So leicht lässt sich Pippi nicht nachahmen. Wer schon vor roten Zöpfen geschützt sein will, muss dafür auch etwas tun, so der BGH. Georg Lecheler über den damit verbundenen finanziellen Aufwand und die Nachahmungsfreiheit im Wettbewerb.
Seit 2011 gibt es alle Jahre wieder ein Urteil im Streit zwischen den Erben Astrid Lindgrens und dem Discounter Penny um ein 2010 vermarktetes Kostüm. Nun hat der Bundesgerichtshof (BGH) den Streit endgültig entschieden: Pippi geht leer aus.
Penny hatte damals Karnevalskostüme unter dem Namen "Püppi" verkauft und mit dem Bild eines kleinen Mädchens sowie einer jungen Frau, die sich jeweils mit roten abstehenden Zöpfen, einem kurzem T-Shirt-Kleid und langen Ringelstrümpfen verkleidet hatten, millionenfach in Prospekten und auf Plakaten sowie im Internet beworben. Zwar entsprach die Verkleidung nicht exakt - nicht einmal weitgehend - der detaillierten Schilderung Astrid Lindgrens, aber es war auf Anhieb zu erkennen, wen die Verkleideten darstellen wollten.
Weil die Gesellschaft, die Astrid Lindgrens Rechte wahrnimmt, kurz zuvor einem anderen Anbieter für eine erkleckliche Summe die Rechte dazu vertraglich eingeräumt hatte, ein solches Kostüm mit Bildern Pippi Langstrumpfs zu bewerben, stritt man sich in diesem Fall vor Gericht – auch Penny sollte eine vergleichbare Summe zahlen.
Nun hat Pippi den BGH schon das zweite Mal herausgefordert: Bereits 2013 hatte das oberste Zivilgericht ihr im Rahmen des Streits um die Lizenzgebühr für das Püppi-Kostüm grundsätzlich Urheberrechtsschutz zuerkannt, sie im konkreten Fall aber trotzdem leer ausgehen lassen.
Dieses Mal wies der BGH die Forderung der Lindgren-Erben endgültig zurück. Bei der Auseinandersetzung um den noch offenen, wettbewerbsrechtlichen Teil des Streits scheint der BGH Pippi jetzt vorzuhalten, dass sie die Welt vielleicht zwar machen kann, wie sie ihr gefällt – zumindest ihre Erben das aber nicht getan haben. Die Übereinstimmungen zwischen der Romanfigur und der Supermarkt-Püppi seien schlicht zu gering. Hätten die Erben über das Urheber- und das Wettbewerbsrecht hinaus Schutz gewollt, so hätten sie die rechtlichen Mittel aus dem Marken- und Designrecht für sich in Anspruch nehmen können (Urt. v. 19.11.2015, Az. I ZR 149/14).
BGH 2013: Auf die inneren Werte kommt es an
Das Landgericht (LG) Köln erklärte 2011, Pippi Langstrumpf sei als Figur auch außerhalb der Geschichten - als eigentlichen Sprachwerken – urheberrechtlich geschützt. Diese Rechte habe Penny verletzt und müsse daher zahlen. Das Oberlandesgericht (OLG) Köln sah das 2012 genauso.
Anders der BGH: 2013 entschied der Gerichtshof, dass Pippi Langstrumpf zwar tatsächlich urheberrechtlichen Schutz genieße, verneinte aber eine Verletzung im Fall. Die Übernahme einzelner äußerlicher Merkmale von Pippi Langstrumpf reiche für eine Urheberrechtsverletzung nicht aus.
Vielmehr käme es darauf an, dass auch die inneren Merkmale - Widerspenstigkeit, Unabhängigkeit, Frohsinn - in der Übernahme zum Ausdruck kommen. Und sehe man sich die verkleideten Personen an, erschienen diese doch viel eher angepasst, gar schüchtern, ganz anders als die kunterbunte Pippi.
Das vollständige Bild Pippis komme daher in den Abbildungen nicht zum Ausdruck, sondern entstehe erst im Kopf des Betrachters, wenn dieser die im Kostüm nur zu einem geringen Teil übernommenen äußeren Merkmale Pippis mit ihrem individuellen, besonderen Charakter kombiniere. Da in den Abbildungen auch deutlich werde, dass die verkleideten Personen nur in die Rolle des starken Mädchen schlüpfen wollen, sei hinreichend klar, dass die Abbildung eben nicht Pippi zeige. Urheberrechtliche Ansprüche schieden damit aus.
Georg Lecheler, BGH verneint Nachahmung durch Püppi-Kostüm: . In: Legal Tribune Online, 20.11.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17612 (abgerufen am: 04.11.2024 )
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