Deutschland pumpt jedes Jahr erhebliche Summen an Steuergeldern in die Förderung seiner Sport- und vor allem Fußballvereine – nicht zu jedermanns Begeisterung. Bald könnte damit Schluss sein: Seit Anfang vorigen Jahres geht die Europäische Kommission verstärkt gegen Beihilfen im Profisport vor. Robin van der Hout erklärt im Gespräch mit LTO, mit welchen Konsequenzen die Vereine nun rechnen müssen.
LTO: Herr Dr. van der Hout, über was für Beihilfen reden wir hier konkret? Ist jedes staatliche Engagement im Sport verboten?
van der Hout: Nein, sicher nicht. Zunächst einmal geht es nur um Profisport, der auch (markt)wirtschaftlich betrieben wird, nicht um Jugendligen oder Amateursport. Aber auch im Profisport kann man nicht alles über einen Kamm scheren. Die Förderung erfolgt dort meist auf kommunaler Ebene und kommt dem ortsansässigen Verein zugute. Das ist auch nicht per se rechtswidrig. Wenn eine Kommune sich zum Beispiel als Gesellschafterin an einem Verein beteiligt, dann ist das erst mal eine wirtschaftliche Entscheidung, mit der die Kommune möglicherweise auch eine Gewinnerzielungsabsicht verknüpft – dagegen ist nichts einzuwenden, solange die Regeln eingehalten werden.
Wenn sie dem Verein hingegen Grundstücke zu Preisen unter Marktwert verkauft, oder ohne angemessene Gegenleistung Bürgschaften gewährt, oder sonstige Geschäfte tätigt, die man unter rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten nie vornehmen würde, dann können das unzulässige Subventionen sein. Natürlich ist diese Unterscheidung nicht immer leicht zu treffen, es kommt also sehr auf den Einzelfall an. Die Vereine sind verpflichtet, die Legalität der einzelnen Maßnahmen selbst zu prüfen und bei Zweifeln in Brüssel eine Freigabe zu beantragen. Zu so einem Gesuch ist es meines Wissens nach allerdings kaum einmal gekommen, die Mittel werden von den Vereinen einfach einkassiert.
LTO: Und warum stört sich die Kommission daran, dass einzelne Staaten bzw. Kommunen ihren Fußballvereinen finanziell unter die Arme greifen?
van der Hout: Sie sieht darin eine grenzüberschreitende Verzerrung des Wettbewerbs. Fußball ist zwar ein Sport, aber die Vereine werden in vielerlei Hinsicht wie Unternehmen betrieben und konkurrieren am Markt nicht nur um den Ruhm und die Sympathie der Fans, sondern auch um Geld in Form von Werbeeinnahmen, Merchandising-Erlösen, Fernsehgeldern, (Nachwuchs)Talenten usw.
"Vereine und Politik sind oft miteinander verbandelt"
LTO: Mit der teilweise vorgebrachten Kritik, dass der Staat keine Steuergelder auf ein reines Privatvergnügen verwenden sollte, hat das also nichts zu tun?
van der Hout: Nein, nicht in erster Linie. Wie ein Mitgliedstaat seine Steuermittel verwendet, ist ihm grundsätzlich selbst überlassen. Die Kommission wird hier nur dann aktiv, wenn einzelne Unternehmen – die Vereine – gegenüber anderen einen unfairen Vorteil erlangen, weil sie von ihrem Staat unzulässig subventioniert werden.
LTO: Die Vereinsförderung ist beinahe so alt, wie der Fußball selbst. Warum schreitet die Kommission erst jetzt ein?
van der Hout: Vor allem wohl weil sie nur begrenzte Ressourcen hat. Der europäische Binnenmarkt ist ein gewaltiges Feld, da kann man nicht alles auf einmal beackern. Zuletzt hat sie sich zum Beispiel der Regionalflughäfen angenommen. Es gab da einen Trend, dass – überspitzt gesprochen – jeder Bürgermeister für seine Stadt einen Flughafen haben wollte, quasi als Statussymbol. Die wurden oft massiv mit Steuermitteln bezuschusst. Wenn so etwas in größerem Stil passiert, dann kommt es auf kurz oder lang auch in Brüssel an.
LTO: Was für Summen kommen so jährlich zusammen? Und warum verschenken die Kommunen ihr Geld überhaupt an die Vereine? Was haben sie davon?
van der Hout: Es ist ja nicht ihr Geld, das sie verschenken, sondern das der Steuerzahler. Und die Sport-, in Deutschland vor allem die Fußballvereine, sind mit der Politik stark verbandelt. Da sitzen die Lokalpolitiker dann zugleich im Aufsichtsrat des Vereins, der wiederum der ganze Stolz der Stadt ist – natürlich drückt man da schnell mal beide Augen zu.
