Der Komiker Oliver Pocher wurde Opfer von so genanntem "Happy Slapping". Was sich hinter dem Begriff verbirgt und ob es für diese Taten höherer Strafen bedarf, erklären Mirko Laudon und Benedikt Mick.
Upskirting, Lovescamming, Cybermobbing, Steahlting - die Liste der wohlklingenden Anglizismen, die ein strafrechtlich relevantes Verhalten umschreiben wollen, wird von Jahr zu Jahr länger. Ganz aktuell hat es das Happy Slapping ("Fröhliches Schlagen") in die illustre Runde geschafft.
Ganz neu ist das damit umschriebene Internet-Phänomen nicht. Im Jahr 2004 begann der Trend in England, indem meist jugendliche Gruppen in Überzahl wahllos Passanten angreifen und diese Gewalttaten mit dem Handy filmen, um sie sodann in den sozialen Medien zu verbreiten. Happy Slapping beschreibt also zusammengefasst den grundlosen Angriff auf meist unbekannte Personen, der gefilmt und sodann verbreitet wird.
Zwei aktuelle Vorfälle haben der Thematik in Deutschland neue mediale Aufmerksamkeit beschert: Der Schauspieler Will Smith ohrfeigt den Gastgeber der Oscar-Verleihung Chris Rock nach einem (schlechten) Witz über seine Frau auf offener Bühne und der Möchtegern-Rapper Omar ohrfeigt den Comedian Oliver Pocher auf einer Sportveranstaltung und lässt dies filmen, um es anschließend im World Wide Web als vermeintliche Heldentat zu verbreiten.
Forderungen nach härteren Strafen
Während man das erste Ereignis aufgrund der offensichtlichen Spontanität des Übergriffs eher nicht unter den Begriff des Happy Slappings wird subsumieren können, dürfte der geplante und entsprechend dokumentierte Angriff auf Oliver Pocher tatsächlich ein passendes Beispiel für das sein, was mit Happy Slapping umschrieben wird, auch wenn der Aktion selbst freilich nichts Fröhliches innewohnt. Vielmehr handelt es sich um eine irritierende Form der Gewaltausübung und besonderen Bloßstellung des Geschädigten.
Einher geht nun die Berichterstattung über diesen Vorfall - wie so oft - mit der reflexartigen Forderung nach härteren Strafen, da angeblich eine Strafbarkeitslücke bestehe. Ein Rechtsanwalt forderte via Bild-Zeitung sogar die Schaffung eines "Happy-Slapping-Paragraphen“ und "Knast" für den Angreifer. Verbunden wird diese Berichterstattung mit der ebenfalls nicht neuen Kritik an Rechtsstaat und angeblich fehlenden Härte - ganz so, als sei das Happy Slapping aktuell erlaubt und könnte nicht bestraft werden. Das ist so nicht richtig.
Ohrfeige ist Gewaltanwendung
Zunächst wird die dem Happy Slapping zugrundeliegende Gewaltanwendung, oftmals eine Ohrfeige, eine körperliche Misshandlung im Sinne des § 223 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB) darstellen und kann daher als Körperverletzung bestraft werden. Auch kommt eine Strafbarkeit wegen Beleidigung mittels einer Tätlichkeit im Sinne des Qualifikationstatbestands des § 185 StGB in Betracht. An eine Strafbarkeit gemäß § 201a Abs. 1 StGB wegen der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs und von Persönlichkeitsrechten durch Bildaufnahmen ist ebenso zu denken wie an einen Verstoß gegen § 33 Kunsturhebergesetz (KUG), wonach die Zurschaustellung eines Bildnisses einer Person ohne deren Einwilligung unter Strafe steht.
§ 131 StGB, die Gewaltdarstellung, enthält ein Herstellungs- und Verbreitungsverbot für gewaltdarstellende Schriften, wobei der bloße Eigenbesitz solcher Schriften von dem Regelungsbereich der Norm nicht erfasst sein soll. Tatbestandliche Voraussetzung ist demnach die Darstellung einer Gewalttätigkeit, womit die Entfaltung physischer Kraft unmittelbar gegen eine Person als Ausdruck eines aggressiven Tuns gemeint ist. Hier könnte man meinen, die in jeder Hinsicht passende Norm für die Bestrafung von Happy Slapping sei gefunden, allerdings müsste mindestens eine weiteres tatbestandsimmanentes Merkmal hinzutreten.
