Die Pflicht, wenn möglich im Homeoffice zu arbeiten, läuft am 30. Juni aus. Müssen jetzt alle zurück ins Büro - und dabei ihren Arbeitgebenden mitteilen, ob sie geimpft sind? Was nun gilt, erklärt Michael Fuhlrott im Interview.
LTO: Herr Professor Fuhlrott, die Regelung des § 28 b Abs. 7 Infektionsschutzgesetz (IfSG), nach der Betriebe ihren Beschäftigten die Arbeit im Homeoffice anbieten mussten, läuft zum 30. Juni aus. Müssen damit am Donnerstag alle zurück ins Büro?
Prof. Dr. Michael Fuhlrott: Wenn die Unternehmen das anweisen, müssen die Beschäftigten tatsächlich am 1. Juli wieder im Büro erscheinen. Arbeitnehmende haben dann kein Recht mehr aus dem IfSG, von zuhause aus zu arbeiten.
Der Anweisung zur Rückkehr in die Betriebe müssen die Beschäftigten nachkommen. Wenn sie diese nicht befolgen, drohen ihnen eine Abmahnung und sogar die fristlose Kündigung wegen Arbeitsverweigerung. Daran ändert auch die Angst nichts, im Büro möglicherweise einem höheren Ansteckungsrisiko ausgesetzt zu sein. Dies ist kein Grund zuhause zu bleiben. Das hat etwa das Arbeitsgericht Kiel bereits entschieden (Urt. v. 11.03.2021, Az. 6 Ca 1912 c/20) und bei einer solchen Weigerung eine fristlose Kündigung für wirksam angesehen. Diese Entscheidung finde ich richtig, das ergibt sich eben aus den jetzt wieder geltenden Normen und ist nichts anderes als die Ausübung des Direktionsrechts durch den Arbeitgeber.
Was gilt für Beschäftigte, die – etwa zwecks Kinderbetreuung – nicht zurück ins Büro möchten, sondern weiter im Homeoffice arbeiten wollen?
Die Sondervorschriften für Entschädigungszahlungen aus dem IfSG oder auch das Kinderkrankengeld sind weiterhin in Kraft. Mit der Sicherstellung der Kinderbetreuung oder im Falle angeordneter Quarantäne o. ä. hat man also auch weiterhin Gründe, gerechtfertigt nicht ins Büro zu kommen. Allerdings erhalten die Beschäftigten dann nicht ihr Gehalt, sondern Entschädigungszahlungen. Diese rechtmäßigen Gründe, dem Arbeitsplatz fern zu bleiben, sind also getrennt von dem Weisungsrecht der Arbeitgebenden zu sehen.
Nicht zu vergessen ist aber, dass diese Ansprüche zur Betreuung der Kinder nur greifen, wenn die Kindergärten oder die Schulen aus Pandemiegründen geschlossen sind und eine Betreuung ansonsten nicht sichergestellt ist. Das gilt nicht für bloße Ferienzeiten der Einrichtungen, die bald anstehen. Für diese Zeiten mussten Eltern immer schon selbst die Betreuung organisieren.
Was müssen die Arbeitgebenden in den Betrieben ab dem 1. Juli für den Gesundheitsschutz tun?
Die Regelungen sind gelockert, die verbindliche Vorgabe der Mindestflächen pro Person etwa entfällt. Allerdings müssen die Unternehmen weiterhin eine Gefährdungsbeurteilung vornehmen und danach etwa entscheiden, wie viele Mitarbeitende sich gleichzeitig im Büro aufhalten dürfen und ob ausnahmsweise von der Maskentragungspflicht Abstand genommen werden kann.
Grundsätzlich gilt, dass nach § 3 Corona-Arbeitsschutzverordnung (Corona-ArbschVO) die Kontakte auch weiterhin auf das Notwendige reduziert werden sollen, sodass der Apell, die Beschäftigten weiter im Homeoffice oder im Betrieb digital arbeiten zu lassen, wenn dies möglich ist, durchaus fortbesteht. Auch Abstände sollen weiter eingehalten werden.
Die Arbeitgebenden müssen zudem mindestens medizinische Gesichtsmasken zur Verfügung stellen, wenn andere Maßnahmen keinen ausreichenden Schutz gewährleisten, z.B Abstände nicht eingehalten werden können, Trennwände nicht vorhanden sind oder körperlich anstrengende Tätigkeiten ausgeführt werden müssen oder ein lautes Sprechen für die Tätigkeit erforderlich ist. . Am Arbeitsplatz selbst kann die Maske ggf. abgenommen werden, bei Bewegung durch das Büro oder in den Gemeinschaftsräumen etwa bei den Pausen müssen die Unternehmen den Infektionsschutz gewährleisten, was etwa durch das Tragen einer Maske erreicht werden kann. Letztlich ist die betriebliche Gefährdungsbeurteilung anhand der konkreten Umstände vor Ort wie etwa auch der ausgeübten Tätigkeiten maßgeblich.
Schon bisher mussten die Betriebe für die Beschäftigten, die nicht im Homeoffice arbeiten konnten, Schnelltests anbieten. Was gilt ab dem 1. Juli?
