BGH zum besonderen elektronischen Anwaltspostfach: Kein Grund für einen Stopp des beA

von Martin W. Huff

24.07.2018

Der Anwaltssenat beim BGH sieht keine durchgreifenden Bedenken gegen die Schaffung des Postfachs durch den Gesetzgeber. Die Kosten für das beA seien von den Rechtsanwälten zu bezahlen.

Ohne Leitsätze und ohne Pressemitteilung hat der Anwaltssenat des Bundesgerichtshof (BGH) zwei Beschlüsse zum besonderen elektronischen Anwaltspostfach getroffen, nun sind die Entscheidungen auf der Homepage des BGH eingestellt worden.

Vor dem Anwaltsgerichtshof Berlin hatte ein Rechtsanwalt ein Verfahren gegen die Bundesrechtsanwaltskammer eingeleitet. Er wollte damit erreichen, dass die Kammer verurteilt wird, die Einführung des Postfachs zu unterlassen und die Verträge mit der Firma Atos und anderen Unternehmen offen zu legen. Verknüpft hatte er dies mit dem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz. Mit unveröffentlichtem Urteil vom 31. August 2017 (AGH I 4/17) hatte der Anwaltsgerichtshof Berlin alle Anträge abgewiesen und die Berufung nicht zugelassen.

Der Anwaltssenat des BGH hat jetzt mit Beschluss vom 28. Juni 2018 – Az. AnwZ (Brfg) 5/18 den Antrag auf Zulassung der Berufung als unbegründet abgewiesen, diesen Beschluss aber für seine Verhältnisse umfangreich begründet. Der Anwaltssenat sieht alle Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung -  von der grundsätzlichen Bedeutung bis hin zu Verfahrensmängeln - nicht als gegeben an.

Allerdings bejaht der Senat zunächst grundsätzlich die Statthaftigkeit des Unterlassungsbegehrens des Rechtsanwalts. Grundlage sei der allgemeine öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch, der aus einer drohenden Grundrechtsverletzung folgt und unmittelbar aus den betroffenen Grundrechten abzuleiten ist. Der klagende Rechtsanwalt hatte sich auf seine Persönlichkeitsrechte und die seiner Mandanten berufen sowie auf das Grundrecht auf Gewährleistung der Integrität und der Vertraulichkeit technischer Systeme, das Berufsgeheimnis und auf das Telekommunikationsgeheimnis.

Keine Auseinandersetzung mit Beschluss des BVerfG

Doch der BGH wägt diese Grundrechte mit der gesetzlichen Verpflichtung der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) ab, für jedes im Gesamtverzeichnis der Rechtsanwälte eingetragene Mitglied ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach empfangsbereit einzurichten. Der Senat hält damit an seiner Rechtsprechung im Urteil vom 11. Januar 2016 (AnwZ (Brfg) 33/15) fest, nachdem die Vorschrift des § 31 a BRAO als verfassungsrechtlich unbedenklich gehalten wird. Beachtenswert ist, dass der Anwaltssenat sich überhaupt nicht auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) bezieht, das ebenfalls in seinem Beschluss vom 20. Dezember 2017 – 1 BvR 2233/17 keine verfassungsrechtlichen Bedenken äußerte.

Eigentlich hätte es der Anwaltssenat dabei belassen können, er prüft aber sehr ausführlich die gerügten weiteren möglichen Gründe für eine Zulassung der Berufung. Der Kläger hatte sich hier auf die Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes berufen, da der Anwaltsgerichtshof in Berlin den Sachverhalt nicht ordentlich aufgeklärt hätte. Dieses Argument weisen die Richter zurück.

Gerade die Argumentation des Anwalts zu einer fehlenden Datensicherheit im Internet lehnen Bundesrichter ab: "Die Vorschrift des § 31 a BRAO ruht auf der Annahme des Gesetzgebers, dass eine sichere Übermittlung der Daten möglich ist.... Es war nicht Aufgabe des Anwaltsgerichtshofs  und ist nicht Aufgabe des erkennenden Senats, diese Einschätzung des Gesetzgebers durch eine eigene Bewertung der heute möglichen und zu erwartenden Datensicherheit zu ersetzen."

Konkrete technische Umsetzung nicht Gegenstand des Rechtstreits

Allerdings lassen siedann doch noch eine Möglichkeit offen, wie möglicherweise Bedenken gegen das beA vorgetragen werden könnten: "Die von der Beklagten in Aussicht genommene konkrete technische Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben ist nicht Gegenstand des Rechtsstreits. Der Kläger will die Einführung des besonderen elektronischen Anwaltspostfaches insgesamt verhindern. Er wendet sich nicht gegen eine konkrete technische Lösung." Diese Aussage ist insbesondere von Interesse, weil beim Anwaltsgerichtshof in Berlin ein weiteres Klageverfahren verschiedener Rechtsanwälte anhängig ist, das gerade auf diese technischen Voraussetzungen und die fehlende Ende-zu-Ende Verschlüsselung abstellt.  Die Argumentation der Kläger in diesem Verfahren, unterstützt von der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF e. V.), betrifft gerade die technischen Voraussetzungen der Umsetzung durch die Bundesrechtsanwaltskammer.

