Die ZDF-Redakteurin Birte Meier hat einen großen Sieg für arbeitnehmerähnliche Beschäftigte errungen: Auch diese fallen unter das Entgelttransparenzgesetz, so das BAG. Dies ist die erste Entscheidung der Erfurter Richter zu diesem Gesetz.
Birte Meier hat vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) gewonnen. Die Frontal-21-Redakteurin, der das ZDF über Jahre hinweg entgegenhielt, freie Mitarbeiter seien nun einmal etwas anderes als andere Beschäftigte, schreibt damit Rechtsgeschichte: Arbeitnehmerähnliche Personen – und damit freie Mitarbeiter wie sie selbst - fallen unter das Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG), entschied das BAG im schriftlichen Verfahren. Am Donnerstag haben die Erfurter Richter die Entscheidung verkündet (Beschl. v. 25.06.2020, Az. 8 AZR 145/19).
Seit Jahren geht es der Journalistin um die finanzielle Gleichstellung mit ihren männlichen Kollegen. Meier arbeitet seit 2007 für das ZDF, Ende 2014 erfuhr sie, dass sie schlechter bezahlt wird als männliche Kollegen mit weniger Betriebszugehörigkeit und Berufserfahrung. Die Journalistin wollte nicht klagen, teilt die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) mit, die Meier in den Verfahren unterstützt. Doch eine Beschwerde beim Personalleiter und ein Hinweis an den Intendanten hätten nichts verändert.
Die draufhin erhobenen Klagen vor dem Arbeitsgericht (ArbG, Urt. v. 01.02.2017, Az. 56 Ca 5356/15) und dem Landesarbeitsgericht (LAG, Urt. v. 05.02.2019, Az. 16 Sa 983/18) Berlin blieben für die mehrfach ausgezeichnete Journalistin ohne Erfolg. Sie hatte ursprünglich Entschädigung für die Diskriminierung sowie die Feststellung beantragt, dass sie keine arbeitnehmerähnliche Freie, sondern eine Angestellte sei. Die Anträge wurden aus prozesstaktischen Gründen vor dem BAG nicht mehr weiterverfolgt, hatte die GFF bereits im Vorfeld der Verkündung des BAG mitgeteilt.
Die beiden Vorinstanzen hatten aber auch keine strukturelle Diskriminierung erkennen können. Vor allem aber – und dagegen wendete sich Meier mit ihrer Revision – habe sie als feste Freie keinen Auskunftsanspruch gegen ihren Arbeitgeber nach dem EntgTranspG. Das ist aus Meiers Sicht der Knackpunkt des ganzen Rechtsstreits: Einen
Anspruch auf offizielle Auskunft über die Kollegengehälter bräuchte sie nämlich, um überhaupt – dann in einem zweiten Schritt - einen Ausgleich für den geringeren Lohn erstreiten zu können.
Welcher der "richtige" Kollege wäre, dessen Qualifikationen und Bezahlung als Vergleich im Sinne des EntgTranspG dienen könnte, müsse im zweiten Schritt ein Gericht entscheiden, erklärt die GFF das prozesstaktische Vorgehen. Vor dem BAG ging es nun erst einmal darum, ob Meier als feste Freie überhaupt einen Auskunftsanspruch habe.
Der Auskunftsanspruch ist nur die Vorstufe
Den Auskunftsanspruch nach § 10 EntgTranspG haben nach dem Wortlaut aber nur Beschäftigte. Wer dazu zählt, ist in § 5 Abs. 2 EntgTranspG definiert. Arbeitnehmerähnliche Personen, also auch freie Mitarbeiter wie Meier, zählen danach nicht dazu. So hatte das ZDF jahrelang argumentiert.
Das lässt sich im Fall freier Journalisten – wenn auch nur mit einigem guten Willen - mit der besonderen Aufgabe des öffentlichen Rundfunks begründen: Zwar sind dort freie Mitarbeiter genauso in die Abläufe eingebunden wie alle anderen Beschäftigten. Einen Anspruch darauf, sich wie Scheinselbstständige in ein Beschäftigungsverhältnis einzuklagen, haben sie allerdings jedenfalls nicht, wenn sie programmgestaltend tätig sind.
