepaket zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hasskriminalität" vorstellten. Weder in den zunächst vorgelegten Eckpunkten noch in Lambrechts Gesetzentwurf vom Dezember 2019 wurden Feindeslisten oder ähnliches erwähnt.
Am 19. Februar soll der Gesetzentwurf im Bundeskabinett beschlossen werden. Versucht BKA-Chef Holger Münch im Vorfeld noch einmal Werbung für seinen Vorschlag zu machen? "Wer Listen vermeintlicher politischer Gegner veröffentlicht - verbunden mit Drohungen wie 'Wir kriegen Euch alle' - der tut dies mit dem Ziel, Menschen einzuschüchtern und Angst zu verbreiten", erklärte er jüngst und plädierte dafür, dass das Verfassen solcher Listen "unter Strafe gestellt werden sollte."
Mathias Middelberg, der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion hält das geplante Gesetz für eine gute Gelegenheit, Münchs Vorschlag umzusetzen.
Münch und Seehofer wollen nicht nachbessern
Erstaunlicherweise sehen jedoch weder Münch noch das Bundesinnenministerium eine Notwendigkeit, den bisher vorliegenden Entwurf nachzubessern. Sie gehen davon aus, dass die bisher geplanten Verschärfungen ausreichend sind. Verwiesen wird insbesondere auf die geplante Verschärfung von § 241 Strafgesetzbuch (StGB). Dort geht es um das Delikt "Bedrohung".
Laut bisherigem Entwurf soll künftig nicht nur die Androhung eines "Verbrechens" (etwa von Mord und Vergewaltigung) als Bedrohung strafbar sein, sondern auch von weniger schwer bestraften "Vergehen" wie Körperverletzungen oder Sachbeschädigungen. Vage Drohungen wie "Ich weiß, wo Du wohnst" sollen aber weiterhin nicht strafbar sein.
Damit dürfte sich wohl auch für so genannte Feindeslisten wenig ändern.
Soweit diese überhaupt mit ausformulierten Drohungen verbunden sind, dürften diese in der Regel zu vage sein. Überschriften à la "Wir kriegen Euch alle" sind ebenso vielfältig auslegbar wie die Aufforderung, bestimmte Personen "zur Räson" zu bringen. Eine ausdrückliche Strafbarkeit für das Erstellen und Verbreiten von Feindeslisten ist im Maßnahmepaket bisher also gerade nicht vorgesehen.
Schon bislang kein rechtsfreier Raum
Das heißt aber nicht, dass das Erstellen solcher Listen bisher völlig im rechtsfreien Raum stattfindet. Soweit Daten ausgespäht oder abgefangen werden, gibt es bereits entsprechende Strafvorschriften in § 202a und § 202b StGB. Die Weiterverbreitung so entstandener Listen könnte gem. § 202d StGB als Datenhehlerei strafbar sein.
Der FDP-Abgeordnete Stephan Thomae hat zudem darauf hingewiesen, dass die Erstellung von Feindeslisten bereits nach Datenschutzrecht geahndet werden kann. Laut § 42 Abs. 2 Nr. 1 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) ist es strafbar, wenn "personenbezogene Daten, die nicht allgemein zugänglich sind", ohne Berechtigung verarbeitet werden, "um anderen zu schaden". Es drohen bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe.
Allerdings, so Thomae, würden solche Delikte nach dem BDSG von Polizei und Staatsanwaltschaft bisher "faktisch nicht verfolgt". Er schlägt daher vor, die bestehende BDSG-Strafnorm ins Strafgesetzbuch zu transferieren, um sie sichtbarer zu machen. Nach einer gewissen Zeit könnte dann evaluiert werden, ob wirklich Strafbarkeitslücken bestehen. So will Thomae Schnellschüsse des Gesetzgebers verhindern, die möglicherweise viel zu weit gehen.
Seehofer unterstützt BKA-Chef: . In: Legal Tribune Online, 05.02.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/40141 (abgerufen am: 18.11.2024 )
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