Wer zwischen Trennung und Zustellung des Scheidungsantrags im Lotto gewinnt, muss seinem Ex-Ehepartner die Hälfte abgegeben. Das entschied der BGH am Mittwoch in dem ungewöhnlichen Fall eines Millionengewinns. Wenig überraschend, meint Herbert Grziwotz. Der Beschluss sei aber zumindest ein Anlass, um über Ungerechtigkeiten beim Zugewinnausgleich nachzudenken.
Eine Viertel Million Euro muss der Lottogewinner seiner Ex-Frau nun zahlen. Das ist die Hälfte seines Anteils am Gewinn, den er mit seiner neuen Lebensgefährtin zwischen Trennung und Zustellung des Scheidungsantrags erzielte. Grund dafür ist der Zugewinnausgleich. Den gibt es nach einer Scheidung, wenn die Ehegatten keine Gütertrennung vereinbart haben. Die Berechnung ist eigentlich relativ einfach: Bei jedem Ehegatten wird verglichen, wie hoch sein Vermögen bei der Hochzeit war und wie hoch bei Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags. Die Differenz ist der Zugewinn.
Der Ehegatte mit dem größeren Zugewinn muss die Hälfte des Überschusses dem anderen Ehegatten als Ausgleich zahlen. Lediglich Erbschaften oder Schenkungen sind einer Ausgleichspflicht entzogen, da sie in keinem Zusammenhang mit der ehelichen Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft stehen, § 1374 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Sie stammen vielmehr von Dritten aufgrund persönlicher Beziehungen, an denen der andere Ehegatte keinen Anteil hatte.
Verweigerung des Zugewinnausgleichs möglich
Auf diesen Gedanken hatte sich der Mann berufen, um auch seinen Lottogewinn aus dem Zugewinnausgleich rauszuhalten. Allerdings erfolglos. Der Gewinn beruhe nicht wie eine Erbschaft oder eine Schenkung auf einer persönliche Beziehung, so der Bundesgerichtshof (BGH) (Beschl. v. 16.10.2013, Az. XII ZB 277/12).
Der Mann wird den Zugewinnausgleich auch nicht verweigern können. Das ist zwar möglich, allerdings nur soweit der Ausgleich grob unbillig ist, § 1381 BGB. Typische Fälle sind die schuldhafte und längere Zeit dauernde Nichterfüllung der sich aus dem ehelichen Verhältnis ergebenden wirtschaftlichen Verpflichtungen, insbesondere einer Unterhaltspflicht. In Ausnahmefällen kann auch ein exzessives ehezerstörendes Verhalten in Betracht kommen.
Ein außereheliches Liebesverhältnis im letzten Dreivierteljahr einer zehnjährigen Ehe genügt jedoch nicht (Oberlandesgericht (OLG) Köln, Urt. v. 20.6.1978, Az. 21 UF 412/77). Anders soll dies bei ehebrecherischen Beziehungen während der letzten drei Jahre in einer 30- jährigen Ehe sein (OLG Hamm, Urt. v. 16.2.1989, Az. 2 UF 648/86). Auch eine jahrzehntelange Unterdrückung und Missachtung, insbesondere verbunden mit Gewalttätigkeiten, können eine Unbilligkeit begründen (OLG Bamberg, Urt. v. 5.12.1996, Az. 2 UF 181/96). Eine längere Trennungszeit der Ehegatten, in der der Vermögenszuwachs erfolgte, begründet jedoch keine Unbilligkeit.
Das ehemalige Paar, das sich in Karlsruhe gegenüberstand, hatte allerdings eine ganze Weile recht gut zusammengelebt. 29 Jahre hatten sie es miteinander ausgehalten. Drei Kinder sind aus ihrer Ehe hervorgegangen. Grob unbillig erscheint ein Ausgleich da nicht.
