2018 berichtete die Bild-Zeitung über das Scheidungsverfahren von Anke Engelke. Jetzt hat der BGH klargestellt, dass Engelke die Berichterstattung hinnehmen musste, eine Veröffentlichung von Fotos jedoch nicht, wie Martin W. Huff erläutert.
Anke Engelke gehört sicherlich seit Jahren zu den bekanntesten Comedians und Schauspielerinnen. Daher haben die Medien ein großes Interesse an der Berichterstattung über sie, auch über ihren privaten Lebensbereich. Zum zweiten Mal verheiratet, bestätigte Engelke durch ihren Anwalt gegenüber der Zeitschrift Stern 2015 die Trennung von ihrem Ehemann. Anfang Januar 2018 berichtete die Bild sowohl in der Printausgabe wie auch im Internet über einen Termin im Scheidungsverfahren vor dem Amtsgericht. Illustriert war der Bericht mit zwei Fotos, die Engelke und ihren Mann auf dem Weg in das Gericht zeigte. In dem Artikel wurde – inhaltlich richtig – über einen Termin im Scheidungsverfahren vor dem Amtsgericht unter Angabe des Aktenzeichens, des Saals in dem der Termin stattgefunden hatte und die Dauer der Verhandlung berichtet.
Durch diese Berichterstattung sah sich Engelke ihren Persönlichkeitsrechten beeinträchtigt, es bestehe keine ihre Rechte überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit an ihrem Scheidungsverfahren. Die Bild-Redaktion sah dagegen ihre Berichterstattung als zulässig an, da es sich bei dem Scheidungsverfahren einer Prominenten um ein "Ereignis der Zeitgeschichte" im Sinne der §§ 22, 23 des Kunst-Urhebergesetz (KUG) handele, über das auch sowohl in einem Artikel wie auch mit Bildern illustriert berichtet werden durfte.
Doch sowohl das Oberlandesgericht Köln wie jetzt auch der VI. Zivilsenat des BGH gehen hier einen Mittelweg: Die Wortberichterstattung sei erlaubt gewesen, die Verwendung der Bilder, die die Schauspielerin in einer besonderen persönlichen Situation zeigen, allerdings nicht.
In zwei Urteilen vom 7.Juli 2020 – ein Revisionsverfahren von Engelke gegen Bild und ein Verfahren Bild gegen Engelke - (Az. VI ZR 246/19 und 250/19), die das Gericht am vergangenen Freitag auf seiner Homepage veröffentlichte, begründet der BGH ausführlich seine Rechtsauffassung.
Bilder nicht aus dem Bereich der Zeitgeschichte
Der BGH legt zunächst dar, dass nach dem von ihm nunmehr schon seit einigen Jahren praktizierten sogenannten "abgestuften Schutzkonzept" die Veröffentlichung eines Bildes nur zulässig ist, wenn es aus dem Bereich der Zeitgeschichte stammt und eine Abwägung im Rahmen von Art. 2 und Art. 5 Grundgesetz ergebe, dass berechtigte Interessen des Betroffenen dem nicht entgegenstehen. Die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) ist in solchen Fällen in der Regel nicht einschlägig, weil die Länder weitgehend von einer Öffnungsklausel Gebrauch gemacht haben, dass die journalistische Berichterstattung nicht in den Anwendungsbereich der DSGVO fällt.
Der BGH kommt hier allerdings zu keiner Interessenabwägung, denn bei den Bildern handelt es sich schon um keine Fotos aus dem "Bereich der Zeitgeschichte". Zwar hätten die Medien einen großen Entscheidungsspielraum darüber, welche Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse sind. Aber: "Nicht alles, wofür sich die Menschen aus Langeweile, Neugier und Sensationslust interessieren, rechtfertigt dessen visuelle Darstellung in der breiten Medienöffentlichkeit", schreiben die Bundesrichter. Wo konkret die Grenze für das berechtigte Informationsinteresse zu ziehen sei, dafür bedürfe es bei der Frage, ob es sich um ein Ereignis der Zeitgeschichte handelt, wiederum einer Interessenabwägung.
Im Rahmen dieser Abwägung stellt der Senat zunächst klar, dass die Bilder Engelkes mit ihrem Ex-Mann nicht durch die Ausnutzung von Heimlichkeit oder einer beharrlichen Nachstellung entstanden seien. Jedoch sei auch ihre Aussagekraft relativ gering und sie seien der Privatsphäre zuzuordnen. "Die Privatheit ergibt sich aus der Darstellung der Klägerin in der besonderen Situation der dem Familienbereich zuzurechnenden Konfrontation mit ihrem früheren Partner in unmittelbarem situativen Kontakt mit dem nicht öffentlichen Verhandlungstermin im Scheidungsverfahren", so der BGH. Ohne Einwilligung Engelkes sei die Verwendung der entstandenen Bilder unzulässig.
Zulässige Wortberichterstattung
Anders sieht dies der Senat bei dem Artikel aus dem Januar 2018. Wort- und Bildberichterstattung seien voneinander zu trennen. Zwar betreffe das Scheidungsverfahren die Privatsphäre. Aber der Beitrag greife nicht unzulässig in die Privatsphäre ein. Schließlich werde über einen tatsächlich durchgeführten Termin beim Amtsgericht berichtet. Eine Herabsetzung oder Ehrverletzung sei damit nicht verbunden, zumal die Berichterstattung auch erst nach dem Termin erfolgte. Auch die Mitteilung des Aktenzeichens habe für die Klägerin keine belastende Wirkung. Daher sei die Wortberichterstattung zulässig gewesen.
Neu ist an der Entscheidung des BGH die erstmals sehr umfangreiche Prüfung des Begriffes der "Zeitgeschichte", der durch eine Interessenabwägung auszulegen ist und nicht allgemein bestimmt werden kann. Hier berücksichtigt der BGH nunmehr stärker die Rechte des Betroffenen. Offen bleibt beim BGH aber, wie er entschieden hätte, wenn der zulässige Artikel mit einem "neutralen" Bild der Comedian Engelke versehen gewesen wäre, dass nicht in der konkreten Situation vor dem Amtsgericht entstanden ist. Dann hätte sich der BGH mit seiner Abwägung deutlich schwerer getan.
Wie künftig die Medien diese neue Sicht der BGH umsetzen werden, dürfte mit Interesse zu beobachten sein. Der Springer-Verlag schafft es durch seine juristisch gut geführten Verfahren immer wieder, dass sich der BGH immer noch ein bisschen präziser auf die Abwägung der verschiedenen Belange abstellt. Insgesamt bleibt der IV. Zivilsenat aber bei seiner liberalen Linie zugunsten der Medien. Insbesondere, was die Wortberichterstattung betrifft.
Der Autor ist Rechtsanwalt in der Kanzlei LLR in Köln und Geschäftsführer der Rechtsanwaltskammer Köln.
BGH zur Bildberichterstattung über Prominente: . In: Legal Tribune Online, 28.09.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/42936 (abgerufen am: 02.11.2024 )
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