Es gibt sie seit 2009, ihr Kurs steigt stetig, aber rechtlich ist bisher noch vieles ungeklärt. Währung? Ware? Rechnungseinheit? Billig und schnell, aber unsicher? Der Anwalt Julian Schneider erklärt im Interview, als was Juristen Bitcoins qualifizieren, welche Fragen zu dem digitalen Geld seine Mandanten umtreiben und warum er selbst nur 0,0945 BTC auf dem Konto hat.
LTO: Was sind Bitcoins überhaupt?
Schneider: Das ist eine Art virtuelles Geld, das auf asymmetrischen Verschlüsselungs- und Signierungsalgorithmen basiert. Die Transaktionen werden in einer dezentralen, also bei verschiedenen Knotenpunkten, gespeicherten Datenbank im Internet verwaltet. Es gibt keine zentrale Stelle, die Bitcoins ausgibt oder verwaltet. Dies tun die Nutzer des Netzwerkes gemeinsam.
Erfunden hat dieses System eine Person oder eine Personengruppe, die sich hinter dem Pseudonym Satoshi Nakamoto verbirgt. Die haben in einem Paper die Idee veröffentlicht, die die Rahmenbedingungen für Bitcoin festlegt.
LTO: Wie viele Bitcoins gibt es?
Schneider: Derzeit circa elf Millionen. Es gibt eine Obergrenze bei 21 Millionen. Das haben die Erfinder so willkürlich festgelegt. Einige Systeme, die Bitcoin ähnlich sind, machen das anders.
LTO: Und was zahlt man so pro Bitcoin?
Schneider: Aktuell um die 140 Euro. Der Kurs schwankt stark, steigt aber bisher.
"Für Finanzdienstleistungen mit Bitcoin braucht man eine Erlaubnis der BaFin"
LTO: Was sind Bitcoins rechtlich?
Schneider: Da muss man zwischen den Rechtsgebieten unterscheiden. Bankenaufsichtsrechtlich sind Bitcoins eine Rechnungseinheit im Sinne des Kreditwesengesetzes (KWG). Das heißt, für Finanzgeschäfte mit Bitcoins braucht man eine Erlaubnis von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin).
Solche Finanzgeschäfte tätigt etwa bitcoin.de. Die Plattform tauscht Bitcoins in Euro und umgekehrt. Um keine eigene Erlaubnis zu brauchen, machen die das unter dem Schirm der Fidor-Bank. Bitcoin.de tritt also nach außen als Vermittler dieser Bank auf und wickelt die Geschäfte auf deren Rechnung ab.
LTO: Als was lassen sich Bitcoins rechtlich noch einordnen?
Schneider: Manche hatten überlegt, ob es E-Geld ist. Dafür müssten sie eine Forderung sein. Weil niemand die Werthaltigkeit der Bitcoins und die technische Funktionsfähigkeit des Systems garantiert, gibt es aber keinen Forderungsgegner.
Wenn man Bitcoins kauft, schließt man zwar einen atypischen Werkvertrag. Die Tätigkeit des Vertragspartners erschöpft sich aber in der Überweisung der Bitcoins auf ein spezielles Konto. Sobald die Bitcoins überwiesen sind, ist der Vertrag erfüllt und die Forderung erloschen.
"Im Sinne des BGB sind Bitcoins nicht existent"
LTO: Wenn Bitcoins zivilrechtlich keine Forderung sind, was sind sie dann?
Schneider: Eine Überlegung wäre noch, sie als immateriellen Gegenstand im Sinne von § 90 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bzw. als Immaterialgüterrecht zu qualifizieren. Allerdings werden Immaterialgüter durch Spezialgesetze wie beispielsweise das Urheberrechtsgesetz festgelegt. Bitcoins sind aber kein Urheberrecht, kein Persönlichkeitsrecht und auch andere Gesetze zum Immaterialgüterschutz sind nicht anwendbar. Im Sinne des BGB sind Bitcoins also nicht existent.
LTO: Könnte der Gesetzgeber das ändern?
Schneider: Er könnte, und wird ggf. handeln, wenn es den ersten Crash gibt oder Verbraucher aufschreien, weil sie ihr in Bitcoins investiertes Geld verloren haben.
LTO: Sollte er das abwarten oder proaktiv handeln?
Schneider: Letzteres wäre im Sinne der Verbraucher besser. Aber nicht der deutsche Gesetzgeber allein, sondern mindestens der europäische. Es geht dabei auch darum, sich die Kontrolle zu sichern. Man darf nicht unterschätzen, dass das Bitcoin-System nicht demokratisch kontrolliert wird. Am Ende entscheidet die meiste Rechenkraft. Änderungen im Bitcoin-Netzwerk werden nur dann wirksam, wenn Nutzer mit zusammen mindestens 51 Prozent der Rechenkapazität zustimmen. Und das ist weder ein demokratischer Prozess noch muss es deutschen Bürgern unbedingt gefallen, wenn etwa Asiaten und Amerikaner gemeinsam Änderungen beschließen.
"System ist für Verbraucher zu kompliziert"
LTO: Kann man das digitale Geld nur auf Plattformen wie bitcoin.de kaufen?
Schneider: Das geht auch unter Privatpersonen. Ich habe vor kurzem für jemanden das Essen bezahlt, der mir das Geld in Bitcoin wiedergegeben hat. Mittlerweile gibt es dafür Smartphone-Apps. Das sieht ein bisschen aus wie beim Online-Banking. Jeder kann sich beliebig viele Konten selbst einrichten, ohne dafür eine Start- oder Grundgebühr zahlen zu müssen.
LTO: Macht das System Banken überflüssig?
Schneider: Nein, weil es nicht besonders verbraucherfreundlich ist. Wenn man etwa sein Passwort verliert, dann sind die Bitcoins verloren. Die sind dann zwar noch im System gespeichert, aber niemand kann mehr darauf zugreifen. Oder man vertut sich bei einer Überweisung, gibt eine falsche Kontonummer oder einen falschen Betrag ein – es gibt dann niemanden, der diesen Fehler rückgängig machen kann. Für den normalen Verbraucher ist dieses Risiko zu groß.
Es gibt aber schon erste Geschäftsmodelle, die genau dieses Risiko aufgreifen, indem sie es vertraglich für ihre Kunden übernehmen.
Bitcoins: . In: Legal Tribune Online, 28.10.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9896 (abgerufen am: 01.11.2024 )
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