Die Testangebotspflicht gilt weiterhin. Das heißt, die Arbeitgebenden müssen ihren Beschäftigten auf Kosten des Unternehmens zwei Tests pro Woche zur Verfügung stellen, das folgt aus § 4 der Corona-Arbeitsschutzverordnung.
Es bleibt aber dabei, dass dies nur eine Angebotspflicht für die Arbeitgebenden ist - und eben keine Testpflicht für die Beschäftigten. Von dem Angebot könnten Genesene und vollständig Geimpfte übrigens ausgenommen werden. Ob eine Testpflicht durch eine Betriebsvereinbarung angeordnet werden kann, ist umstritten, es gibt aber schon Arbeitsgerichte, die eine solche Vereinbarung für zulässig angesehen haben. Das wird aber von der konkreten Situation im Betrieb abhängen. Entscheidend können etwa die lokale Inzidenz und die Gegebenheiten im konkreten Betrieb sein
Eine Ausnahme von der Angebotspflicht besteht darüber hinaus auch, wenn die Arbeitgebenden den Infektionsschutz in vergleichbarer Weise sicherstellen können.
Das lässt sich aber ja nur umsetzen, wenn der Arbeitgeber weiß, wer geimpft und wer genesen ist. Müssen Beschäftigte Auskunft geben, ob sie schon geimpft sind oder nicht?
Im Gesundheitswesen haben die Arbeitgebenden einen solchen Auskunftsanspruch, ansonsten ist dies in der Verordnung nicht enthalten. In der Verordnungsbegründung ist aber noch einmal explizit klargestellt, dass die Beschäftigten nur aufgrund der Regelungen der Verordnung nicht verpflichtet sind, dem Arbeitgeber Auskunft über ihren Impf- bzw. Genesungsstatus zu geben.
Denkbar ist aber, dass die Unternehmen die Kantine oder sonstige Gemeinschaftsräume nur denjenigen zugänglich machen, die vollständig geimpft oder genesen sind. Dann müssen sich die Betroffenen überlegen, ob sie freiwillig den Nachweis führen möchten. Nach meiner Meinung wäre eine solche Differenzierung legitim, denn ein Schnelltest erfolgt ja nur zwei Mal wöchentlich und ist lediglich eine Momentaufnahme. Vielleicht wäre es noch etwas anderes, wenn der Test unmittelbar vor Betreten der Kantine durchgeführt wird.
Was können Beschäftigte machen, wenn sie in einem Büro mit Kolleginnen oder Kollegen sitzen müssen, die Impfgegner sind oder Corona verleugnen?
Auch Impfgegner und Ungeimpfte müssen die geltenden Maßnahmen befolgen, das heißt Abstände und Maskenpflicht sind einzuhalten. Wenn sich eine Person daran nicht hält, wird man sie mit arbeitsrechtlichen Maßnahmen dazu anhalten können, das zu tun. Einen Anspruch darauf, nur mit geimpften Personen in einem Büro zu sitzen, wird man im Zweifel aber nicht haben.
Allgemein kann das natürlich zu schwierigen Situationen führen, etwa wenn Schwangere, die nicht geimpft werden können, bisher mit Menschen zusammengesessen haben, die sich als Impfgegnerin oder Corona-Verleugner bekennen und die andere Beschäftigte durch das Verhalten im privaten Bereich gefährden könnten. Hier wird es schwierige Abgrenzungsfragen zwischen Schutzpflicht des Arbeitgebers und Persönlichkeitsrecht des Betroffenen geben, die die Arbeitsgerichte sicherlich in nächster Zeit beschäftigen werden.
Was ist mit den Unternehmen, die jetzt nichts machen und das Homeoffice einfach weiterlaufen lassen?
Bis zum 1. Juli musste der Arbeitgeber die Arbeit seiner Beschäftigten im Homeoffice hinnehmen. Er war dazu ja gesetzlich verpflichtet. Spannend wird, ob es eine konkludente Erweiterung des Arbeitsvertrages sein kann, wenn das Homeoffice nunmehr einfach weiterläuft. Daraus könnte eine Art Vertrauenstatbestand entstehen, auf die sich Beschäftigte berufen können.
Zur Verhinderung einer solchen Problematik sollte der Arbeitgeber gegenüber den Beschäftigten klarstellen, dass in keiner Form ein Recht auf Homeoffice begründet wird. Unabhängig vom rein Arbeitsrechtlichen wird das Arbeiten im Homeoffice aber sicherlich ein fester Bestandteil künftiger Büroarbeit sein – viele Unternehmen haben erkannt, dass das ortsferne Arbeiten in vielen Fällen eine sehr sinnvolle Ergänzung der reinen Arbeit vor Ort sein kann.
Vielen Dank für das Gespräch.
Prof. Dr. Michael Fuhlrott ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner bei FHM sowie Professor für Arbeitsrecht an der Hochschule Fresenius in Hamburg.
Homeoffice-Pflicht endet zum 1. Juli: . In: Legal Tribune Online, 29.06.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/45330 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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