Denn der öffentliche Rundfunk müsse die Freiheit haben, die Programmgestaltung nach seinem Interesse zu verändern – daher müsse er auch bei der Auswahl, Einstellung und Beschäftigung der Rundfunkmitarbeiter für die Programmgestaltung frei sein, entschied schon längst das Bundesverfassungsgericht (BVerfG, Beschl. v. 13.01.1982, Az. 1 BvR 848).
Doch berechtigt die Rundfunkfreiheit auch zu unterschiedlichen Gehaltszahlungen? Immerhin erkannten schon die Vorinstanzen: Die festen Freien hätten einen Anspruch nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG), nur das EntgTranspG auf die rund 18.500 freien Mitarbeiter des Rundfunks keine Anwendung.
Ab dort erzählt sich die Geschichte dann aber wieder im Kreis: Solange Meier keine strukturelle Diskriminierung im Sinne des AGG darlegen kann, könnten Einzelfälle eine Benachteiligung wegen des Geschlechts nicht belegen, hatte Prof. Dr. Gregor Thüsing, Arbeitsrechtler an der Uni Bonn, bereits zur Entscheidung der Berufungsinstanz erklärt. Die freien Mitarbeiter hatten nach Auffassung der Vorinstanzen und des ZDF also mangels Anwendbarkeit des EntgTranspG einen Anspruch weniger als sonstige Beschäftigte, nämlich nur den nach dem AGG – und dessen Vorliegen ist in solchen Fällen auch noch schwierig zu beweisen.
BAG bejaht Anspruch und ebnet so den Weg
Das BAG entschied nun: Doch, auch arbeitnehmerähnliche Personen fallen unter das EntgTranspG, obwohl Wortlaut und Gesetzeshistorie anderes annehmen lassen. Denn das EntgelttranspG setze, so die Erfurter Richter, die europäische Richtline 2006/54 EG um, mit der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen verwirklicht werden solle. Daher müsse der Anwendungsbereich des EntgTranspG dem europäischen Arbeitnehmerbegriff entsprechen – und der sei weiter gefasst als der deutsche. Genauso hatte die GFF auch für Birte Meier argumentiert.
Ohne ist diese Auffassung des BAG nicht, denn der Wortlaut des EntgTranspG ist eindeutig. Hinzu kommen diverse Hinweise aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes, die darauf schließen lassen, dass arbeitnehmerähnliche Personen nach dem Willen des Gesetzgebers gerade nicht umfasst sein sollten: So waren sie im Referentenentwurf zum Gesetz noch enthalten, im darauffolgenden Regierungsentwurf aber nicht mehr. Es sieht also eher nach einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers dafür aus, die arbeitnehmerähnlichen Personen aus dem Gesetz herauszuhalten.
Das BAG ging gleichwohl davon aus, dass der Gesetzgeber zumindest unbewusst die Richtlinie europarechtskonform umsetzen wollte. So begründet es jedenfalls, warum es den weitergehenden europäischen Arbeitnehmerbegriff bei seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat. Entsprechende Hinweise aus diversen Entscheidungen des EuGH zu dieser Auslegung haben die Erfurter Richter.
Was ebenfalls für den weiten Arbeitnehmerbegriff spricht: Wäre das BAG am Donnerstag zu einer anderen Entscheidung gekommen, hätte der deutsche Gesetzgeber die Richtlinie nicht ordnungsgemäß umgesetzt. Das BAG hätte das Verfahren dann dem EuGH vorlegen oder die Revision zurückweisen müssen. So aber hat der Senat entscheiden, dass Meier der Auskunftsanspruch zusteht.
Die Journalistin soll die Berliner Frontal21-Redaktion übrigens nun verlassen, teilte die GFF mit. Sie wird ab Juli der Mainzer Abteilung Info, Gesellschaft und Leben zugeordnet. Ihre Position bei Frontal21 wurde mit einem männlichen Redakteur besetzt.
Tanja Podolski, BAG zum Entgelttransparenzgesetz: . In: Legal Tribune Online, 25.06.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/42008 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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