BauGB-Novelle: Städtebau mit der Abrissbirne

Betongold ist mitunter nichts als Schrott, gerade in ländlichen Gebieten, die immer mehr Einwohner verlieren. Auf diesen Missstand versucht der Gesetzgeber nun mit einer Änderung des BauGB zu reagieren, über die der Bauausschuss am Mittwoch berät. Während ein erweitertes Vorkaufsrecht wenig bringen wird, könnten effektive Rückbaupflichten den Gemeinden tatsächlich helfen, meint Herbert Grziwotz.

Das Haus steht noch. Aber in den Schaufenstern des früheren Tante-Emma-Ladens befinden sich nur noch alte Bilder und ein Schild mit der Aufschrift "Zu vermieten". Im Obergeschoss hängen zwar noch vergilbte Vorhänge, aber seit Jahren brennt dort kein Licht mehr.

Die Bewohner sind fortgezogen oder verstorben; der Laden war gegen den großen Discounter chancenlos. Die Eigentümer erzielten statt Rendite nur noch Unkosten. Ein Käufer fand sich auch für einen Bruchteil des früheren Kaufpreises nicht. Eine Renovierung lohnte sich schon lange nicht mehr.

Im Ort wurde das Schwimmbad zugeschüttet, die öffentliche Bücherei geschlossen und das Krankenhaus schon vor Jahren aufgelöst. Junge Menschen finden keine Arbeit mehr. Der Marktplatz verfällt. Insgesamt herrscht Trostlosigkeit und Niedergang.

Leerstand und drastischer Wertverfall

Während Metropolregionen wie München, Stuttgart, Berlin und Hamburg boomen, veröden im Osten, im Ruhrpott, im Saarland und in Nord- und Ostbayern ganze Landstriche. Die Landflucht hat einen Leerstand und drastischen Wertverfall der Immobilien zur Folge. Gleichzeitig erhöhen die Gemeinden die Grundsteuern und die Beiträge für die Wasserversorgung und die Abwasserentsorgung, um beides überhaupt noch finanziell schultern zu können.

Dem Problem will sich der Gesetzgeber nun mit einer Änderung des Baugesetzbuchs (BauGB) annehmen. Am Mittwoch berät der Bauausschuss des Bundestags in einer öffentlichen Anhörung die Vorschläge der Regierungskoalition zur Fortentwicklung des Städtebaurechts.

Erweiterung von Vorkaufsrecht und Rückbaugebot

Nach dem Gesetzentwurf sollen die Möglichkeiten der Gemeinde, ein Vorkaufsrecht zugunsten Dritter auszuüben, erweitert werden. Bisher war das Recht auf Fälle der sozialen Wohnraumförderung begrenzt. Diese Beschränkung soll nun aufgehoben werden, damit Kommunen das Vorkaufsrecht zugunsten eines Investors auch bei verwahrlosten Immobilien ausüben können. Die Stadt Frankfurt am Main möchte künftig so vorgehen. Allerdings hilft dies Gemeinden in schrumpfenden Regionen nicht weiter. Es fehlt bereits an einem Kaufvertrag mit einem Erwerber, bei dem die Kommune zugunsten eines Investors oder einer eigenen Gesellschaft das Vorkaufsrecht ausüben könnte.

Die geplante Änderung des § 179 BauGB könnte dagegen auch Orten in den immer weniger besiedelten Gebieten helfen. Die Vorschrift regelt bereits heute ein Rückbaugebot. Das heißt, die Gemeinden können den Eigentümer dazu verpflichten zu dulden, dass ein Gebäude auf seinem Grundstück beseitigt wird, wenn es Missstände und Mängel aufweist, die nicht mehr zu renovieren sind.

Das Rückbaugebot gilt allerdings nur im Geltungsbereich eines Bebauungsplans. Schrottimmobilien stehen aber häufig im nicht überplanten Ortskern. Das will der Gesetzgeber nun ändern, da das Problem von Schrottimmobilien ohnehin nicht von einem Bebauungsplan abhängt.

Keine Entschädigung für ehemals gewinnbringende Zweckbauten

Das eigentliche Problem in der Praxis liegt jedoch darin, dass die ohnehin finanzschwachen Kommunen dem Eigentümer eine angemessene Entschädigung in Geld leisten müssten. Die Gemeindeverbände wollen die Entschädigungspflicht daher streichen.

Ein Beispiel für Gebäude, die rückgebaut werden müssen, sind leerstehende Einzelhandelsmärkte, die verfallen, weil die großen Ketten ihr Konzept gewechselt haben und nun an einem anderen Ort einen neuen Markt anmieten. Kann das Gebäude nicht sinnvoll weitergenutzt werden, entspricht es dem Gebot nachhaltigen Bauens das verfallende Bauwerk  abzureißen. Die Kosten für die Beseitigung sollte derjenige tragen, der in den vorangegangenen Jahren damit Gewinne erzielt hat. Sie dürfen nicht auf die Allgemeinheit verlagert werden. Ein effektives gesetzliches Rückbaugebot muss deshalb zumindest bei derartigen Zweckbauten die Entschädigungspflicht ausschließen.

Die Situation ist anders beim normalen Häuslebauer, der ein Leben lang geschuftet und gespart hat, um sich den Traum von den eigenen vier Wänden zu verwirklichen und nun angesichts in den Keller gefallener Immobilienpreise vor dem Nichts steht. Dieser sollte nach wie vor entschädigt werden, wenn die Gemeinde sein Haus tatsächlich abreißen will.

Während es nach dem Krieg und der Wiedervereinigung um Wachstum ging, lautet das Planungsleitziel nun Rückbau. Dass das schwer erarbeitete Eigenheim zur bloßen Belastung werden könnte, hatte sich früher niemand erträumen lassen. Auch das Städtebaurecht muss für die geplatzten Immobilienblasen erst noch Lösungen finden.

Der Autor Prof. Dr. Dr. Herbert Grziwotz ist Notar in Regen und Zwiesel und Mitglied des Instituts für Immobilienwirtschaft an der Universität Regensburg.

Zitiervorschlag

Herbert Grziwotz, BauGB-Novelle: . In: Legal Tribune Online, 29.01.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8061 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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