Die grausame Gewalttätigkeit im Sinne der ersten Variante beinhaltet eine individuelle Tatfrage im Bereich der Erheblichkeit und wird bei Schlägen und Tritten gegen eine Person regelmäßig nicht erfüllt sein. Auch die zweite Variante der Unmenschlichkeit enthält in der einschlägigen Kommentierung Fallbeispiele - etwa das scheinbare Erschießen eines Anderen, nur weil es "Spaß" macht -, die weit über das Happy Slapping hinausgehen. Auch die Verherrlichung der Gewalttätigkeit wird dem Happy Slapping regelmäßig nicht immanent sein.
Gewöhnung an die Gewaltdarstellung
Bei der Variante der Verharmlosung hatte der Gesetzgeber das Risiko vor Augen, der meist junge Rezipient könne sich an solche Darstellungen gewöhnen, in der Folge die persönliche Einstellung gegenüber der Gewalttätigkeit verändern und sich damit die Bereitschaft, ebenso zu verfahren, erhöhen. Tatsächlich dürften es diese Erwägungen sein, die in der aktuellen Debatte rund um das Happy Slapping ein besonderes Unwohlsein hervorrufen. Gleichzeitig wird ein gesicherter Nachweis dieses Tatbestandsmerkmal wohl nur bei einer entsprechend kommentierten, verharmlosenden Weitergabe von Inhalten möglich sein.
Interessant ist die Variante der Verletzung der Menschenwürde durch die Darstellung, denn mit ihr kann nicht die Gewalttätigkeit selbst gemeint sein, weil damit gleichzeitig der Anwendungsrahmen der Norm zu weit geriete. Die Verletzung der Menschenwürde wird vielmehr in der Darstellungsform selbst zu suchen sein; der Gewaltdarstellung müsste also ein besonderer Selbstzweck anhaften, der das Zufügen der Gewalt zum isolierten und wesentlichen Merkmal der dargestellten Personen macht. Das Happy Slapping wird man unter diese Variante subsumieren können, denn die Darstellung der Gewalt wird bei dieser Begehungsform einer Körperverletzung regelmäßig das beherrschende, wenn nicht sogar alleinige Motiv des Täters sein.
Keine Gesetzesänderung erforderlich
Zwar stellt das Happy Slapping definitiv kein Kapitalverbrechen dar, wie der Betroffene Oliver Pocher in einem seiner Statements irrigerweise annahm, sondern wird im Zweifel nur auf Antrag verfolgt. Dennoch kann es unter verschiedenen Gesichtspunkten selbstverständlich schon heute - je nachdem, wie der Einzelfall gelagert ist - durchaus schwer bestraft werden. Einer wie auch immer gearteten Verschärfung oder gar Ergänzung unseres diesbezüglichen Strafrechtskatalogs bedarf es jedenfalls nicht.
Auch wird es sich beim Happy Slapping nicht um eine Kategorie strafrechtlichen Verhaltens handeln, welcher zwingend mit der Festlegung von einheitlichen Standards zu begegnen wäre. Es dürfte auch das falsche Signal sein, wenn der Gesetzgeber auf jeden noch so unschönen Trend mit neuen oder härteren Strafen reagiert. Es ist das alte Lied der Prävention - hier insbesondere in Form von medialer Früherziehung und der Sensibilisierung für die Persönlichkeitsrechte anderer -, das einen hoffen lässt, dass das zeitgeistliche Phänomen des Happy Slappings schnell wieder verschwindet - ganz ohne neuen Straftatbestand und kategorischem "Knast".
Die Autoren Mirko Laudon LL.M. und Dr. Benedikt Mick sind Rechtanwälte bei der Kanzlei Laudon Schneider in Hamburg und Berlin.
Ohrfeige für Oliver Pocher: . In: Legal Tribune Online, 12.04.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/48124 (abgerufen am: 21.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag