Doping ist ein beträchtliches Problem, es lässt den Sportler vom Vorbild zum Feindbild verkommen. Doch nicht alles, was gesellschaftlich oder moralisch unerwünscht ist, sollte strafbar sein. Sportliche Fairness ist kein Rechtsgut, das mit den scharfen Mitteln des Strafrechts verteidigt werden müsste; wirtschaftliche Interessen werden schon nach heutiger Rechtslage geschützt. Der Ruf nach einem neuen Straftatbestand ist verfehlt, meint Dr. Rico Kauerhof.
Nach jedem kleinen oder großen Dopingskandal wird der Ruf nach einem Antidopinggesetz laut und lauter und verhallt dann einige Zeit später wieder, bis zum nächsten Skandal. In diesen Ruf mischen sich Stimmen, die die Strafbarkeit des Selbstdopings oder die Schaffung eines Sportbetrugstatbestandes fordern. Gerade an diesen beiden Beispielen zeigt sich jedoch die schwierige Problematik, die hinter der Dopingdebatte steht und die man kurz mit folgender Frage umreißen könnte: Wo hört die Verantwortung des Staates für die (Sport)Gesellschaft auf?
Wir sind uns einig, dass Doping moralisch verwerflich ist und die faire Idealwelt des Sports gefährdet. Wir wissen auch alle, das Doping in bestimmten Formen (Handel, Besitz nicht geringer Mengen, Anwendung bei Minderjährigen, etc.) mit Strafe bedroht ist. Teilweise ist die Strafdrohung dem Strafgesetzbuch (StGB) und teilweise ist sie Spezialgesetzen wie dem Arzneimittelgesetz (AMG) oder dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG) zu entnehmen. Das ist auch unbestritten gut so. Warum aber sollte das Selbstdoping erwachsener Sportler in diesen Kreis mit einbezogen werden?
Gründe hierfür werden vielfältige angeführt. Betrachtet man jedoch den Charakter des Strafrechts, so bleiben keine plausiblen übrig. Strafrecht ist seinem ureigenen Zweck nach ein Sanktionsrecht. Dies bedeutet, dass bestimmte Verhaltensweisen in einer Gesellschaft nicht geduldet werden, weil sie das staatliche Grundsystem gefährden. Du darfst nicht töten oder verletzen, du darfst keine Steuern hinterziehen, du darfst niemanden betrügen.
Ethik und Moral bleiben "gesetzlos"
Aber welche Rechtsgüter, die durch das Strafrecht geschützt werden, sollen durch eigenverantwortliches und selbstbestimmtes Doping verletzt sein? Die Gesundheit? Untauglich, denn sogar die Selbsttötung ist straffrei. Es leuchtet nicht ein, warum dann die Selbstverletzung mit gefährlichen Dopingsubstanzen strafbar sein sollte.
Vermögen? Sicher, das Vermögen genießt strafrechtlichen Schutz. Aber warum sollte derjenige, der durch einen "Dopingbetrüger" geschädigt wird mehr geschützt werden als derjenige, der einem Trickbetrüger zum Opfer fällt? Dies leuchtet ebenfalls nicht ein und lässt zudem außer Acht, dass § 263 StGB auch für den "Dopingbetrüger" gilt, wenn und soweit die Voraussetzungen der zugegebenermaßen dogmatisch schwierigen Norm vorliegen.
Die Gerechtigkeit im Wettbewerb? Was soll am sportlichen, im Gegensatz etwa zum wirtschaftlichen Wettbewerb so besonders sein, dass es die Schaffung einer eigenen Strafnorm nötig machen würde? Sportethik oder die sportliche Fairness? Auch hier ist nicht nachvollziehbar, warum derartige Rechtsgüter einen strafrechtlichen Schutz genießen sollen. Schließlich werden Verstöße gegen die Berufsethik auch in anderen Berufe nicht strafrechtlich sanktioniert.
Ethik und Moral bleiben eben "gesetzlos", das heißt moralisches Handeln kann nicht eingefordert, unmoralisches nicht gesetzlich bestraft werden. Schließlich wird noch die Effektivität im Dopingkampf ins Feld geführt, welche bei der Anwendung des Strafprozessrechts wesentlich erhöht wäre. Hierdurch wird jedoch das Ross zum Reiter gemacht: Das Strafprozessrecht soll dem effektiven Rechtsgüterschutz durch das Strafrecht dienen, nicht das Strafrecht die Voraussetzung für ein möglichst scharfes, strafprozessuales Vorgehen bilden. Logisch unhaltbar, juristisch unerträglich!
Autonome Eigenwelt des Sports für Sanktionierung zuständig
Zu den dogmatischen Erwägungen kommen zudem praktische Probleme hinzu, etwa beim Versuch, eine trennscharfe Begriffsdefinition von Doping überhaupt erst zu errichten. Bei genauer Beschäftigung mit der Problematik wird der Ruf nach dem Strafrecht also immer leiser. Aber warum stört uns alle – einschließlich mir selbst – das Doping derart, dass wir versucht sind, ihm dennoch zu folgen?
Der heroische Sportler, der durch Talent und Fleiß bewundernswerte Leistungen vollbringt, wird zum Dopingsünder und gesellschaftlich geächteten Täter. Er zerstört einen Mythos und wandelt sich vom Vorbild zum Feindbild für den Sport und die durch ihn transportierten Werte. Er stellt auch eine Gefahr für die Lobby des Sports mit allen ihren politischen und ökonomischen Verflechtungen dar.
Insofern ist es durchaus nachvollziehbar, dass die Rettung im Strafrecht gesucht wird. Das darf das Strafrecht jedoch nicht leisten, es kann es auch nicht, ohne seine Grenzen zu sprengen und seine ureigene Funktion aufzuheben. Das Strafrecht würde sich sonst vom Rechtsgüterschutz abwenden und zu einem Interventionsrecht verkommen, mit unabsehbaren Folgen.
Seine recht verstandene Funktion besteht indes darin, die äußersten Grenzen erlaubten menschlichen Handelns abzustecken, nicht als Korrektiv für allerlei kleinere und größere gesellschaftliche Missstände. Solange aber durch das eigenverantwortliche Selbstdoping kein strafrechtlich geschütztes Rechtsgut verletzt ist, bleibt der Sport in seiner autonomen Eigenwelt für die Sanktionierung zuständig. Dies ist eine klare und gerechte gesellschaftliche Funktionsteilung, an der durch ein Antidopinggesetz nicht gerüttelt werden sollte.
Der Autor Dr. Rico Kauerhof D.E.A. (Paris Sorbonne) ist Partner der NWK Rechtsanwälte. Er ist auf das Sportrecht spezialisiert und gleichzeitig Vorstandsvorsitzender des Instituts für Deutsches und Internationales Sportrecht e.V.
Pro & Contra Anti-Doping-Gesetz: . In: Legal Tribune Online, 03.09.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9481 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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