Beschäftigte können sich nicht pauschal gegen Softwareanwendungen wehren, das ist Arbeitsverweigerung. Doch manchmal gehen die Arbeitgeber zu weit. Zwei Fälle hat Christian Oberwetter aufgeschrieben.
Seit Inkrafttreten der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) ist das Bewusstsein von Beschäftigten um ihre Persönlichkeitsrechte geschärft: Immer häufiger weigern sich Arbeitnehmer unter Berufung auf den Datenschutz, Softwareanwendungen zu aktivieren. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte bereits vor einigen Jahren dazu geurteilt, dass in einem solchen Fall eine Arbeitsverweigerung vorliegt, die zur fristlosen Kündigung führen kann (BAG, Urt. v. 17.11.2016, Az. 2 AZR 730/15).
Diese Entscheidung bedeutet jedoch nicht etwa, dass die Unternehmen schalten und walten können, wie sie wollen. Vielmehr müssen sie sorgfältig abwägen, ob und in welcher Form eine technische Einrichtung zur Anwendung kommt. In zwei Fällen haben sich Arbeitnehmer nun erfolgreich vor Arbeitsgerichten zur Wehr gesetzt.
Einsatz von Telematik-Anwendungen
Das Arbeitsgericht (ArbG) Heilbronn sah einen erheblichen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht eines Arbeitnehmers beim Einsatz einer Telematik-Box, mittels derer im Fahrzeug Echtzeit-Daten erfasst werden. Diese war in das Dienstfahrzeug eines Außendienst-Mitarbeiters eingebaut und erfasste und speicherte alle Daten. Dies sei allerdings nicht erforderlich im Sinne des § 26 Abs.1 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG, ArbG Heilbronn, Urt. v. 30.01.2019, Az. 2 Ca 360/18).
Der Außendienstler hatte sich geweigert, die Telematik-Box in seinen Dienstwagen einbauen zu lassen, da sowohl Einbau als auch Betrieb datenschutzrechtlich unzulässig seien. Es folgten eine Abmahnung und später - als der Beschäftigte sich weiterhin weigerte - die fristlose, hilfsweise fristgemäße Kündigung durch das Unternehmen. Der Außendienstler ging gerichtlich gegen die Kündigung vor und erhob zudem eine Unterlassungsklage.
Das beklagte Unternehmen stellte im Rechtsstreit klar, dass die Box zunächst nur eingebaut werden solle, eine Aktivierung des Systems solle erst später erfolgen. Zudem würden auch dann Daten nur im fahrenden Zustand verarbeitet, da das System erst nach Zündung in Gang gesetzt werde. Die Erhebung der Daten sei erforderlich, um das Nutzungsverhalten zu überprüfen (gefahrene Kilometer, Kraftstoffverbrauch, Abrechnung von Reisezeiten).
Die Richter in Heilbronn gaben dem Außendienstler in wesentlichen Punkten Recht. Zwar läge in der Weigerung, in den Dienstwagen den Einbau der Box vornehmen zu lassen, eine Arbeitsverweigerung. Das Fahrzeug sei Eigentum des Arbeitgebers und der Einbau selbst greife noch nicht in die Persönlichkeitsrechte des Beschäftigten ein. Dennoch sei in diesem Fall vor Ausspruch einer Kündigung noch eine weitere Abmahnung erforderlich gewesen. Es müsse berücksichtigt werden, dass die aktivierte Telematik-Box für die Durchführung des Arbeitsverhältnisses nicht erforderlich gewesen sei, da die gewünschten Zwecke auch anders erreicht werden konnten. Da bei aktivierter Box Daten zu dem Fahrverhalten des Fahrers verarbeitet würden, stelle diese einen tiefgreifenden Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Beschäftigten dar, so dass die Nutzung unzulässig wäre.
Arbeitszeiterfassung mittels biometrischer Daten
In einem weiteren Fall urteilte das ArbG Berlin, dass die Arbeitszeiterfassung durch ein Zeiterfassungssystem mittels Fingerprint nicht erforderlich i. S. v. § 26 I BDSG und damit ohne Einwilligung der betroffenen Person unzulässig sei (ArbG Berlin, Urt. v. 16.10.2019, Az. 19 Ca 5451/19). Der Arbeitgeber hatte hier das Zeiterfassungssystem ZEUS eingeführt, wonach zur Erkennung der Beschäftigten deren Fingerprint erforderlich war. Ein Beschäftigter weigerte sich, die Anwendung einzusetzen und nahm die Arbeitszeiterfassung weiterhin händisch vor. Hierfür wurde er abgemahnt und erhob Klage auf Entfernung der Abmahnung.
Die Berliner Richter gaben ihm Recht. Es handele sich um biometrische Daten i. S. v. Art. 9 I DSGVO und somit um besondere Kategorien personenbezogener Daten nach § 26 III BDSG. Diesen Daten sei eigen, dass deren Verarbeitung die Privatsphäre des Mitarbeiters und damit dessen Recht auf informationelle Selbstbestimmung in besonderen Maße verletzen könne. Im Rahmen von Zeiterfassungen sei die Verarbeitung solcher Daten nicht zulässig. Das könne nur anders beurteilt werden, wenn Missbrauch z.B. durch Mitstempeln der Arbeitszeiten abwesender Mitarbeiter durch Kollegen erfolge. Für diese Annahme bestehe kein Anlass.
An den Urteilen zeigt sich, dass der Einsatz technischer Anwendungen von viel Unsicherheiten bezüglich der datenschutzrechtlichen Zulässigkeit geprägt ist. Unternehmen fahren am besten, wenn technische und juristische Fragen bereits geklärt sind, bevor Maßnahmen zum Einsatz getroffen werden.
Auf der anderen Seite sollten Beschäftigte Anweisungen des Arbeitgebers nicht allzu sorglos unter Berufung auf den Datenschutz verweigern. Wie das BAG-Urteil aus 2016 zeigt, kann das zur Kündigung führen und auch das Arbeitsgericht Heilbronn sah im Verhalten des Außendienstlers eine abmahnfähige Arbeitsverweigerung.
Der Autor Christian Oberwetter, Rechtsanwalt und Maître en droit, ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und IT-Recht in Berlin und Hamburg.
Softwareeinsatz im Arbeitsverhältnis: . In: Legal Tribune Online, 20.01.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/39763 (abgerufen am: 05.11.2024 )
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