Mit "coolen" Ansprachen wie "Pimp deinen Charakter" wurde das Spiel Runes of Magic angepriesen. Der BGH entzauberte diese Methode nun und verbot die Werbung wegen der Verwendung des informellen Du und von angeblicher Kindersprache, einschließlich gängiger Anglizismen. Konstantin Ewald und Felix Hilgert halten das Urteil für verunglückt – der Spielebranche werde so ein unpassend förmlicher Sprachstil aufgenötigt.
In dem Fall ging es um Zusatzinhalte für das Spiel Runes of Magic. Diese wurden online mit Slogans wie "Pimp deinen Charakter" und "Schnapp Dir die günstige Gelegenheit und verpasse Deiner Rüstung & Waffen das gewisse Etwas" beworben. Damit würden die angesprochenen Kinder in unzulässig suggestiver Weise zum Kauf aufgefordert, fand die Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) und verklagte den Spielebetreiber Gameforge.
Dieser Ansicht hat sich nun der Bundesgerichtshof (BGH) angeschlossen (Urt. v. 18.09.2014, Az. I ZR 34/12) und das entsprechende Versäumnisurteil vom 17. Juni 2013 aufrechterhalten.
Die Begründung des aktuellen Urteils ist zwar noch nicht veröffentlicht. Höchstwahrscheinlich stützt sich der BGH aber auf seine Argumentation aus der Schlüssigkeitsprüfung des Versäumnisurteils. Damals sah er eine Verletzung des § 3 Abs. 3 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) in Verbindung mit Nummer 28 des Anhangs zum UWG, der sogenannten "schwarzen Liste" unzulässiger geschäftlicher Handlungen. Danach ist eine unmittelbare Aufforderung an Kinder, die beworbene Ware zu erwerben oder ihre Eltern dazu zu veranlassen, innerhalb einer Werbeanzeige wettbewerbsrechtlich unzulässig.
Lockerer Sprachstil typisch für die Gamerszene
Die umstrittenen Aussagen sollten nach Ansicht des BGH wegen der Verwendung des informellen "Du" und von "Kindersprache, einschließlich gängiger Anglizismen" eine unzulässige Kaufaufforderung an Kinder darstellen. Der BGH geht davon aus, dass sich die Werbeaussage "Schnapp Dir…" gezielt an Kinder richtet.
Was genau der europarechtlich auszulegende Begriff "Kinder" in Nummer 28 der schwarzen Liste umfasst, ist aber seit Jahren heftig umstritten. Vor allem ist unklar, ob der Begriff sämtliche Minderjährigen erfasst oder (entsprechend dem deutschen Begriffsverständnis) nur Kinder unter 14 Jahren. Der BGH ließ dies bislang offen. Dabei wäre es wichtig zu wissen, auf welche Altersgruppe es denn nun ankommt, um präzise bestimmen zu können, ob gerade diese Altersgruppe von der Werbung angesprochen werden soll.
Ein eher jugendlicher Sprachstil ist außerdem kennzeichnend für die gesamte Spieleszene – obwohl 85 Prozent aller Computerspieler volljährig sind und der Altersdurchschnitt bei 32 Jahren liegt. Die sprachlichen Indizien, an die der BGH anknüpft, erscheinen also schon von vornherein wenig geeignet, um das Alter der Zielgruppe zu ermitteln. Der BGH hielt indessen die tatsächliche Altersstruktur der Spieler für "nicht entscheidend" – ohne weitere Begründung.
Nicht jede an Kinder gerichtete Werbung ist illegal
Da nicht jede Werbung, die sich gezielt an Kinder richtet, per se rechtswidrig sein kann, stellt sich die Frage, wann eine "unmittelbare Kaufaufforderung" überhaupt vorliegt.
Das Wettbewerbsrecht will nämlich nur dort eine Schranke setzen, wo Kinder gezielt und unmittelbar zum Kauf von Produkten aufgefordert werden. Konkret dürfen zwischen der Aufforderung und dem Kaufentschluss keine noch zu tätigenden wesentlichen Schritte mehr stehen.
Auch hier hat der BGH zumindest in dem Versäumnisurteil auf eine nähere Befassung mit diesen Voraussetzungen verzichtet. Die Werbeanzeige und die dort verlinkte Webseite seien als Einheit zu betrachten. Gerade das ist hier aber zweifelhaft. Nach einem Klick auf die Anzeige musste sich der Nutzer zunächst auf einer Produktseite zwischen dutzenden Produkten entscheiden, möglicherweise sogar noch einen Account anlegen und eine virtuelle Währung erwerben. Erst dann konnte er ein Produkt durch "Tausch" mit virtueller Währung auswählen und seine finale Erwerbsentscheidung treffen.
Von diesen und vielen weiteren Argumenten, die in der neuerlichen Verhandlung auch dem BGH vorgetragen worden waren, hat sich das Gericht allerdings offenbar nicht beeindrucken lassen. Das dürfte in der Spielebranche für Verunsicherung sorgen. Wenn Unternehmen nicht mehr in einem – für die jeweilige Zielgruppe – normalen Umgangston für ihre Produkte werben dürfen, sondern auf formale und gekünstelte Formulierungen zurückgreifen müssen, fühlen sich auch Kunden bevormundet.
Konstantin Ewald und Felix Hilgert sind Rechtsanwälte im Kölner Büro von Osborne Clarke und beraten regelmäßig Unternehmen der Spieleindustrie.
Felix Hilgert, Unzulässige Kaufaufforderung an Kinder: . In: Legal Tribune Online, 18.09.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13235 (abgerufen am: 01.11.2024 )
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