Die Wirtschaftsauskunftei muss zwar sagen, welche Daten sie in ihren Algorithmus hineinwirft, und was hinten herauskommt – aber nicht, wieso und weshalb, so der BGH am Dienstag. Das entspricht zwar dem Willen des Gesetzgebers, ist aber dennoch unbefriedigend vor dem Hintergrund, dass derartige Algorithmen immer häufiger wesentliche Entscheidungen über uns fällen werden, meint Gerrit Hornung.
Die Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung (Schufa) ist immer wieder erheblicher Kritik ausgesetzt. Das liegt zum Teil an Dingen, die über ihre Arbeit bekannt werden – so floss bis 2001 das Einholen einer Eigenauskunft als negatives Merkmal in das Scoring ein, obwohl auf diese Auskunft ein klarer gesetzlicher Anspruch besteht. Im aktuellen Fall des Bundesgerichtshofs (BGH) geht es dagegen um das, was die Schufa gerade nicht bekannt machen möchte, nämlich die konkrete Form der Berechnung des Scorewerts der Betroffenen.
Dieser Score ist eine Prognose in die Zukunft: Er gibt an, mit welcher Wahrscheinlichkeit jemand nach Ansicht der Schufa seinen Zahlungsverpflichtungen nachkommen wird. Im konkreten Fall ergaben sich für die Klägerin danach im Vergleich eher niedrige Erfüllungswahrscheinlichkeiten von 92,94 Prozent (Banken) und 81,14 Prozent (Telekommunikationsunternehmen). Diese Werte werden durch entsprechende Unternehmen routinemäßig vor Vertragsabschlüssen angefordert und beeinflussen die Entscheidung über das Eingehen des Vertrages und die angebotenen Konditionen. Für die Übermittlung der meisten Daten ist eine Einwilligung des Betroffenen erforderlich, deren Verweigerung freilich faktisch immer dazu führt, dass die andere Seite keinen Vertrag abschließt.
Keine Offenbarung der Berechnungsmethode
Die Schufa und andere Auskunfteien waren schon immer zurückhaltend mit Informationen über ihre Arbeit. Der Gesetzgeber hat deshalb 2010 eingegriffen und in § 34 Abs. 4 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) präzise Vorgaben für das Auskunftsrecht gemacht: Anzugeben sind die während des letzten Jahres übermittelten Scorewerte und ihre Empfänger, die aktuellen Scorewerte zum Zeitpunkt des Auskunftsverlangens, die für jeden Score verwendeten Datenarten, sowie "das Zustandekommen und die Bedeutung" der Scores "einzelfallbezogen und nachvollziehbar in allgemein verständlicher Form".
Nach Ansicht des BGH bezieht sich dieses "nachvollziehbar" allerdings nicht auf die Art und Weise, in der die Scores ermittelt werden. Die Schufa hatte – zum Teil erst im Laufe des Prozesses – die einzelnen Daten preisgegeben, die in die Berechnung des Scores eingeflossen waren. Außerdem hatte sie mitgeteilt, welche Scores an wen übermittelt worden waren. Die Klägerin – nach eigenem Vortrag kreditwürdig – wollte jedoch mehr, nämlich konkrete Angaben zu Vergleichsgruppen sowie zu der Gewichtung der in den Scorewert eingeflossenen Merkmale. Beides hatte das Landgericht (LG) Berlin 2011 einem Kläger zugesprochen; die Schufa entging nach Medienberichten durch Berufungsrücknahme einem bestätigenden Urteil des Kammergerichts.
Die beiden Vorinstanzen des aktuellen Verfahrens verneinten dagegen einen solchen Anspruch. Ausweislich der Pressemitteilung des BGHs (die Gründe sind noch nicht veröffentlicht) übernimmt dieser das Kernargument: Dem Auskunftsanspruch des § 34 Abs. 4 BDSG liege die gesetzgeberische Intention zugrunde, trotz der Schaffung einer größeren Transparenz bei Scoringverfahren die Geschäftsgeheimnisse der Auskunfteien, namentlich die so genannte Scoreformel, zu schützen (Urt. v. 28.01.2014, Az. VI ZR 156/13).
Gerrit Hornung, BGH schützt Geheimniskrämerei der Schufa: . In: Legal Tribune Online, 29.01.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10816 (abgerufen am: 02.11.2024 )
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