BAG zur Entgeltumwandlung in der bAV: Tarif­ver­trag kann Arbeit­ge­ber­zu­schuss aus­sch­ließen

Gastbeitrag von Tobias Neufeld, LL.M und Anja Markworth

09.03.2022

Viele Arbeitnehmer verwenden einen Teil ihrer Entgeltansprüche für die bAV. Arbeitgeber müssen dies bezuschussen. Tarifverträge können diese Pflicht jedoch ausschließen, so das BAG. Tobias Neufeld und Anja Markworth mit den Hintergründen.   

Wenn Arbeitnehmer Bruttogehalt in eine betriebliche Altersversorgung (bAV) umwandeln, spart der Arbeitgeber Sozialversicherungsbeiträge. Seine Ersparnis muss der Arbeitgeber neuerdings an die Beschäftigten weitergeben. Wenn die Sozialversicherungsersparnis geringer ist, dann ist dieser Betrag maßgebend. Ein Zuschuss von bis zu 15 Prozent ist zu zahlen. Tarifverträge können zum Wegfall der Zuschusspflicht führen. Wann das der Fall ist, hat der Gesetzgeber nur unvollständig geregelt. Deshalb war nun wieder das Bundesarbeitsgericht (BAG) auf den Plan gerufen. Es hat in dieser für Arbeitgeber haftungsträchtigen Materie allerdings nur teilweise für Klarheit gesorgt.  

Der gesetzliche Anspruch auf Entgeltumwandlung besteht bereits seit 2002, jedoch ohne verpflichtenden Zuschuss. In der Praxis haben viele Arbeitgeber ihre Sozialversicherungsersparnis aus der Entgeltumwandlung allerdings an die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer weitergegeben.  

Mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz vom 1. Januar 2018 wurde der Zuschuss für die Durchführungswege Pensionsfonds, Pensionskasse und Direktversicherung gemäß § 1a Abs. 1a des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (Betriebsrentengesetz, BetrAVG) verpflichtend. Jedoch darf von diesem Grundsatz nach der sogenannten Tariföffnungsklausel des § 19 BetrAVG durch Tarifvertrag auch zuungunsten der Arbeitnehmer abgewichen werden. Die Zuschusspflicht galt allerdings nicht unmittelbar für bei ihrem Inkrafttreten bestehende Entgeltumwandlungen. Sofern diese vor dem 1. Januar 2019 geschlossen wurden, müssen sie gemäß § 26a BetrAVG erst ab dem 1. Januar 2022 bezuschusst werden.

Ob und in welchem Fall Arbeitgeber bestehende Entgeltumwandlungssysteme nach der neuen Regelung bezuschussen müssen und ob sie sich auf bereits weitergegebene Einsparungen berufen können, war seitdem Gegenstand heftiger Diskussionen. Das BAG räumt in den Entscheidungen vom 8. März 2022 (Az. 3 AZR 361/21 und 3 AZR 362/21) mit einigen von ihnen auf, lässt andere praxisrelevante Fragen aber leider offen.

Schließen Tarifverträge den Anspruch auf den Zuschuss aus?

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hatten gegenüber ihrem Arbeitgeber für die Zeiträume 2019 und 2020 Ansprüche auf Zahlung eines Arbeitgeberzuschusses gemäß § 1a Abs. 1a BetrAVG geltend gemacht. Auf Basis von Tarifverträgen aus den Jahren 2008 (Verbandstarifvertrag) und 2019 (Haustarifvertrag mit Verweis auf den Verbandstarifvertrag) war ein Anteil ihrer Entgeltansprüche durch Entgeltumwandlung für ihre betriebliche Altersvorsorge verwendet worden. Inhaltlich ging es um die Frage, ob und inwieweit diese Tarifverträge den Anspruch der Arbeitnehmer auf den Zuschuss ausschließen. Das BAG hat die eingeklagten Ansprüche in den Urteilen – so wie die Vorinstanzen – abgelehnt.  

Das BAG begründet die Abweisung der eingeklagten Zuschüsse laut Pressemitteilung mit der Anwendbarkeit der Übergangsregelung des § 26a BetrAVG. Demnach gilt § 1a Absatz 1a "für individual- und kollektivrechtliche Entgeltumwandlungsvereinbarungen, die vor dem 1. Januar 2019 geschlossen worden sind, erst ab dem 1. Januar 2022“. Der Verbandstarifvertrag war vor dem 1. Januar 2019 abgeschlossen und als kollektivrechtliche Entgeltumwandlungsvereinbarung zu qualifizieren. Deshalb bestehe ein Anspruch auf einen Zuschuss per se erst nach dem 31. Dezember 2021.  

Für den Haustarifvertrag aus 2019 sagt das BAG zur Anwendung des § 26a BetrAVG in der Pressemitteilung nichts. Der Haustarifvertrag würde aber sogar für Zeiträume nach dem 31. Dezember 2021 gemäß § 19 Abs. 1 BetrAVG als zulässige Abweichung von der gesetzlichen Regelung in § 1a Abs. 1a BetrAVG Zuschüsse ausschließen. Offen gelassen hat das BAG auch, ob der Verbandstarifvertrag aus 2008 auch als Tarifvertrag gemäß § 19 Abs. 1 BetrAVG anzusehen ist, obwohl er vor dem Inkrafttreten des § 1a Absatz 1a BetrAVG am 1.Januar 2018 abgeschlossen wurde.  

