2/2: Viele Versammlungen hätten aufgelöst werden können
Eine Bannmeilen-Regelung müsste, um eine Beschneidung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit zu rechtfertigen, zum Schutz der Flüchtlinge erforderlich sein. Die bestehenden Gesetze bieten aber genug Möglichkeiten, um Bedrohungen, Beleidigungen und Gewalt gegenüber Flüchtlingen wie in Dresden und Heidenau zu verhindern.
Versammlungen sind grundsätzlich anzumelden (§ 14 VersG). Die mit der Anmeldung ver-bundenen Angaben sollen den Behörden die notwendigen Informationen vermitteln, damit sie sich ein Bild darüber machen können, was einerseits für einen möglichst störungsfreiem Verlauf der Veranstaltung veranlasst werden muss und was andererseits zum Schutz Dritter sowie des Allgemeininteresses erforderlich ist.
Von dieser Anmeldepflicht sind nur sogenannte Spontandemonstrationen, die sich aus aktuellem Anlass augenblicklich bilden, verfassungsrechtlich ausgenommen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.05.1985- Brokdorf II). Als "Flashmob" über soziale Netzwerke organisierte Demonstrationen fallen nicht darunter, sondern sind organisierte und damit anmeldepflichtige Zusammenkünfte.
Viele der Versammlungen, die in den vergangenen Wochen stattgefunden haben, waren bereits gesetzlich verboten und hätten von den Behörden aufgelöst werden können (§ 15 Abs. 3 VersG ). Ihre Organisatoren haben sich bewusst den notwendigen Auflagen entzogen und damit vor den Flüchtlingsheimen eine besondere Gefährdungslage geschaffen. Die Erwartung, dass ein weiteres gesetzliches Verbot beachtet würde, erscheint nicht gerechtfertigt.
Es braucht keine Bannmeile, um Flüchtlinge zu schützen
Wurde eine Versammlung angemeldet und hat die örtlich zuständige Behörde berechtigte Anhaltspunkte, dass diese die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährden wird, kann sie diese verbieten (§ 15 Abs. 1 VersG). Das geht bereits, wenn von den Angaben der Anmeldung abgewichen oder den Auflagen zuwidergehandelt wird (§ 15 Abs. 3 VersG). Erst recht kann die Behörde die Versammlung verbieten, wenn sie Anhaltspunkte dafür hat, dass aus der Versammlung heraus Straftaten wie Beleidigung, Bedrohung, Landfriedensbruch, Körperverletzung oder gar schwere Brandstiftung begangen werden. Auch insoweit reichen die bestehenden gesetzlichen Grundlagen aus, um Ausschreitungen wie die in den vergangenen Wochen vor Flüchtlingsheimen zu verhindern.
Stattdessen: konsequente Gefahrenabwehr und Strafverfolgung
Es braucht ein angemessenes Gefahrenabwehrkonzept sowie den unbedingten politischen Willen, Ausschreitungen gegenüber Flüchtlingen zu verhindern. Dazu gehört selbstverständlich eine ausreichende Präsenz und Ausstattung der Polizei- und Ordnungskräfte vor Ort.
Entscheidend ist es weiter, dass konsequente Polizeitaktik ein Klima, in dem Gesetzesverstöße aus der Masse heraus ohne größeres Risiko begangen werden können, vorn vornherein konsequent verhindert.
Dazu gehört es auch, Straftaten und Ordnungswidrigkeiten konsequent zu verfolgen und durch Personalienfeststellungen und Videoaufnahmen zu Beweiszwecken (§ 12a VersG), aber auch per Auswertung von Aufrufen in sozialen Medien die Voraussetzungen dafür zu schaffen.
Dafür muss es nicht erst zu Straftaten gegen Flüchtlinge kommen: Bereits auf die Durchführung einer nicht angemeldeten Versammlung, auf wesentliche Abweichungen von der Anmeldung und auf Verstöße gegen Auflagen stehen für die Leiter der Demonstration Freiheitsstrafen (§§ 24, 25 VersG). Die Teilnahme an einer vollziehbar verbotenen Versammlung stellt eine Ordnungswidrigkeit dar (§ 29 VersG).
Auch wenn mit den Mitteln des Strafrechts naturgemäß nur nachträglich auf begangene Straftaten reagiert wird, ist die generalpräventive Wirkung einer konsequenten Strafverfolgung anerkanntermaßen im polizeilichen Gefahrenabwehrkonzept zu berücksichtigen.
Wenn – wie ausweislich von Presseberichten in Heidenau – Videoaufnahmen trotz erkennbarer Gefährdungen nicht gemacht wurden und trotz erheblicher Ausschreitungen nur eine Person, nämlich ein Journalist, verhaftet wird, zeigt das eine unzureichende und ermessens-fehlerhafte Ausnutzung des gesetzlich eröffneten Maßnahmenpotentials. Den Ruf nach Ge-setzesverschärfungen und generellen Grundrechtseinschränkungen rechtfertigt es nicht.
Der Autor Dr. Michael Winkelmüller ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Partner bei Redeker Sellner Dahs Rechtsanwälte am Standort Bonn.
Michael Winkelmüller, Bannmeilen um Flüchtlingsheime?: . In: Legal Tribune Online, 27.08.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16729 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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