2/2: OLG Stuttgart: Bausparkasse nicht schutzbedürftig
Verhandelt wurden die Fälle zweier Bausparerinnen, denen Wüstenrot einen Vertrag von 1978 und zwei Verträge von 1999 gekündigt hatte. Der für das Bankrecht zuständige XI. Senat entschied dabei über die Revision der Bausparkasse gegen Urteile des Oberlandesgerichts (OLG) Stuttgart.
Die Schwaben hielten die Kündigungen der Bausparkasse in beiden Fällen für unberechtigt. Die Bausparkasse könne sich nicht auf die Vorschrift des § 489 Abs. 1 Nr. 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) a.F. (§ 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB n.F.) berufen, wonach ein Darlehensnehmer ein Darlehen zehn Jahre nach dessen vollständigem Empfang kündigen könne. Die Regelung sei auf Bausparverträge in der so genannten Ansparphase nicht anwendbar, auch wenn der Bausparer der Bausparkasse ein Darlehen gewähre, die Bausparkasse somit als Darlehensnehmerin auftrete.
Nach Ansicht des OLG Stuttgart bezweckt das Gesetz den Schutz von Darlehensnehmern, die dem Zinsbestimmungsrecht der Darlehensgeber ausgesetzt seien. Dieser Schutzzweck treffe auf das so genannte Passivgeschäft der Bausparkassen nicht zu.
Diese seien nämlich als Darlehensnehmer in der Ansparphase nicht schutzbedürftig, weil sie als gewerbliche Kreditinstitute die Zinssätze und die maximale Laufzeit der Verträge in ihren ABB selbst bestimmten. Dadurch hätten die Bausparkassen es bei der Zinsfestlegung versäumt, durch geeignete Bedingungen eine unerwünscht lange Laufzeit auszuschließen. Das daher freiwillig übernommene Zinsrisiko könne nicht unter Berufung auf gesetzliche Kündigungsvorschriften auf die Bausparer abgewälzt werden.
BGH: Auch Bausparkasse ist Darlehensnehmer iSv. § 489 BGB
Der XI. Zivilsenat sieht das ganz anders. Auch der BH wendet zwar das Darlehensrecht auf die Bausparverträge an. Während der Ansparphase eines Bausparvertrages ist die Bausparkasse Darlehensnehmerin und der Bausparer Darlehensgeber, so die Karlsruher Richter. Erst mit der Inanspruchnahme eines Bauspardarlehens komme es zu einem Rollenwechsel.
Der Senat hält aber die Kündigungsvorschrift des § 489 Abs. 1 Nr. 3 BGB a.F. (§ 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB n.F.) auch zugunsten einer Bausparkasse als Darlehensnehmerin in der Ansparphase für anwendbar. Dies folge nicht nur aus dem Wortlaut und der Systematik des Gesetzes, sondern auch aus der Entstehungsgeschichte und dem Regelungszweck der Norm. Diese wolle jedem Darlehensnehmer, also auch den Bausparkassen in der Ansparphase, die Möglichkeit geben, sich nach Ablauf von zehn Jahren nach Empfang des Darlehens durch Kündigung vom Vertrag zu lösen.
Auch die Voraussetzungen des Kündigungsrechts liegen nach Ansicht der Karlsruher Richter vor. Mit dem Eintritt der erstmaligen Zuteilungsreife hat die Bausparkasse unter Berücksichtigung des Zwecks des Bausparvertrages das Darlehen des Bausparers vollständig empfangen. Der Vertragszweck besteht für den Bausparer darin, durch die Erbringung von Ansparleistungen einen Anspruch auf Gewährung eines Bauspardarlehens zu erlangen. hat er das damit korrespondierende Zweckdarlehen mit Eintritt der erstmaligen Zuteilungsreife vollständig gewährt, was Voraussetzung für eine außerordentliche Kündigung des Darlehensnehmers – hier der Bausparkasse - ist.
Die Risiken der Niedrigzinsphase auf die Verbraucher abgewälzt
Der BGH hält sich in seiner Urteilsbegründung stoisch an den Gesetzeswortlaut und billigt jedem Darlehensnehmer ein in § 489 BGB statuiertes Kündigungsrecht zu, unabhängig davon, ob es die Bausparkasse in der Ansparphase ist, oder der Bausparer in der Darlehensphase.
Bei den vorliegenden Verfahren ging letztlich es um die Frage, wer die Folgen der Niedrigzinsphase zu tragen hat. Die Entscheidung des BGH wälzt das Risiko veränderter Marktverhältnisse auf die Kunden ab. Dabei haben sich Bausparer, die an einem zuteilungsreifen Vertrag festhielten, völlig legitim und vertragskonform verhalten.
Einer Kündigung der Bausparkasse in der Ansparphase hätte an deren fehlendem Schutzbedürfnis scheitern müssen, zumal die Bausparkassen die Verträge einst selbst als Geldanlage offensiv beworben haben. Da sie zu den damals vorherrschenden Marktverhältnissen sehr gut an den Bausparverträgen verdient haben, wäre es konsequent gewesen, wenn sie auch die Risiken einer Marktveränderung zu tragen gehabt hätten.
Der Autor Johannes Flötotto ist selbstständiger Rechtsanwalt in Berlin. Sein Arbeitsschwerpunkt liegt im Anlegerrecht.
Mit Materialien von dpa
BGH billigt Kündigung gutverzinster Bauspar-Altverträge: . In: Legal Tribune Online, 21.02.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22170 (abgerufen am: 07.11.2024 )
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