2/2: Um die Kutten selbst ging es nie
Der eigentliche Hintergrund der Kuttenverbote ist ohnehin ein anderer. Mittels der vereinsrechtlichen Konstruktionen eines strafbewehrten Kuttenverbotes sollte in erster Linie ein Anfangsverdacht generiert werden, der zu polizeilichen Maßnahmen ermächtigt, die andere Ziele verfolgen: So sollen im Rahmen von Durchsuchungen etwa "Zufallsfunde" ermöglicht oder mittels des politisch angeordneten "niedrigschwelligen Einschreitens" Widerstandshandlungen provoziert werden, die dann als "echte" Straftaten verfolgt werden können.
An einer konsequenten Verfolgung der – angeblich – strafbewehrten Kuttenverbote war dagegen niemand interessiert. Das zeigt auch die Sachverhaltskonstellation, die der BGH-Entscheidung zu Grunde lag. Um eine gerichtliche Bewertung der Kuttenverbote zu erlangen, musste eine Strafanzeige "provoziert" werden. Die Angeklagten begaben sich zu diesem Zweck Kutte tragend in Begleitung ihrer Verteidiger zum Polizeipräsidium Bochum.
Nächste Baustelle: Schlagstöcke & Co
Freilich sind Hells Angels, Bandidos und Co. keine Chorknaben. Ein nicht unerhebliches Kriminalitätspotential besteht bei einigen Chaptern/Chartern ohne Zweifel. Dieses muss auch polizeilich bekämpft werden. Hierzu stehen der Polizei und den Staatsanwaltschaften in den Landespolizeigesetzen und der Strafprozessordnung ausreichende Eingriffsbefugnisse zur Verfügung. Gelingt es indes nicht, den Motorradclubs in maßgeblichem Umfang Straftaten nachzuweisen, heißt es in einem Rechtsstaat Zurückhaltung zu wahren.
Darauf sollte man sich bei der teils hysterisch betriebenen Bekämpfung der Rockerkriminalität wieder besinnen. Zu erwarten ist dies jedoch kaum. Die "Zero-Tolerance-Strategie" einiger Innenminister wird weitergehen. Jetzt sollen in Baden-Württemberg – gestützt auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts – die Rocker "entwaffnet" werden. Neben echten Waffen sollen alle gefährlichen Gegenstände, wie etwa Schreckschusswaffen, Hieb- und Stoßwaffen, Schlagstöcke, Kampfmesser und auch Pfefferspray und Elektroschocker eingezogen werden. Auch damit werden sich wieder die Gerichte beschäftigen müssen, wobei sich eine weitere Niederlage der Hardliner schon jetzt abzeichnet.
Der Autor Dr. Frank Braun ist Regierungsdirektor an der FHÖV NRW in Münster und Autor des am 24. Juni 2014 im Beck Verlag erschienenen Kommentars zum Vereinsgesetz.
Bundesgerichtshof setzt enge Grenzen für Kuttenverbote: . In: Legal Tribune Online, 09.07.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16152 (abgerufen am: 05.11.2024 )
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