Ein Bordell in der Nachbarwohnung würde die wenigstens Wohnungseigentümer erfreuen. Dagegen vorgehen kann aber, wenn die Eigentümergemeinschaft das einmal beschlossen hat, nur noch die WEG, entschied der BGH mit einem Grundsatzurteil am Freitag. Eine Entwertung des Wohnungseigentums, die für Herbert Grziwotz kaum nachvollziehbar ist.
Mit Auseinandersetzungen über Störungen in Wohnungseigentumsanlagen müssen sich die Gerichte häufig befassen. Meist geht es um Lärmbelästigungen. In dem Fall, den der V. Senat des Bundesgerichtshofs (BGH) nun entschieden hat, übte der Nachbar in seiner Wohnung gewerbliche Prostitution aus oder überließ anderen die Räume zu diesem Zweck.
Die anderen Wohnungseigentümer beschlossen, dagegen gemeinschaftlich durch den Verband der Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) vorzugehen. Sie beauftragten dazu einen Rechtsanwalt, der die Klage vorbereiten und einreichen sollte. Ein Eigentümer der Gemeinschaft wollte jedoch nicht so lange warten und verklagte den störenden Nachbarn selbst auf Unterlassung und Beseitigung des Bordellbetriebs.
Der BGH hat die Klage nun wie die Vorinstanzen als unzulässig abgewiesen. Der Einzelne sei dazu nicht berechtigt gewesen. Indem die WEG den Beschluss gefasst habe, gegen den Nachbarn vorzugehen, habe sie die alleinige Zuständigkeit für eine Klage begründet. Der einzelne Wohnungsinhaber hätte sich an den Verband wenden und von diesem verlangen müssen, dass er die Klage einreiche (BGH, Urt. v. 05.12.2014, Az. V ZR 5/14). Mit dieser Entscheidung ist die in Rechtsprechung und Literatur umstrittene Frage entschieden, ob nach einem Mehrheitsbeschluss nur noch die WEG Klage gegen Störungen erheben darf.
Wann nur die WEG klagebefugt ist
Das Gericht unterscheidet zunächst dogmatisch sauber zwischen der Beeinträchtigung des Gemeinschafts- und des Sondereigentums. Betrifft die Störung primär das gemeinschaftliche Eigentum, ist die WEG im Ergebnis vorrangig klagebefugt. Das gilt auch, wenn das Sondereigentum des Einzelnen mittelbar betroffen ist, solange die Störung vom gemeinschaftlichen Teil ausgeht.
Eine solche mittelbare Beeinträchtigung nahmen die Bundesrichter hier an. Der bordellartige Betrieb belaste die gesamte Anlage durch den von ihm ausgehenden Lärm. Besucher würden zudem das Treppenhaus und die Flure verschmutzen. Der einzelne Eigentümer werde von dem Treiben durch negative Auswirkungen auf den Verkehrswert und die Vermietbarkeit seiner Wohnung nur indirekt betroffen.
Zwar habe der Einzelne auch dann einen Anspruch auf Beseitigung der Störung, so der u.a. für das Wohnungseigentumsrecht zuständige V. Senat. Aber die WEG könne die gerichtliche Geltendmachung per Beschluss an sich ziehen und werde dadurch alleine zuständig. Der Verband könne dabei auch über die Art der Durchsetzung entscheiden, etwa ob auf vollständige Unterlassung oder nur auf Einhaltung bestimmter Auflagen geklagt werden soll. Der einzelne Wohnungseigentümer hingegen könne nicht mehr gerichtlich gegen den Störer vorgehen.
Und wann der Einzelne noch klagen kann
Der einzelne Eigentümer kann demnach nur noch dann selbst gegen den Störer klagen, wenn sein Sondereigentum unmittelbar betroffen ist. Diese Individualansprüche kann die Gemeinschaft nach der Entscheidung des BGH nicht gegen den Willen des betroffenen Wohnungseigentümers an sich ziehen.
Beispiele sind Lärm, der unmittelbar auf die Nachbarwohnung einwirkt und Beschädigungen des Sondereigentums. Insoweit bleibt der Einzelne berechtigt, Störungen seines Eigentums abzuwenden. Zu lautes Liebesgestöhne aus der Nachbarwohnung kann ein Wohnungseigentümer somit weiterhin gerichtlich untersagen lassen, nicht aber die Nutzung des Grundstücks als Kontakthof, wenn die Gemeinschaft über die Art des Vorgehens mehrheitlich entschieden hat.
Wenn die WEG die Rechtsverfolgung rechtsmissbräuchlich verzögert, hat der Eigentümer einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch gegen die Gemeinschaft. Er kann dann aber nur die Erhebung der Klage verlangen.
Auch Wohnungseigentum ist echtes Eigentum
Ist aber lediglich Gemeinschaftseigentum unmittelbar betroffen, kann er, wenn seine Klage bereits vor der Beschlussfassung rechtshängig ist, das Verfahren nur entsprechend §§ 265, 326 Zivilprozessordnung (ZPO) fortsetzen.
Wird Eigentum gestört, kann ein Eigentümer grundsätzlich verlangen, dass die Beeinträchtigung beseitigt wird. Auch Wohnungseigentum ist echtes Eigentum. Diesen Eigentümern aber nimmt der BGH mit seiner Entscheidung einen Teil ihrer Rechtsposition. Sie können, wenn die Mehrheit sich für ein bestimmtes Vorgehen entschieden hat, Beeinträchtigungen ihres Sondereigentums nicht mehr unmittelbar abwehren.
Das Argument, die von solchen Beeinträchtigungen ausgehende Unvermietbarkeit und der Wertverlust würden das Sondereigentum nur indirekt betreffen, wird bei dem betroffenen Wohnungseigentümer auf wenig Verständnis stoßen. Die Prostitutionsausübung in einer Wohnanlage beeinträchtigt den Eigengebrauch und den Wert der anderen Einheiten nachhaltig und erschwert ihre Vermietbarkeit. Diese Beeinträchtigung als lediglich mittelbare zu qualifizieren und nicht als direkte Störung des Sondereigentums, ist schwer nachvollziehbar.
Der Autor Prof. Dr. Dr. Herbert Grziwotz ist Notar in Regen und Zwiesel.
Herbert Grziwotz, BGH zu Störungen des Wohnungseigentums: . In: Legal Tribune Online, 08.12.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14045 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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