Vergleichbar mit Gewinnen aus Aktienspekulation
Der Beschluss des BGH kommt keineswegs überraschend. Das höchste deutsche Familiengericht hatte bereits vor fast vierzig Jahren entschieden, dass ein Lottogewinn in den Zugewinnausgleich fällt (Urt. v. 22.12. 1976, Az. IV ZR 11/76). Damals ging es um einen Lottogewinn von 92.701 DM der Ehefrau, die seit zehn Jahren regelmäßig wöchentlich zwei Lottoscheine mit gleichen Zahlenkombinationen und seit sechs Jahren einen weiteren Schein mit wechselnder Zahlenkombination gespielt hatte. Der Ehemann erhielt einen Anteil an diesem Gewinn. Der Lottogewinn sollte nach Meinung des Gerichts nicht anders behandelt werden als ein sonstiger Zuwachs aus gewinnbringender Vermögensverwertung, wie beispielsweise eine Aktienspekulation. Dass dem Gewinn beim Lotto etwas Zufälliges anhaftet, war ausgleichsrechtlich ohne Bedeutung.
Als 2009 der Zugewinnausgleich einer Reform unterzogen wurde, war ein Hauptthema der Diskussion der Ausgleich eheneutralen Erwerbs. Diese "überschießende Tendenz" der Zugewinngemeinschaft betrifft den nicht ehebedingten Erwerb. Besonders deutlich wird dies beim Schmerzensgeld, das ein Ehegatte erhält. Es soll eine finanzielle Kompensation und Genugtuung für persönlich erlittenes Leid sein. Wird der andere Ehegatte über den Zugewinnausgleich daran beteiligt, geht dies über das Solidaritätskonzept des gemeinsamen Vermögenserwerbs hinaus.
Deshalb sieht beispielsweise ein Abkommen zwischen Deutschland und Frankreich über den Güterstand der Wahl-Zugewinngemeinschaft vor, dass Wertsteigerungen von Immobilien, etwa wenn ein ererbter Acker überraschend zu Bauland wird, im Zugewinnausgleich nicht berücksichtigt werden. Der Zugewinnausgleich nach dem BGB pauschaliert demgegenüber deutlich mehr, sodass auch nicht ehebedingte Vermögenszuwächse dem Zugewinnausgleich unterliegen. Das erspart Nachweisprobleme und damit auch Streitigkeiten, kann aber im Einzelfall als ungerecht empfunden werden.
Ungerechtigkeiten beim Zugewinnausgleich
Der Zugewinnausgleich kann aber auch für den ausgleichsberechtigten Ehepartner ungerecht sein. Die Zugewinngemeinschaft beteiligt ihn am Vermögenserwerb nämlich nur in Form eines finanziellen Ausgleichs. Und auch das erst nach einer Scheidung. Eine dingliche Beteiligung am gemeinsamen Erwerb während der Ehe ist damit nicht verbunden. Dies kann für den wegen Kinderbetreuung oder Pflege alter Angehöriger ganz oder teilweise nicht erwerbstätigen Ehegatten mit Nachteilen verbunden sein.
Sieht man eine solche Familienarbeit während der Ehe im Verhältnis zur Erwerbsarbeit entsprechend der gesetzlichen Regelung als gleichwertig an, ist ein bloßer finanzieller Ausgleich keine adäquate Vermögensbeteiligung. Dies hat insbesondere dann Bedeutung, wenn der erwerbstätige Ehegatte Schulden macht und (Privat-)Insolvenz anmelden muss. Aber auch Ansprüche dritter Personen, etwa pflichtteilsberechtigter Kinder und Eltern, mindern bei einem freiwilligen Ausgleich während der Ehe die gerechte Beteiligung des nicht erwerbstätigen Ehegatten.
Nicht zuletzt das Finanzamt sieht während der Ehe erfolgte Zuwendungen zum Ausgleich einer ungerechten Vermögenslage als schenkungsteuerpflichtig an, wenn nicht gleichzeitig eine Gütertrennung vereinbart wird (Bundesfinanzhof, Urt. v. 24.08.2005, Az. II R 28/02). Insofern sollte der Fall des Lottogewinns, auch wenn er kaum praktische Bedeutung hat ("Die Gewinnchance beträgt 1: 139.838.160."), Anlass sein, über Ungerechtigkeiten beim Zugewinnausgleich generell nachzudenken.
Der Autor Prof. Dr. Dr. Herbert Grziwotz ist Notar in Regen und Zwiesel und Verfasser zahlreicher Veröffentlichungen zum Familienrecht.
Herbert Grziwotz, Lottogewinn und Zugewinnausgleich: . In: Legal Tribune Online, 17.10.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9829 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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