BGH zu alten Darlehensverträgen: Wie ewig ist das ewige Wider­rufs­recht?

von Alexander Knauss

12.07.2016

2/2: …aber auch nicht immer

In dem Verfahren XI ZR 564/15 ging es um die Wirksamkeit eines Widerrufs nach Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags. Die Kläger hatten im April 2008 mit der beklagten Bank einen Darlehensvertrag in Höhe von 50.000 Euro geschlossen. Die Bank hatte sie über ihr Widerrufsrecht belehrt.

Nachdem sie in der Folgezeit Zins- und Tilgungsleistungen erbracht hatten, widerriefen die Kläger im Jahr 2013 ihre auf den Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärungen und zahlten an die Bank ohne Anerkennung einer Rechtspflicht noch rund 40.000 Euro. Mit ihrer Klage begehrten sie die Rückzahlung der Differenz zwischen diesem Betrag und der Summe, den die Bank ihrer Ansicht nach bei Wirksamwerden des Widerrufs nur noch hätte verlangen können.

Das LG wies die Klage ab. Zwar sei die Widerrufsbelehrung nicht ordnungsgemäß gewesen, allerdings genieße die beklagte Bank Vertrauensschutz im Hinblick auf das vom Verordnungsgeber eingeführte Muster, von dem sie nur durch einen Fußnotenzusatz abgewichen sei. Der Widerruf sei daher verfristet gewesen. Das OLG hielt die Abweichung von der Musterbelehrung indes für schädlich mit der Folge, dass die Widerrufsfrist mangels ordnungsgemäßer Belehrung nie zu laufen begonnen habe und die Kläger den Widerruf noch Jahre später ausüben konnten. Es liege auch kein Fall der Verwirkung vor.

Der BGH stimmt dem OLG zu. Die Kläger konnten ihr Widerrufsrecht auch im Jahr 2013 noch ausüben, sie hätten es weder verwirkt noch sonst unzulässig ausgeübt.

Nichts Genaues weiß man nicht

In beiden Verfahren zeigt schon die unterschiedliche Bewertung durch das jeweilige Ausgangs-gericht und das Berufungsgericht, dass entgegen der Darstellung zahlreicher sog. Verbraucheranwälte die Rechtslage rund um den Widerrufsjoker keineswegs eindeutig und der Klageweg mit zahlreichen Risiken behaftet ist.

Einen Grund, die Sektkorken knallen zu lassen, haben nach diesen Entscheidungen beide Seiten nicht.

So führt die Verwendung von Fußnoten in einer Widerrufsbelehrung nach Meinung des BGH zu einer erheblichen Abweichung von der Musterbelehrung, so dass sich die Bank nicht auf den Vertrauensschutz der Musterbelehrung berufen kann. Die Ausübung eines Widerrufsrechts ist außerdem nach Ansicht der Karlsruher Richter nicht schon deshalb rechtsmissbräuchlich, weil der verfolgte Zweck nicht dem Schutzzweck des Widerrufsrechts entspricht. Unter welchen Voraussetzungen man gleichwohl von Rechtsmissbrauch ausgehen kann, werden hoffentlich die Entscheidungsgründe ergeben.

Verbraucheranwälte werden hingegen ungern lesen, dass die Grundsätze von Treu und Glauben grundsätzlich auch auf das "ewige Widerrufsrecht" anzuwenden sind - sonst hätte der BGH im Verfahren XI ZR 501/15 dem OLG nicht die weitere Klärung zu Rechtsmissbrauch und Verwirkung aufgeben müssen. Aber auch dazu bleibt abzuwarten, welche Konkretisierungen sich ggf. in den Entscheidungsgründen wiederfinden. Der Kampf um das ewige Widerrufsrecht scheint jedenfalls noch eine gefühlte Ewigkeit weiterzugehen.

Alexander Knauss ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht am Bonner Standort der überörtlichen Sozietät MEYER-KÖRING Rechtsanwälte Steuerberater PartG mbB.

Zitiervorschlag

Alexander Knauss, BGH zu alten Darlehensverträgen: . In: Legal Tribune Online, 12.07.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19976 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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