Der Anwaltssenat stellt auch klar, dass kein Verfahrensmangel darin liegt, dass der Anwaltsgerichtshof Berlin sich nicht noch einmal nach dem Urteil des BGH vom 11. Januar 2016 mit der Frage der erforderlichen technischen Ausstattung und der Eingriffe in die Berufsfreiheit auseinandergesetzt habe. Auch das Argument, dass jede technische Verbindung unsicher sei, lassen die Bundesrichter nicht gelten und verpflichten die Richter am Anwaltsgerichtshof nicht dazu, hier noch einmal in eine Überprüfung einzutreten. Allein der Umstand, dass der Kläger anderer Ansicht ist als die Berliner Anwaltsrichter, reicht für die Annahme besonderer rechtlicher und tatsächlicher Schwierigkeiten und des Zulassungsgrundes der Divergenz nicht aus.

Den Antrag auf Offenlegung der Verträge weist der Anwaltssenat mit dem Argument zurück, dass die Klage schon unzulässig sei, weil das nach dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes vorgesehene  Widerspruchsverfahren bei der Bundesrechtsanwaltskammer nicht durchgeführt wurde. Die Richter verweisen auch darauf, dass nach einem Widerspruch allerhöchstens eine Verpflichtungsklage, nicht aber eine Leistungsklage in Betracht kommt.

Umlage der beA-Kosten auf alle Kammermitglieder möglich

In einem zweiten Beschluss vom 25. Juni 2018 – AnwZ (Brfg) 23/18 nimmt der Anwaltssenat, wenn auch in etwas anderer Besetzung als im Beschluss vom 28. Juni 2018, den Antrag auf Zulassung der Berufung gegen ein Urteil des Anwaltsgerichtshof Hamm nicht zur Entscheidung an. Die Rechtsanwaltskammer Hamm hatte beschlossen, die von der Hauptversammlung der Bundesrechtsanwaltskammer jeweils beschlossenen Beiträge der regionalen Kammern zum elektronischen Rechtsverkehr (festgelegt als Gesamtbetrag berechnet nach der Zahl der Mitglieder) auf ihre einzelnen Mitglieder umzulegen. Der Anwaltsgerichtshof Nordrhein-Westfalen hatte hiergegen keine Bedenken und sah auch keinerlei qualifizierten Vortrag, dass die Beitragsbemessung für das besondere elektronische Anwaltspostfach gegen die Gebote der Äquivalenz, der Verhältnismäßigkeit oder der Gleichbehandlung verstoßen haben könnten. Dieses hätte der Kläger genau vortragen müssen.

Dem ist der BGH nun gefolgt und hat den Zulassungsantrag, der auf ernsthafte Zweifel an dem Urteil des AGH gestützt war, abgewiesen. Allein die Aussage, dass es sich bei der Programmierung des beA um eine Anführung solchen "Standardprogrammierung" (so der klagende Rechtsanwalt) gehandelt habe, sei nicht nachvollziehbar und auch konkrete Bedenken gegen die Berechnung seien nicht erhoben.

Die regionale Kammer sei berechtigt gewesen, die von der Hauptversammlung der BRAK zu Recht festgelegten Kosten auf ihre einzelnen Mitglieder umzulegen.

Der Weg ist juristisch frei für einen Neustart des Postfachs

Das Fazit der beiden Beschlüsse: Bedauerlich ist zunächst, dass der BGH es bei dem hochemotionalen Thema des besonderen elektronischen Anwaltspostfaches nicht für nötig hält, seine Entscheidungen mit Leitsätzen zu versehen oder sogar diesen Entscheidungen eine Pressemitteilung des Gerichts zu widmen. Dazu sind beide Entscheidungen viel zu wichtig und für die Anwaltschaft von großem Interesse.

Inhaltlich muss man wohl beiden Beschlüssen zustimmen. Denn die Diskussionen um das Anwaltspostfach drehen sich hauptsächlich juristisch um die Frage, ob eine sichere Kommunikation möglich ist. Wenn dies nicht konkret unter einem sinnvollen Sachvortrag den Gerichten dargelegt wird, dann gibt der BGH zu Recht der Entscheidung des Gesetzgebers Vorrang. Mit Spannung darf jetzt erwartet werden, wie der Anwaltsgerichtshof Berlin sich bei der Klage gegen die aus Sicht der Kläger unzureichende Verschlüsselung verhält. Möglich wäre hier zudem, dass die Kläger dieses Verfahrens noch einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung stellen, nachdem die Hauptversammlung der Bundesrechtsanwaltskammer am 27. Juni 2018 den Neustart des Postfachs zum 3. September 2018 beschlossen haben.

Und richtig ist auch die Entscheidung zur Umlage: Wenn eine Kammerversammlung mit Mehrheit und rechtskräftig eine Umlage beschließt, dann ist die Anfechtung des Umlagebescheides sicherlich der falsche Weg. Anzufechten wäre hier, wenn überhaupt etwas Erfolg haben soll, die Beschlussfassung der Kammerversammlung, was jedoch für den klagenden Anwalt mit einem erheblichen finanziellen Risiko verbunden ist.

Aus Sicht des BGH und des BVerfG stehen also bisher rechtliche Bedenken dem Neustart am 3. September 2018 nicht entgegen. Voraussetzung ist nur, dass die bestehenden Mängel bis zum 2. September 2018 behoben sind

Der Autor ist Geschäftsführer der Rechtsanwaltskammer Köln und Rechtsanwalt in der Sozietät Legerlotz Laschet Rechtsanwälte (LLR)

Zitiervorschlag

Martin W. Huff, BGH zum besonderen elektronischen Anwaltspostfach: . In: Legal Tribune Online, 24.07.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/29939 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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