Was die Höhe der deutschlandweiten Beihilfen betrifft – dazu gibt es keine verlässlichen Zahlen. Insgesamt wird die Vereinsförderung wohl einen höheren dreistelligen Millionenbetrag ausmachen.
"Vorgehen gegen deutsche Vereine nur eine Frage der Zeit"
LTO: Welche Maßnahmen hat die Kommission bislang ergriffen?
van der Hout: Am 21. März 2012 hat sie, zusammen mit der UEFA, die Regeln zum Financial Fair Play im Fußball bekräftigt. Dabei handelt es sich allerdings nicht um ein Gesetz, sondern um eine Erklärung, die unter anderem klarstellt, dass auch der Profifußball dem europäischen Beihilfenrecht unterfällt, und die bestimmte best practices empfiehlt.
Im Oktober 2012 folgte dann ein Rundschreiben an alle Mitgliedstaaten mit der Aufforderung, ihr jeweiliges System der Sportförderung zu erläutern. Seitdem hat die Kommission Verfahren gegen verschiedene, bislang hauptsächlich spanische und niederländische Vereine eingeleitet, die europarechtswidrige Förderungen empfangen hatten. Sehr wahrscheinlich wird sie sich in Zukunft auch die deutschen Vereine ansehen, das ist wohl nur eine Frage der Zeit. Die Stadt Köln zum Beispiel hat nach Presseberichten präventiv schon in Brüssel eine reduzierte Stadionmiete für den 1. FC Köln zur Genehmigung vorgelegt.
LTO: Und was droht den Vereinen dann?
van der Hout: Wenn die Kommission zu dem Ergebnis kommt, dass es sich um eine verbotene Beihilfe handelte, müssen sie das Geld grundsätzlich zurückzahlen. Im Prinzip gilt das für alle Förderungen der vergangenen zehn Jahre, sogar für solche, die beihilferechtlich zwar zulässig gewesen wären, aber nicht angemeldet wurden.
Wenn man das allerdings wirklich so radikal praktizieren würde, wären vermutlich rund 80 Prozent der europäischen Profivereine pleite und der Sport ruiniert. Das ist ein Ergebnis, an dem vermutlich auch der Kommission nicht gelegen ist. Sie wird sich daher um eine politische Lösung bemühen und nicht jeden, möglicherweise schon weit in der Vergangenheit liegenden Einzelfall sanktionieren, aber versuchen, für die Zukunft faireren Wettbewerb in den Markt zu bringen.
Allerdings wird die Kommission nicht nur aus eigener Initiative, sondern vor allem auch auf Beschwerden hin tätig. Wenn jemand eine unzulässige Zahlung identifiziert und bei der Kommission anzeigt, dann kommt damit ein Prozess ins Rollen, der nicht ohne Weiteres gestoppt werden kann – schließlich ist sie auch an Recht und Gesetz gebunden. Grundsätzlich könnten die Vereine sich sogar gegenseitig bei der Kommission anschwärzen – das kommt aber nicht vor, weil beihilferechtlich so gut wie niemand eine weiße Weste hat. Dennoch ist es für die Vereine riskant, wenn sie einfach so weitermachen wie bisher und munter jede staatliche Leistung einstreichen, die ihnen angeboten wird. Denn möglicherweise werden sie die nicht behalten können.
Wenn ein Verein in finanzielle Schieflage gerät, dann drohen ihm zudem auch sportrechtliche Konsequenzen. Der FC Málaga wurde zum Beispiel wegen seiner Steuerschulden bis 2017 von UEFA-Wettbewerben ausgeschlossen.
LTO: Wann rechnen Sie damit, dass die ersten Verfahren gegen deutsche Klubs eingeleitet werden?
van der Hout: Da kann man nur spekulieren. Ich denke aber, dass es vermutlich noch etwas dauern wird. Der aktuelle Wettbewerbskommissar wird nur noch bis zum Sommer nächsten Jahres im Amt sein, außerdem ist die Kommission noch mit den Regionalflughäfen beschäftigt und arbeitet an einer großen Beihilfenrechtsreform. Sobald sich dieser Engpass etwas gibt, könnte man sich aber den Profisport vorknöpfen – da sollte man sich nicht in falscher Sicherheit wiegen. Besser man bringt seine Bücher vorher in Ordnung, soweit es geht.
LTO: Herr van der Hout, wir danken Ihnen für das Gespräch.
Dr. Robin van der Hout ist Partner im Brüsseler Büro von Kapellmann und Partner Rechtsanwälte. Sein Tätigkeitsschwerpunkt liegt im europäischen Beihilfen- und Kartellrecht.
Das Interview führte Constantin Baron van Lijnden.
EU-Kommission geht gegen Beihilfen im Sport vor: . In: Legal Tribune Online, 21.11.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10119 (abgerufen am: 02.11.2024 )
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