2/2: "Extrem niedrige Transaktionskosten sind ein Vorteil"
LTO: Warum wurden Bitcoins überhaupt entwickelt?
Schneider: Der oder die Erfinder haben in ihrem Paper keine Gründe genannt. Deswegen billigt jeder Bitcoins einen anderen Zweck zu. Manche halten es für ein interessantes Wirtschaftsinstrument, andere preisen eher anarchistisch die Abschaffung des Staates.
Nüchtern betrachtet sind die extrem niedrigen Transaktionskosten ein Vorteil: Weltweit fallen bei Überweisungen durchschnittlich acht Prozent Transaktionskosten an. Bei einer Bitcoin-Überweisung liegen diese Kosten im Promille-Bereich. Für Gastarbeiter ist das beispielsweise sehr interessant. Western Union oder MoneyGram nehmen nämlich sehr hohe Gebühren für internationale Überweisungen.
Ein anderer Vorteil: Die Transaktion ist sehr schnell. Nach ca. zehn Minuten hat man in der Regel eine Bestätigung, nach ca. ein bis zwei Stunden ist die Transaktion sicher. Bei normalen Überweisungen kann das bis zu einer Woche dauern. Je nachdem in welches Land und zu welcher Bank das Geld überwiesen wird. Bei Bitcoin ist die Transaktion immer gleich schnell.
LTO: Kann man mit Bitcoins auch in Geschäften oder Restaurants bezahlen?
Schneider: Ein alltägliches Zahlungsmittel sind sie noch nicht. Dafür ist die Umsetzung noch zu kompliziert. Das machen nur Enthusiasten. In Köln gibt es einen Schnellimbiss, der Bitcoins annimmt. Bei Online-Shops ist das etwas einfacher und wird mittlerweile auch von etablierten Shops gemacht. Amazon ist allerdings noch nicht dabei.
"Wegen des steigenden Kurses Spekulationsobjekt"
LTO: Glauben Sie, dass sich Bitcoins durchsetzen werden?
Schneider: Es gibt mittlerweile viele verschiedene ähnliche Systeme. Irgendeins davon wird sich am Markt durchsetzen.
LTO: Geht es auch darum, Vermögen anzulegen?
Schneider: Der ehemalige Vorsitzende der schwedischen Piratenpartei hat sein gesamtes Vermögen in Bitcoins angelegt. Das ist sicherlich extrem. Es gibt aber viele, die monatlich zehn, 20 Euro als in Bitcoin anlegen. Der Kurs schwankt stark, weist aber eine steigende Tendenz auf, da ist Bitcoin selbstverständlich auch Spekulations- und Anlageobjekt.
Ob man sein Geld tatsächlich in Bitcoins anlegen sollte, ist eine andere Frage. Es kann ja sein, dass sich Bitcoins nicht durchsetzen und man in ein falsches System investiert. Außerdem ist man rechtlich nicht abgesichert. Schadensersatzregelungen greifen kaum, das Bereicherungsrecht ist teilweise gar nicht anwendbar. Als normaler Verbraucher, der sich zudem technisch nicht gut auskennt, sollte man besser keine großen Summen anlegen.
"Mandanten wollen wissen, wie sie dem Finanzamt erklären, was Bitcoins sind"
LTO: Als Anwalt haben Sie bereits erste Mandate und Anfragen, die Bitcoins betreffen. Um was für rechtliche Fragen geht es da?
Schneider: Da geht es ums Aufsichtsrecht. Mandanten wollen wissen, ob sie ihre Geschäfte bei der BaFin anmelden müssen. Wer Bitcoins nur bilateral kauft und verkauft, braucht dafür keine Erlaubnis. Wenn aber Zahlungssysteme installiert werden, vergleichbar mit PayPal, dann gerät das schnell in den Bereich von Finanzdienstleistungen, die angemeldet werden müssen.
Aber auch das Steuerrecht wirft Fragen auf: Fällt Einkommensteuer an? Muss Umsatzsteuer abgeführt werden? Wie macht man dem Finanzamt am besten verständlich, was Bitcoins überhaupt sind?
Zuletzt geht es noch um Vertragsrecht, also beispielsweise darum, wie die AGB von Finanzdienstleistern ausgestaltet sein müssen.
LTO: Wie anfällig sind Bitcoins für Betrügereien und Geldwäsche?
Schneider: Nicht mehr als staatliche Währungen. Betrüger versuchen nicht, die Codes oder Passwörter zu hacken, sondern versenden klassische Phishing-E-Mails mit der Frage nach dem Passwort.
Was die Geldwäsche betrifft: Das Bitcoin-System basiert nicht auf Anonymität, sondern auf Pseudonymität. Die Adresse, unter der man Überweisungen tätigt, bleibt also immer gleich. Damit sind die Kontobewegungen transparent. Geldwäsche funktioniert also auch im Bitcoin-System nur, wenn man einen Mittelsmann einschaltet, der die Namen der Kunden verschleiert.
"Mit Bitcoins kann man keine Währungspolitik machen"
LTO: Warum interessiert man sich als Anwalt plötzlich für Bitcoins? Ist das nicht eher ein Thema für Informatiker und BWLer?
Schneider: Bei Konferenzen bin ich tatsächlich häufig in der Minderheit. Ich finde Bitcoins rechtlich spannend, weil sie die Frage nach einem Immaterialgut aufwerfen, das noch undefiniert ist und im Netzwerk entsteht. Es gibt niemanden, der die Bitcoins ausgibt, der sie zum Beispiel schöpft wie ein Urheber sein Werk. Vielmehr wirkt ein Netzwerk zusammen. Das ist juristisch ein neues Phänomen.
LTO: Wann lösen Bitcoins den Euro und den Dollar ab?
Schneider: Bitcoin und staatliche Währungen werden nebeneinander stehen. Bitcoin hat Mechanismen, die mit staatlichen Währungen nicht kompatibel sind. Etwa die Obergrenze. Bitcoins können nicht einfach nachgedruckt werden. Deswegen kann man mit ihnen auch keine Währungspolitik machen, wie das etwa aktuell in der Eurokrise geschieht.
Aber es gibt zum ersten Mal einen freien Markt der Währungen. Unternehmer können zwischen konkurrierenden Währungsprojekten dasjenige auswählen, das ihnen am besten passt. Sie sind nicht auf staatliche Währungen angewiesen. Private Währungen könnten wegen der geringen Transaktionskosten für die Wirtschaft vielleicht sogar besser sein.
LTO: Wie viele Bitcoins haben Sie?
Schneider: 0,0945, das entspricht 13,42 Euro.
LTO: Das ist aber wenig.
Schneider: Ich nehme das für mich eher als Spielgeld, um es auszuprobieren. Alles andere ist mir noch zu unsicher, da ich insbesondere das technische Detailwissen nicht habe.
LTO: Vielen Dank für das Gespräch.
Julian Schneider ist Rechtsanwalt bei Redeker Sellner Dahs in Bonn. Er twittert unter @BitCoinAnwalt
Das Interview führte Claudia Kornmeier.
Bitcoins: . In: Legal Tribune Online, 28.10.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9896 (abgerufen am: 01.11.2024 )
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