2/2 Wiedereinstellungsanspruch als Korrektiv…
Diese Vorverlagerung des Prüfungszeitpunkts vom Ende des Arbeitsverhältnisses auf den oft viele Monate früher liegenden und nicht nur von der Dauer der Kündigungsfrist, sondern auch vom Willensentschluss des Arbeitgebers abhängigen Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs verlangt nach einem Korrektiv: Das BAG hat in ständiger Rechtsprechung die Abschlussfreiheit des Arbeitgebers in solchen Fällen durch einen Kontrahierungszwang eingeschränkt (BAG, Urteil vom 13. Mai 2004 – 8 AZR 198/03).
Danach ist der Arbeitgeber aufgrund einer vertraglichen Nebenpflicht aus § 242 BGB verpflichtet, mit dem Arbeitnehmer erneut einen Arbeitsvertrag abzuschließen. Dieser Wiedereinstellungsanspruch entsteht aber nur dann, wenn die aufgrund der nachträglich fehlerhaft gewordenen Prognose ursprünglich entfallene Weiterbeschäftigungsmöglichkeit vor Ablauf der Kündigungsfrist wieder neu entsteht.
Der Arbeitnehmer verliert dann zwar seinen Kündigungsschutzprozess, nicht aber seinen Job: Er kann dann vom Arbeitgeber verlangen, trotz Wegfalls seines bisherigen Arbeitsplatzes auf der zwischenzeitlich neu entstandenen Stelle weiter beschäftigt zu werden.
…aber nicht im Kleinbetrieb
Aber warum wiesen die Vorinstanzen in diesem Fall die Klage ab?. Zum einen hat das Landesarbeitsgericht darauf abgestellt, dass für den Kläger als vorexaminierten Apothekenangestellten kein Arbeitsplatz zur Verfügung stand. Weiterbeschäftigungsbedarf bestand nur für zwei approbierte Apotheker und eine Reinigungskraft.
Zum anderen hat das LAG – dogmatisch vollkommen zutreffend – die Rechtsprechung des BAG zum Korrektiv des Prognoseprinzips angewandt. Ein Wiedereinstellungsanspruch komme überhaupt nur dann in Betracht, wenn sich die der betriebsbedingten Kündigung zugrundeliegende Vorstellung des Arbeitgebers – also die Prognose – über die Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten nachträglich als unzutreffend herausstellt.
Eine Prognose sei aber im Kleinbetrieb gar nicht erforderlich. Wenn der Arbeitgeber mangels Anwendbarkeit der kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften keinen Kündigungsgrund benötige und deshalb keine Prognoseentscheidung darüber treffen müsse, ob und in welchem Umfang er zukünftig Personalbedarf habe, dann bedürfe es auch keines Korrektivs, wenn sich die – gleichsam überflüssige – Prognose im Nachhinein als falsch herausstelle.
Diese Frage des Bestehens eines Weiterbeschäftigungsanspruchs im Kleinbetrieb war in der Rechtsprechung und im Schrifttum durchaus umstritten und höchstrichterlich noch nicht geklärt. Vor diesem Hintergrund war es zu begrüßen, dass das LAG Düsseldorf die Revision zugelassen und die Rechtsfrage einer Klärung durch das BAG zugeführt hat.
Nun hat der achte Senat die Entscheidung der Vorinstanzen bestätigt. Ein Wiedereinstellungsanspruch kann danach grundsätzlich nur Arbeitnehmern zustehen, die zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung Kündigungsschutz nach dem KSchG genießen.
Und was passiert beim Betriebsübergang?
Durch den Betriebsübergang tritt der Erwerber gemäß § 613a Abs. 1 BGB in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Die Arbeitsverhältnisse gehen in dem Aggregatzustand über, in dem sie sich im Übertragungszeitpunkt befunden haben.
Wurde bereits eine Kündigung ausgesprochen, läuft die Kündigungsfrist dann halt beim Erwerber ab. Grundsätzlich hat der Erwerber auch in diesem Fall alle Pflichten als Arbeitgeber zu erfüllen. Hierzu gehört (unter bestimmten Voraussetzungen) auch die Nebenpflicht aus § 242 BGB, das Angebot des Arbeitnehmers auf Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages anzunehmen, wenn sich nach Ausspruch der Kündigung aufgrund geänderter tatsächlicher Umstände doch eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit ergeben hat.
Für das Bestehen dieser arbeitsrechtlichen Nebenpflicht bedarf es aber eines "rechtlichen Bandes", sprich: das Arbeitsverhältnis muss im Übertragungszeitpunkt noch bestanden haben. Zu der Frage, ob sich der Wiedereinstellungsanspruch nach einem Betriebsübergang auch gegen den Erwerber richtet, musste sich das BAG deshalb nicht äußern, da die Kündigungsfrist des Klägers am 30. Juni 2014 und somit vor dem Übernahmestichtag abgelaufen war.
Die Erwerberin hat die Apotheke aber erst zum 1. September 2014 übernommen – zu diesem Zeitpunkt war das Arbeitsverhältnis des Klägers aber bereits beendet. Es fehlte somit das "rechtliche Band" für das Bestehen einer Nebenpflicht der Erwerberin gegenüber dem Kläger. Selbst wenn der betriebliche Anwendungsbereich des KSchG eröffnet gewesen wäre, wäre die Klage also auch unter diesem Aspekt ohne Erfolg geblieben.
Stephan Altenburg ist Fachanwalt für Arbeitsrecht, Partner der Kanzlei ALTENBURG und Lehrbeauftragter für Arbeitsrecht an der Hochschule Fresenius in München.
BAG zum Übergang eines Kleinbetriebes: . In: Legal Tribune Online, 20.10.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/25155 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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