BGH zur Nutzung privater Router durch Anbieter: Keine Beläs­t­i­gung im WLAN

von Robert Briske

25.04.2019

Unitymedia darf die Router seiner Kunden für den Aufbau eines flächendeckenden WLAN-Netzes nutzen, so der BGH. Er sieht darin keine "unzumutbare Belästigung" der Kunden. Robert Briske erläutert die Entscheidung.

Der Kabelnetzbetreiber Unitymedia darf die Router, die das Unternehmen den Kunden stellt, für den Aufbau eines flächendeckenden WLAN-Netzes mittels eines zweiten WLAN-Signals ("WifiSpots") nutzen, das hat der BGH in einem nun verkündeten Urteil entschieden (Urt. v. 25.04.2019, Az. I ZR 23/18).

Die Beklagte, eine Anbieterin von Telekommunikationsdienstleistungen, stellte den Kunden ihrer Internetanschlussleistungen auf Wunsch kostenfrei einen WLAN-Router zur Verfügung, welcher im Eigentum der Anbieterin verblieb. Anfang 2016 teilte die Beklagte ihren Kunden mit, sie werde zur Erstellung eines flächendeckenden WLAN-Netzes die Konfiguration der WLAN-Router dahin ändern, dass ein separates WLAN-Signal aktiviert werde, das Dritten einen Zugang zum Internet eröffne. Diese Erweiterung war nicht Bestandteil des Vertrages über Internetzugangsleistungen. Der Kunde kann jedoch jederzeit widersprechen dieser Nutzung des Routers widersprechen.

Der Kabelnetzbetreiber Unitymedia hatte so mit dem Versuch begonnen, das größte Netz von WLAN-Hotspots in Deutschland aufzubauen. Bis Ende 2016 sollten 1,5 Millionen "Wifi-Spots" für die Kunden in Nordrhein-Westfalen, Hessen und Baden-Württemberg verfügbar sein. Die Klägerin, die Verbraucherzentrale NRW nach § 8 Abs. 3 Nr. 3 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), sah in der unaufgeforderten Einrichtung eines Wifi-Spots bei Verbrauchern eine unzumutbare Belästigung und eine aggressive Geschäftspraktik.

Der I. Zivilsenat des BGH entschied nun, dass die Aktivierung eines zweiten WLAN-Signals auf dem WLAN-Router wettbewerbsrechtlich zulässig ist, wenn den Kunden ein Widerspruchsrecht zusteht, die Aktivierung des zweiten WLAN-Signals ihren Internetzugang nicht beeinträchtigt und auch sonst keine Nachteile, insbesondere keine Sicherheits- und Haftungsrisiken oder Mehrkosten mit sich bringt.

Keine unzumutbare Belästigung des Kunden

Der BGH verneint bereits eine Belästigung des Kunden im Sinne des § 7 Abs. 1 UWG. Belästigend in diesem Sinne ist eine geschäftliche Handlung, die dem Empfänger aufgedrängt wird und die bereits wegen ihrer Art und Weise unabhängig von ihrem Inhalt als störend empfunden wird.

Eine derartige Störung fehlt nach Auffassung des BGH, da die vertraglich geschuldete Leistung und der ungestörte Gebrauch des Routers weder durch die Aktivierung des zweiten WLAN-Signals noch durch dessen Betrieb beeinträchtigt werde. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass der Router im Eigentum der Telekommunikationsanbieterin stehe und dem Kunden daher auch kein ausschließliches Nutzungsrecht am Eigentum des Routers zusteht. Dem Kunden werde auch keine Dienstleistung aufgedrängt, da dem Kunden keine weitere Dienstleistung erbracht werde. Vielmehr soll Dritten der Zugang zum Internet über den neuen Wifi-Hotspot ermöglicht werden.

Im Übrigen ist nach dem BGH die Aktivierung ein ausschließlich technischer Vorgang, der nach den Feststellungen des Berufungsgerichts keinerlei Nachteile für die Kunden mit sich bringt. Sie erfordert weder einen mit Störungen verbundenen Besuch bei den Kunden noch deren Mitwirkung. Der Internetzugang der Kunden wird durch die Aktivierung des zweiten WLAN-Signals nicht beeinträchtigt. Anhaltspunkte für eine Gefährdung der Sicherheit der Kunden oder durch die erweiterte Nutzung des Routers verursachte Mehrkosten zu Lasten der Kunden hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Für die Kunden besteht auch nicht das Risiko, für von Dritten über das zweite WLAN-Signal begangene Rechtsverletzungen zu haften. Dies ist nachvollziehbar, da der Kunde auf Rechtsverletzungen Dritter über den Wifi-Hotspot der Telekommunikationsanbieterin keinen Einfluss hat und bereits kein Täter oder Gehilfe sein kann.

