Die Zahl der festen Partnerschaften ohne Trauschein nimmt ständig zu, nur noch zwei Drittel der Frauen und 60 Prozent der Männer möchten heiraten. Wenn sich die Lebensgefährten trennen, können sie trotzdem zunehmend mit Erfolg Ausgleichszahlungen geltend machen. Die rechtliche Annäherung solcher Formen des Zusammenlebens an "legale Verbindungen" erklärt Herbert Grziwotz.
Die Rechtsprechung stand früher auf dem Standpunkt, dass beim Zusammenleben ohne Trauschein die persönlichen Beziehungen derart im Vordergrund stehen, dass sie auch das Handeln der Partner bestimmen. Nicht nur in persönlicher, sondern auch in wirtschaftlicher Hinsicht bestehe deshalb zwischen ihnen keine Rechtsgemeinschaft.
Wenn die Partner nicht etwas Besonderes vertraglich unter sich geregelt hatten, wurden persönliche und wirtschaftliche Leistungen nicht gegeneinander aufgerechnet. Beiträge im Rahmen des Zusammenlebens würden nämlich geleistet, sofern Bedürfnisse auftreten, und von demjenigen erbracht, der dazu in der Lage wäre. Den Partnern sei die Vorstellung fremd, dass für Leistungen im gemeinsamen Interesse ohne besondere Vereinbarung eine Gegenleistung, ein Wertersatz, eine Ausgleichung oder Entschädigung nach Beendigung der Partnerschaft verlangt werden könne.
Allerdings hat die Rechtsprechung eine Ausnahme anerkannt: Haben die Partner zumindest stillschweigend die Absicht verfolgt, mit dem Erwerb eines Vermögensgegenstandes des einen, wenn auch nur wirtschaftlich, gemeinschaftlichen Wert zu schaffen, der von ihnen für die Dauer der Partnerschaft nicht nur gemeinsam genutzt werden, sondern ihnen nach ihrer Vorstellung auch gemeinsam gehören solle, wurde ein Ausgleich unter entsprechender Anwendung der Liquidationsvorschriften der Gesellschaft bürgerlichen Rechts zugelassen.
Beispiel war die Anschaffung einer Immobilie. Konnte ein Vermögensbildungszweck nicht nachgewiesen werden, bliebe es das Risiko jedes Partners, dass er wirtschaftliche Leistungen erbrachte, die er im Falle einer Trennung nicht mehr selbst mitausnutzen und auch nicht ersetzt verlangen konnte.
Kein Ausgleich für die Kosten der Lebensführung
Der nunmehr zuständige Familiensenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat mit zwei Entscheidungen vom 9. Juli 2008 die bisherige Rechtsprechung zur Auseinandersetzung nach Beendigung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft geändert und weitergehend als bisher Ausgleichsansprüche zugelassen.
Allerdings bleibt es dabei, dass diejenigen Leistungen, die das Zusammenleben erst ermöglichen und auf das gerichtet sind, was die Gemeinschaft "Tag für Tag benötigt", später nicht abgerechnet werden. Hierzu gehören die laufenden Unterhaltsbedürfnisse wie zum Beispiel der Einkauf, aber auch die gemeinsame Urlaubsreise sowie die Entrichtung der Miete für die gemeinsam genutzte Wohnung.
Sie erfüllen einen konkreten Zweck, der durch die Trennung später nicht wegfällt. Dies gilt auch dann, wenn derartige Kosten wie z. B. ein Mietrückstand erst nach einer Trennung bezahlt werden (BGH, Urt. v. 03.02.2010, Az. XII ZR 53/08). Insofern ist die Rollenteilung von Bedeutung. Die haushaltsführende und kinderbetreuende Partnerin, die kein Einkommen hat, soll auch nach einer Trennung nicht für rückständige Kosten des täglichen Lebens aufkommen müssen.
Vermögensbildung nur bei Trennung zu Lebzeiten relevant
Schaffen Partner während ihres Zusammenlebens einen Vermögenswert von wesentlicher Bedeutung, empfehlen sich weiterhin konkrete Vereinbarungen hinsichtlich des späteren Ausgleichs. Haben die Lebensgefährten keinen Partnerschaftsvertrag geschlossen, kommt ein Ausgleich aufgrund eines stillschweigend geschlossenen Gesellschaftsvertrags in Betracht.
Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Partner einen über die Verwirklichung der Lebensgemeinschaft hinausgehenden Zweck verfolgen, was insbesondere bei der gemeinschaftlichen Führung eines Unternehmens und der Anschaffung von Renditeobjekten für das Alter der Fall ist. Bei Zuwendungen an den Partner wie beispielsweise zur Anschaffung der gemeinsam genutzten Eigentumswohnung kommt ein Wegfall der Geschäftsgrundlage in Betracht, wenn der zuwendende Partner die von ihm mitfinanzierte Wohnung nicht mehr mitnutzen kann.
Allerdings ist bei einer Rückgewähr der Zeitraum der Mitnutzung zu berücksichtigen. Schließlich kann es bei der Trennung zum Ausgleich einer Leistung kommen, die in der Erwartung eines späteren Verhaltens des Partners zum Beispiel der Pflege und Fürsorge im Alter erbracht wird. Ist diese Zweckverfolgung dem Lebensgefährten erkennbar, kann bei einer Trennung ein Ausgleich geschuldet sein.
Anders als die Trennung wird der Tod eines Partners behandelt. Beim Tod des Zuwendenden soll kein Ausgleich erfolgen. Vielmehr ist von einem unterstellten Verzicht auf die Rückabwicklung auszugehen. Hinterbliebene wie etwa die Noch-Ehefrau oder ersteheliche Kinder sollen keinen Ausgleich vom Lebensgefährten verlangen können. Sie sind, wenn die Schenkung innerhalb von zehn Jahren vor dem Tod des Verstorbenen erfolgte, auf Pflichtteilsergänzungsansprüche angewiesen.
Grundsätze nicht nur auf nichteheliche Partnerschaften anwendbar
Der Noch-Ehegatte oder Noch-Lebenspartner kann ferner Zugewinnausgleichsansprüche geltend machen. Stirbt der Zuwendungsempfänger, kann es dagegen fraglich sein, ob dessen Erben den Vermögensgegenstand behalten dürfen. Dies ist zu verneinen, wenn der zuwendende Lebensgefährte die Zuwendung vor dem Hintergrund einer langfristigen gemeinsamen Nutzung machte und dies beispielsweise durch den überraschenden Unfalltod nicht mehr möglich ist.
Die neuen Rückabwicklungsgrundsätze der Rechtsprechung führen dazu, dass frühere schenkungsteuerpflichtige Vorgänge bei einer Trennung korrigiert werden müssen. Besteht ein Rechtsanspruch auf die Rückgewähr, löst diese ihrerseits zudem keine Schenkungsteuer aus (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 Erbschaftssteuergesetz). Wurde die Schenkungsteuerpflicht bei einer Zuwendung an den Partner versehentlich übersehen und entsteht darüber Streit zwischen den Lebensgefährten, kann die Trennung der Partner zumindest die Wohltat der Schenkungsteuerrückerstattung zur Folge haben.
Die neue Rechtsprechung zum Ausgleich nach einer Trennung bei einem trauscheinlosen Zusammenleben ist nicht nur auf nichteheliche Lebensgemeinschaften anwendbar. Auch gleichgeschlechtliche Partner "ohne einen Trauschein" fallen unter die neuen Abwicklungsgrundsätze. Darüber hinaus möchte der BGH auch die Abwicklung anderer auf Dauer angelegter Partnerschaften nach den neuen Regeln vornehmen. Auf sexuelle Beziehungen zwischen den Beteiligten soll es jedenfalls nicht ankommen. Beispiele sind die im Alter zusammenlebenden Schwestern oder Freundinnen. Schwieriger als die Einordnung von Alterslebensgemeinschaften ist das gemeinsame Wirtschaften von nahen Angehörigen wie zum Beispiel einer verwitweten Frau mit ihrem unverheirateten Sohn. Ob die Rechtsprechung auch derartige Nesthockerfälle nach den neuen Kriterien abwickeln wird, ist noch offen.
Der Autor Prof. Dr. Dr. Herbert Grziwotz ist Notar in Regen und Zwiesel.
Mehr auf LTO.de
Karriere und Partnerschaft: "Los, mach mich glücklich!"
Nachehelicher Unterhalt: Verfassungsrichter kippen Berechnungsmethode des BGH
Umgangsrechte in der Regenbogenfamilie: Ein Kind zwischen Mama und Mami
Herbert Grziwotz, Ausgleichsansprüche bei Trennung: . In: Legal Tribune Online, 29.04.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/3156 (abgerufen am: 25.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag