BGH sieht keinen Vertrauenstatbestand: Kün­di­gung auch bei älteren Miet­rück­ständen mög­lich

von Dominik Schüller

13.07.2016

Ein Vermieter kann auch fast acht Monate nach dem Zahlungsrückstand noch fristlos kündigen. Der BGH hat am Mittwoch eine Anwendung von § 314 Abs. 3 BGB neben dem spezielleren Mietrecht abgelehnt, erklärt Dominik Schüller.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat heute die Frage geklärt, ob bei länger zurückliegenden Mietrückständen eine Kündigung nach § 314 Abs. 3 BGB ausgeschlossen sein kann. Die Norm beschränkt die Kündigung von Dauerschuldverhältnissen aus wichtigem Grund auf eine angemessene Frist, nachdem der Berechtigte vom Kündigungsgrund Kenntnis erlangt hat.

Ihre Anwendbarkeit hat der u.a. für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat grundsätzlich verneint: Neben den speziell geregelten Vorschriften zur fristlosen außerordentlichen Kündigung im Wohnraummietrecht (§§ 543, 569 BGB) findet § 314 keine Anwendung; auch wenn Mietrückstände länger zurück liegen, kann der Vermieter grundsätzlich fristlos kündigen (BGH, Urt. v. 13. Juli 2016, Az. VIII ZR 296/15) Mit der Entscheidung haben die Karlsruher Richter insbesondere für Vermieter Rechtssicherheit bei fristlosen Kündigungen geschaffen.

Kündigung nur in angemessener Frist?

Der Sachverhalt, den sie zu beurteilen hatten, war denkbar einfach: Der Mieter hatte die Mieten für Februar und März 2013 nicht gezahlt. Die Vermieterin mahnte ihn deshalb im August und kündigte fristlos im November desselben Jahres.

Das Amtsgericht (AG) verurteilte den Mann zur Räumung, das Landgericht (LG) wies die Klage hingegen in der Berufung ab. Es war der Auffassung, dass die Kündigung wegen des achtmonatigen Abwartens der Vermieterin nach § 314 Abs. 3 BGB unwirksam war. So gelangte die Rechtsfrage zum BGH, der klären sollte, ob das – wegen des Zahlungsverzugs mit zwei aufeinanderfolgenden Monatsmieten nach § 543 Abs. 2 Nr. 3a BGB unstreitig bestehende – Recht zur Kündigung wegen des monatelangen Abwartens der Vermieterin ausgeschlossen war.

Nach § 314 BGB gilt grundsätzlich für alle Schuldverhältnisse, dass jeder Vertragsteil das Dauerschuldverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen kann. Nach Abs. 3 ist hierfür jedoch stets erforderlich, dass der Berechtigte die Kündigung innerhalb einer angemessenen Frist ausspricht, nachdem er vom Kündigungsgrund erfahren hat.

Kündigungsgrund bestand

Neben den besonderen Kündigungsvorschriften im Wohnraummietrecht aber ist die Vorschrift nach Ansicht der Karlsruher Richter nicht anwendbar. Diese regelten in §§ 543, 569 BGB abschließend das Recht zur fristlosen Kündigung, ohne hierfür eine zeitliche Grenze vorzusehen. Daher hält der VIII. Zivilsenat die Anwendung der Vorschrift für rechtsfehlerhaft. Auch einen Verweis auf § 314 BGB gebe es nicht, der Gesetzgeber habe bei der Mietrechtsreform im Jahr 2001 insoweit bewusst von Beschränkungen des Kündigungsrechts in zeitlicher Hinsicht abgesehen.

Ausreichend sei nach den Gesetzesmaterialien, dass die Kündigung bei langer Zeitdauer verwirkt sein könne. Eine allgemeinverbindliche Ausschlussmöglichkeit könne es im Mietrecht nicht geben.

Außerdem hat der BGH neben der Anwendung des § 314 Abs. 3 BGB auch die Bewertung der knapp acht Monate später erfolgten Kündigung als außerhalb der „angemessenen Zeit“ gerügt. Die Vermieterin habe vielmehr trotz fortbestehender Mietrückstände auf den Mieter Rücksicht genommen und diesem nicht gekündigt.

Keine Verwirkung der Kündigung

Auch eine allgemeine Verwirkung lehnt der BGH ab. Der Senat hat kein vertrauensbildendes Umstandsmoment auf Mieterseite feststellen können. Dass es sich bei der Vermieterin um eine Kirchengemeinde und bei der Mieterin um ihre ehemalige Küsterin handelte, führe nicht dazu, dass die Mieterin darauf hätte vertrauen dürfen, dass ihr nicht gekündigt wird.

Der BGH hat folgerichtig die Kündigung für wirksam erachtet und durch Widerherstellung des Urteils des Amtsgerichts den Mieter zur Räumung verurteilt – zu Recht. Praktische Konsequenz einer anderen Entscheidung wäre gewesen, dass Vermieter stets sofort kündigen müssten, sobald Mietrückstände aufgelaufen sind, um nicht ihre Rechte zu verlieren. Im Ergebnis hätte das für die Gesamtheit der Mieter eher negative Auswirkungen.

Der Autor Dominik Schüller ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht in der Immobilienrechtskanzlei SAWAL Rechtsanwälte & Notar in Berlin und twittert zu immobilienrechtlichen Fragen unter https://twitter.com/ra_schueller.

Zitiervorschlag

Dominik Schüller, BGH sieht keinen Vertrauenstatbestand: . In: Legal Tribune Online, 13.07.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19991 (abgerufen am: 20.11.2024 )

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