BAG klärt wenig  

Das BAG bejaht zumindest die in der Literatur umstrittene Frage, ob Tarifverträge kollektivrechtliche Entgeltumwandlungsvereinbarungen gem. § 26a BetrAVG darstellen. Damit erteilt es der Ansicht in der Literatur, § 26a BetrAVG könne keine Tarifverträge meinen, sondern maximal die – ebenfalls neu durch das Betriebsrentenstärkungsgesetz eingeführten – Opting Out-Systeme des § 20 Abs. 2 BetrAVG eine klare Absage. Dabei wird Entgelt automatisch in Anwartschaften auf Leistungen der bAV umgewandelt, wenn der Arbeitnehmer der Umwandlung nicht ausdrücklich und innerhalb einer bestimmten Frist widerspricht.

Zu den kritischen Fragen bezüglich der praktischen Anwendung des § 19 BetrAVG hat sich das BAG in der Pressemitteilung nicht eindeutig geäußert. Fest steht bislang in diesem Zusammenhang lediglich, dass gem. § 19 BetrAVG in einem Tarifvertag der gesetzliche Anspruch auf Entgeltumwandlung gemäß § 1a BetrAVG modifiziert oder auch dem Grunde nach ausgeschlossen werden kann.  

Der Gesetzgeber hat dabei auf die Parität der Tarifvertragsparteien vertraut. Deshalb muss auch nicht im Einzelfall geprüft werden, ob sachgerechte Erwägungen zu einem Einschnitt in den oder zu einem vollständigen Ausschluss des Entgeltumwandlungsanspruchs geführt haben. Es kann daher auch offenbleiben, ob die Tarifvertragsparteien die Einschränkungen beim Aufbau einer Altersversorgung durch Entgeltumwandlung an anderer Stelle kompensieren.  

Viele Fragen bleiben offen

Offen lässt das BAG die spannende Frage, ob zeitlich vor dem Betriebsrentenstärkungsgesetz abgeschlossene Tarifverträge von der Tariföffnungsklausel des § 19 Abs. 1 BetrAVG erfasst werden. In diesem Falle könnten sie von der Zusschusspflicht des § 1a BetrAVG abweichen und eine andere oder gar keine Zuschussregelung vorsehen.

Ungeklärt ist auch, inwieweit die Gewährung eines sogenannten tariflichen Altersvorsorgegrundbetrags, also einer zusätzlichen arbeitgeberfinanzierten Versorgung durch den Arbeitgeber, der bereits vor dem Betriebsrentenstärkungsgesetz vereinbart wurde, auf den obligatorischen Arbeitgeberzuschuss angerechnet werden muss bzw. kann.  

Die Vorinstanzen hatten dies zum Teil bejaht. Sie argumentierten, Arbeitgeberzuschuss könne jede Zahlung sein, die der Arbeitgeber im Hinblick auf die Verwendung des Entgelts des Arbeitnehmers zum Zwecke der Bildung einer Altersversorgung zusätzlich zahlt. Dazu zähle auch ein Altersvorsorgegrundbetrag. Dies entspreche auch der Systematik des § 1a BetrAVG. Ob sich das BAG in den Entscheidungsgründen mit diesen Fragen auseinandersetzen wird, bleibt abzuwarten.  

Arbeitgeber sollten klare Regelungen zum Arbeitgeberzuschuss treffen

Arbeitgeber, die ihren Arbeitnehmern die Möglichkeit zur Entgeltumwandlung gewähren, sind weiterhin gut beraten, die damit zusammenhängenden Regelungen in Tarifverträgen fortlaufend kritisch zu prüfen. Nach den neuerlichen Aussagen des BAG in der Pressemitteilung ist der Arbeitgeber seit dem 1. Januar 2022 insbesondere für vor 2019 abgeschlossene Tarifverträge verpflichtet, den Arbeitgeberzuschuss in Höhe von 15 Prozent des umgewandelten Entgelts zu zahlen.  

Die Rechtsprechung hat bislang nicht geklärt, ob gezahlte Altersversorgungsbeträge tatsächlich auf den verpflichtenden Arbeitgeberzuschuss anzurechnen sind. Daher sollten Arbeitgeber in neu abzuschließenden Tarifverträgen klare Regelungen zum Arbeitgeberzuschuss treffen. Darin sollten sie ausdrücklich festlegen, inwieweit es sich um Zuschusszahlungen zur Entgeltumwandlung handeln soll.  

Die Urteile zeigen anhand der Einführung des Zuschusses erneut, wie rechtunsicher die Umsetzung durch den Gesetzgeber erfolgt ist. Das trägt keinesfalls zur weiteren Verbreitung der bAV bei, weil für Arbeitgeber die Folgen einer bAV-Erteilung häufig nicht abschätzbar sind.

Die Autoren Tobias Neufeld, LL.M und Anja Markworth sind als Rechtsanwälte der ARQIS Pensions Group in Düsseldorf spezialisiert auf die betriebliche Altersversorgung. Beide beraten nationale und internationale Unternehmen an den Schnittstellen von Arbeitsrecht, Betriebsrentenrecht und Datenschutz. Neufeld ist Partner, Fachanwalt für Arbeitsrecht sowie Leiter der Pensions Group, Markworth ist Special Counsel und Head of HR-Transactions. 

Zitiervorschlag

BAG zur Entgeltumwandlung in der bAV: . In: Legal Tribune Online, 09.03.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/47773 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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