Aktuell fühlt sich das Büro eher wie ein Hochofen an. Doch Arbeitgeber müssen ihre Angestellten schützen, z.B. durch Bereitstellung von Ventilatoren, Klimaanlagen oder kühlen Getränken. Im Notfall kann man sich auch selbst Hitzefrei erteilen.
Der Schweiß fließt, die Luft ist zum Schneiden dick, man spürt das eigene Hirn förmlich vertrocknen. Unter solchen Bedingungen fällt es schwer, sich überhaupt auf irgendetwas zu konzentrieren, ganz besonders auf die Arbeit. Wäre es da nicht schön, wenn man Tastatur und Monitor gegen Cocktailglas und Luftmatratze tauschen und dem Büro Lebewohl sagen könnte, bis Petrus sich erbarmt und lindernde Kühlung bringt? Immerhin gab es zu Schulzeiten doch auch bisweilen Hitzefrei!
Ganz so unkompliziert wie in Jugendjahren ist die Lage für den arrivierten Arbeitnehmer jedoch leider nicht. "Grundsätzlich gibt es zwar einen Punkt, ab dem man wegen übermäßiger Hitze die Arbeit niederlegen darf", weiß Rechtsanwalt Christian Oberwetter. "In der Praxis sind mir aber keine Fälle bekannt, in denen das passiert wäre."
Wenig Streit ums Wetter vor Gericht
Tatsächlich sind Urteile rar gesät, die sich mit der Frage nach übermäßiger Wärmebelastung am Arbeitsplatz befassen. Das mag seine Ursachen im Klima haben, welches hierzulande nur selten Anlass für derartige Klagen gibt, oder auch in der wetterbedingt geminderten Streitlust von Arbeitgebern und -nehmern, wenn die Sonne sich doch einmal mit Nachdruck hervorwagt. Die Rechtslage als solche ist jedoch auch ohne gerichtliche Ausformung relativ klar:
"Ausgangspunkt eines materiell-rechtlichen Anspruchs des Arbeitnehmers ist § 618 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch, der verlangt, dass die Arbeitsräume so einzurichten sind, dass der Arbeitnehmer vor Gefahren an Leib und Leben geschützt ist", erklärt Privatdozent Sebastian Kolbe von der Uni Heidelberg. "Diese allgemeine Bestimmung wird unter anderem durch die Arbeitsstättenverordnung und die Technischen Regeln für Arbeitsstätten zur Raumtemperatur konkretisiert."
So sehen die Technischen Regeln für Arbeitsstätten vor, dass die Temperatur am Arbeitsplatz 26 Grad nicht überschreiten "soll". Sofern auch die Außentemperatur 26 Grad oder mehr beträgt, die Hitze im Büro also Konsequenz des guten Wetters ist, "soll" der Arbeitgeber Maßnahmen treffen, um die Wärmebelastung zu mindern. Ab 30 Grad "muss" er dies tun, und oberhalb von 35 Grad ist ein Raum nicht mehr "als Arbeitsraum geeignet". Dabei kommt es jeweils auf die Innen-, nicht auf die Außentemperatur an.
Bis 30 Grad muss man meist schwitzen
Eine Überschreitung der 26-Grad-Marke hat jedoch kaum praktische Folgen. "Hier gilt das alte Prinzip: hätte, könnte, sollte", erklärt Oberwetter lakonisch. Anders sieht die Sache nur aus, wenn der Arbeitnehmer jenseits von 26 Grad gesteigerten Risiken ausgesetzt ist; dies mag etwa bei stillenden Müttern oder älteren Menschen der Fall sein. Der Chef muss dann bereits ab 26,5 Grad Raumtemperatur Abhilfe schaffen, etwa nachts lüften, die Bekleidungsregeln lockern oder kostenlose Getränke bereitstellen.
Eine Klimaanlage ist natürlich auch eine Lösung. Bestimmte Maßnahmen können die Mitarbeiter allerdings nicht verlangen. "Gefordert werden kann nur, dass der Arbeitgeber geeignete Maßnahmen trifft, um die Temperatur zu senken – einen konkreten Anspruch, zum Beispiel auf einen Ventilator am Arbeitsplatz, gibt es hingegen nicht", führt Kolbe aus.
Im Zweifel kann eine Beschwerde beim Betriebsrat hilfreich sein, dem nach §§ 87 Abs. 1 Nr. 7, 91 Betriebsverfassungsgesetz ein Mitbestimmungsrecht bei Gesundheitsschutzmaßnahmen zukommt. "Größere Unternehmen, die über einen Betriebsrat verfügen, haben aber meist ohnehin die finanziellen Ressourcen, um eine ordentliche Kühlung zu gewährleisten. Die Frage stellt sich dort also eher selten", meint Oberwetter. Alternativ steht auch der Weg zu den Gerichten offen, wo der Anspruch auf Kühlung eingeklagt werden kann.
Notlösung Hitzefrei
Weitaus attraktiver als diese beiden Optionen mag es jedoch erscheinen, die Arbeit einfach ruhen zu lassen, bis entweder der Chef die Temperaturen im Büro senkt, oder das Wetter dies von sich aus übernimmt – ein selbst beschlossenes "Hitzefrei" sozusagen. Oberwetter und Kolbe sind sich einig: "Grundsätzlich ist das möglich." Wenn der Arbeitgeber seinen Pflichten nicht nachkommt, so kann auch der Arbeitnehmer seine Leistung nach § 273 Abs. 1 BGB verweigern.
Dieser schöne Gedanke bedarf jedoch einiger Einschränkungen. Zunächst gilt das Leistungsverweigerungsrecht nur so lange, wie die Temperaturen unzumutbar hoch sind – kühlt das Büro nachmittags ab, muss der Arbeitnehmer wieder zur Verfügung stehen. Darüber hinaus kann die Arbeitsverweigerung treuwidrig sein, wenn etwa nur kurzzeitig die Klimaanlage ausfällt. "An echten Hitzearbeitsplätzen, wie etwa in einer Gießerei, gelten ohnehin Sonderregeln", so Kolbe.
Von einem allzu hitzköpfigen Vorgehen ist Arbeitnehmern jedenfalls abzuraten. Das von zu Hause mitgebrachte Thermometer ist nicht unbedingt zuverlässig und ein Niederlegen der Arbeit kommt nur als ultima ratio in Betracht. "Oft ist es in solchen Situationen leichter, eine Lösung auf dem kurzen Dienstweg zu finden", meint Oberwetter. "Wenn sich das Büro in eine Sauna verwandelt, dann schwitzt der Chef schließlich auch, und wird einem frühen Feierabend oder der Arbeit vom Home Office aus wohl zustimmen."
Anm. d. Red.: Dieser Beitrag erschien ursprünglich im August 2013.
Constantin Baron van Lijnden, Arbeitnehmerschutz bei Hitze: . In: Legal Tribune Online, 24.06.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8962 (abgerufen am: 04.11.2024 )
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