Apotheken dürfen ihren Kunden beim Einlösen von Rezepten auf verschreibungspflichtige Arzneimittel keine Gutscheine aushändigen, so der BGH. Thomas Utzerath zu einem Urteil, auf das nicht nur Apotheker lange gewartet haben.
Apotheken dürfen ihren Kunden beim Einlösen von Rezepten für verschreibungspflichtige Arzneimittel keine Gutscheine aushändigen. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) am Donnerstag in zwei Revisionsverfahren zwischen der klagenden Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs und zwei Apothekeninhabern entschieden (Urt. v. 06.06.2019, Az. I ZR 206/17 und I ZR 60/18).
Auslöser des Rechtsstreits war in dem ersten Revisionsverfahren die Werbung einer Apothekerin aus Darmstadt, die ihren Kunden bei Erwerb eines rezeptpflichtigen und preisgebundenen Arzneimittels ungefragt einen Gutschein aushändigte. Diesen konnten die Kunden bei einer in der Nähe der Apotheke gelegenen Bäckerei zum Erwerb von "2 Wasserweck oder 1 Ofenkrusti" einlösen. In dem zweiten Revisionsverfahren hatte ein Apotheker aus Berlin seinen Kunden ebenfalls eine Vergünstigung in Form eines Ein-Euro-Gutscheins gewährt, der beim nächsten Einkauf in der Apotheke eingelöst werden konnte. Apotheken- und verschreibungspflichtige Arzneimittel waren dabei ausdrücklich ausgenommen.
Die Wettbewerbszentrale war in beiden Verfahren in der ersten Instanz jeweils erfolgreich. Während das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main in der Berufungsinstanz die Entscheidung des LG Darmstadt bestätigt hatte, hob das Kammergericht (KG) die erstinstanzliche Verurteilung des Apothekers durch das Landgericht (LG) Berlin jedoch wieder auf.
Verstoß gegen Arzneimittelpreis- und Heilmittelwerberecht
Beide Berufungsgerichte waren sich in ihrer Bewertung einig, dass die von den Apothekern gewährten Gutscheine sowohl gegen die Preisbindungsvorschriften für Arzneimittel im Arzneimittelgesetz (AMG) als auch gegen das Zuwendungsverbot in § 7 Heilmittelwerbegesetz (HWG) in der seit dem 13.08.2013 geltenden Fassung verstießen.
Während Apotheker ihren Kunden geringwertige Kleinigkeiten in Form von Sachleistungen mit einem Wert von bis zu einem Euro - anders als Barrabatte in selber Höhe - vor der Gesetzesänderung des HWG auch bei preisgebundenen Arzneimitteln gewähren konnten, ist dies heilmittelwerberechtlich nunmehr unstreitig verboten. Demnach sind Zuwendungen oder Werbegaben für Arzneimittel ungeachtet ihres Wertes stets unzulässig, soweit sie entgegen den Preisvorschriften gewährt werden, die auf Grund des Arzneimittelgesetzes gelten.
Ebenfalls einig waren sich die Berufungsgerichte insoweit, als sie in der Anwendung der Vorschriften zur Arzneimittelpreisbindung keinen Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot in Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) gesehen haben. Insoweit komme auch keine Berufung auf das sogenannte DocMorris-Urteil des EuGH (Urt. v. 19.10.2016, Az. C-148/15) in Betracht. Darin hatte der EuGH entschieden, dass die in Deutschland gültigen Festpreise für verschreibungspflichtige Arzneimittel gegen die im europäischen Primärrecht geregelte Warenverkehrsfreiheit verstießen, da sie ausländischen Versandapotheken den Zugang zum deutschen Markt in ungerechtfertigter Weise erschwerten.
Diese Entscheidung ist nach Auffassung beider Gerichte auf Sachverhalte ohne grenzüberschreitenden Bezug nicht übertragbar und lasse entsprechend die Anwendbarkeit der Preisvorschriften des Arzneimittelgesetzes auf den rein innerdeutschen Verkauf von Arzneimitteln unberührt. Dies führe im Ergebnis auch nicht zu einer gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz in Art. 3 Abs. 1 GG verstoßenden Inländerdiskriminierung in Deutschland ansässiger Apotheken.
Worin sich Berlin und Frankfurt jedoch uneins waren
Das KG war allerdings der Auffassung, dass der festgestellte Verstoß gegen die Arzneimittelpreisbindung und das heilmittelwerberechtliche Zuwendungsverbot nicht wettbewerbswidrig sei. Er sei insbesondere nicht geeignet, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmer und Mitbewerber spürbar zu beeinträchtigen.
Dabei bezog es sich auf den Umstand, dass der Gesetzgeber die Regelung zur Spürbarkeit in § 3a UWG im Gegensatz zu § 7 HWG nicht geändert hat. Die Frage der Spürbarkeit sei daher nach wie vor eigenständig zu prüfen, selbst wenn ein Verstoß gegen das Heilmittelwerberecht oder gegen arzneimittelpreisrechtliche Regelungen feststehe. Im vorliegenden Fall gingen von dem zugewendeten Ein-Euro-Gutschein jedoch nur sehr geringe Anlockwirkungen aus, so das KG.
Anders als das KG sah das OLG Frankfurt in der Aushändigung eines Brötchen-Gutscheins indes auch einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht. Der Gesetzgeber habe mit der Gesetzesänderung verhindern wollen, dass die wettbewerbsrechtliche und die arzneimittelpreisrechtliche Bewertung divergierten. Von einer Spürbarkeit im Sinne von § 3a UWG sei daher im Streitfall auszugehen. Da die Frage nach der Inländerdiskriminierung infolge der DocMorris-Entscheidung des EuGH jedoch grundsätzliche Bedeutung habe, hat es die Revision zugelassen.
BGH: Spürbarkeit liegt bei Verstoß gegen Arzneimittelpreisrecht stets vor
Der BGH hat in seinen beiden Entscheidungen vom Donnerstag das Urteil des OLG Frankfurt bestätigt, während er das Urteil der Berliner Richter aufgehoben hat. Dabei ist er der Bewertung der Vorinstanzen zunächst insoweit gefolgt, als auf innerstaatliche Sachverhalte ohne grenzüberschreitenden Bezug die Regelungen über die Warenverkehrsfreiheit nicht anwendbar seien. Auch nach Auffassung der Karlsruher Richter liegt weder eine gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz in Art. 3 Abs. 1 GG verstoßende Inländerdiskriminierung noch ein unzulässiger Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit der Apothekeninhaber vor.
Allerdings seien sowohl die Zugabe eines Brötchen-Gutscheins als auch eines Ein-Euro-Gutscheins beim Erwerb von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln wettbewerbswidrig, weil beide Werbegaben gegen die geltenden Preisbindungsvorschriften verstießen. Insbesondere sei der Verstoß gegen § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG auch im Sinne des § 3a UWG geeignet, die Interessen von Marktteilnehmern eben doch spürbar zu beeinträchtigen. Die eindeutige gesetzliche Regelung, nach der jede Gewährung einer Zuwendung oder sonstigen Werbegabe, die gegen die Preisvorschriften des Arzneimittelgesetzes verstößt, unzulässig ist, dürfe nicht dadurch unterlaufen werden, dass ein solcher Verstoß – wie es das KG getan hat – als nicht spürbar eingestuft und damit als nicht wettbewerbswidrig angesehen werde.
Auf die finanzielle Geringwertigkeit der Werbegabe kann es laut den Karlsruher Richtern in diesem Zusammenhang nicht länger ankommen, nachdem die Preisbindung infolge des mit der Änderung von § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HWG zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers strikt einzuhalten sei.
Der Handlungsspielraum für Apotheken, um Kunden Zuwendungen im Zusammenhang mit der Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zu gewähren, dürfte damit künftig noch enger sein. Zulässig sind allenfalls noch kleinere Zugaben, die sich als Ausdruck allgemeiner Kundenfreundlichkeit darstellen und die keinen wirtschaftlichen Wert für den Kunden haben (z.B. Taschentücher oder Traubenzucker).
Der Autor Dr. Thomas Utzerath ist Rechtsanwalt in Düsseldorf. Er berät und vertritt insbesondere Unternehmen aus der Arzneimittel- und Medizinproduktebranche sowie Kosmetik- und Lebensmittelhersteller.
BGH zu Zugaben bei preisgebundenen Arzneimitteln: . In: Legal Tribune Online, 06.06.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/35793 (abgerufen am: 25.11.2024 )
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