So wurde bereits abgelehnt, dass ein Vermieter von Räumlichkeiten für etwaige Urheberrechtsverletzungen bei einer Musikveranstaltung auf Schadensersatz haftet (LG Düsseldorf, Urt. v. 16. 5. 2012 − 23 S 296/11). Da der Vermieter keinen Einfluss auf den Ablauf der Veranstaltung hatte, hafte er auch nicht. Auch eine Haftung als Störer kommt im Ergebnis wegen des neuen § 8 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 Telemediengesetz (TMG) nicht in Betracht. Wenn bereits ein Diensteanbieter nicht haftet, wenn er nicht verantwortlich ist, dann kann erst Recht kein bloßer Besitzer eines Geräts haften, dessen Einfluss sich in einer reinen Widerspruchsmöglichkeit erschöpft. Im Übrigen wäre der Kunde auch für die Sperransprüche nach dem neuen § 7 Abs. 4 TMG der falsche Anspruchsgegner, da er gerade keinen inhaltlichen Einfluss auf den Wifi-Hotspot nehmen kann. Zudem besteht gerade die "andere Möglichkeit" der Inanspruchnahme des Telekommunikationsanbieters.

Verstoß gegen Datenschutzrecht?

Selbst wenn man eine Belästigung annehmen würde, fehlt es nach Meinung des BGH auch an der Unzumutbarkeit der Belästigung. Unzumutbar ist die Belästigung, wenn sie eine solche Intensität erreicht, dass sie von einem großen Teil der Verbraucher als unerträglich empfunden wird. Dabei ist der Maßstab des durchschnittlich empfindlichen Adressaten zu Grunde zu legen. Die Unzumutbarkeit muss dabei durch eine Abwägung der auch verfassungsrechtlich geschützten Interessen der Beteiligten ermittelt werden. Nach dem BGH werden durch die Aufschaltung des Routers keine rechtlich geschützten Interessen des Kunden beeinträchtigt. Zudem stehe dem Kunden ein zeitlich unbefristetes Widerspruchsrecht zu.

Offen bleibt jedoch die datenschutzrechtliche Frage, ob durch die nachträgliche Erweiterung der Router-Funktionalität und die Dokumentation eines Widerspruchs bzw. eines fehlenden Widerspruchs die personenbezogenen Daten des Kunden beim Telekommunikationsanbieter für andere bzw. neue Zwecke verarbeitet werden. Je nach Einzelfall könnte diese Zweckänderung nach Art. 6 Abs. 4 der europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) dann doch dazu führen, dass rechtlich geschützte Interessen beeinträchtigt werden. Diese zumindest denkbare Beeinträchtigung wäre dann jedoch auch wieder nur mittelbar mit der Aufschaltung des Wifi-Hotspots verbunden und würde wohl im Rahmen einer Interessenabwägung nicht zur Unzumutbarkeit der Belästigung führen. Denn auch insoweit mildert die Möglichkeit der unbefristeten Widerspruchsmöglichkeit den Eingriff in die Interessen des Kunden ab.

Wegen des uneingeschränkten Widerspruchsrechts des Kunden verneinte der BGH zudem auch eine aggressive Geschäftspraktik im Sinne von § 4a Abs. 1 UWG, da die Entscheidungsfreiheit des Kunden gerade nicht beeinträchtigt wird.

Geschäftsmodell abgesegnet

Der BGH bringt Rechtssicherheit für die Geschäftsmodelle von Unitymedia sowie von weiteren Anbietern wie z.B. der Telekom ("WLAN TO GO") und Vodafone ("Homespot"). Damit unterstützt die Rechtsprechung den langsam voranschreitenden WLAN-Ausbau in Deutschland, welcher zuletzt auch politisch durch die 3. Reform des TMG begünstigt wurde. Auch aus rechtlicher Sicht überzeugt die Entscheidung, da Sie ein innovatives Geschäftsmodell nicht an überzogen strengen Maßstäben für unzumutbare Belästigungen scheitern lässt.

Im Einzelfall sollten die betroffenen Kunden jedoch genauer prüfen, ob faktisch die Qualität ihres eigenen Internetzugangs durch die Öffnung für Dritte sinkt. Schließlich hat der BGH betont, dass der Internetzugang des Kunden nicht beeinträchtigt werden darf. Die Rechtsprechung hat damit Anreize für die Bereitstellung von flächendeckendem besseren Internet sowie einen besseren WLAN-Ausbau gesetzt.

Der Autor Robert Briske arbeitet als Rechtsanwalt im Hamburger Büro der Kanzlei Osborne Clarke und ist spezialisiert auf die Beratung und Vertretung in marken-, urheber- und wettbewerbsrechtlichen Streitigkeiten.

Zitiervorschlag

BGH zur Nutzung privater Router durch Anbieter: . In: Legal Tribune Online, 25.04.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/35063 (abgerufen am: 05.11.2024 )

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