Juristinnenbund übt Kritik: "Keine Parität im Kabi­nett von Olaf Scholz"

von Hasso Suliak

06.12.2021

Seit Montag steht fest, wer die Ressorts in der künftigen Ampel-Regierung leiten wird. Unter den künftigen Minister:innen finden sich zwei Juristinnen und drei* Juristen – auch insgesamt hat das neue Kabinett mehr Männer als Frauen.

Enttäuscht hat der Deutsche Juristinnenbund darauf reagiert, dass auch am Kabinettstisch des designierten Bundeskanzlers und gelernten Rechtsanwalts, Olaf Scholz (SPD), am Ende mehr Männer als Frauen sitzen werden. "Die von Olaf Scholz angekündigte Parität im Kabinett wurde leider nicht erreicht. Leider sahen sich nicht alle Koalitionspartner sich diesem Ziel gleichermaßen verpflichtet. Das ist enttäuschend im Jahr 2021", sagte djb-Präsidentin Prof.Wersig zu LTO.

Scholz hatte am Montag vier Bundesministerinnen und drei Bundesminister aus der SPD für sein Kabinett benannt. Insgesamt gehören dem Kabinett dann mit Scholz als Regierungschef neun Männer und acht Frauen an. Die Kritik des djb richtet sich daher in erster Linie an die FDP: Sie hat drei Männer und eine Frau für die Regierung nominiert, die Grünen drei Frauen und zwei Männer. 

Während Scholz bei der Vorstellung der neuen SPD-Minister:innen betonte, es entspreche "der Gesellschaft, in der wir leben", dass die Frauen die Hälfte der Macht bekämen und er "sehr stolz" darauf sei, das zu realisieren, freute sich djb-Präsidentin Wersig trotz des Männerüberschusses* vor allem aber darüber, dass mit Nancy Faeser (51) erstmals eine Frau das Bundesinnenministerium und damit das Verfassungsressort übernimmt.

Hessische Rechtsanwältin neue Chefin des BMI

Die hessische Rechtsanwältin gilt als fleißige und umgängliche Politikerin. Dem Vernehmen nach wird die SPD-Juristin auch von Politiker:innen anderer Parteien als sachkundige und faire Ansprechpartnerin geschätzt. 2019 wurde sie bereits einmal als Nachfolgerin der damaligen Bundesjustizministerin Katarina Barley gehandelt.

Scholz wies am Montag darauf hin, dass Faeser zwölf Jahre innenpolitische Sprecherin der hessischen Landtagsfraktion war und der Bereich auch seither ihr Fachgebiet geblieben sei. Faeser kündigte an: "Ein besonderes Anliegen wird mir sein, die größte Bedrohung, die derzeit unsere freiheitlich demokratische Grundordnung hat, den Rechtsextremismus, zu bekämpfen." Die Menschen hätten zu Recht den Anspruch, dass die Bundesregierung für ihre Sicherheit sorge, fügte sie hinzu. Dafür brauche es gut ausgebildetes, gut ausgestattetes Personal, insbesondere bei der Bundespolizei.

Lambrecht bleibt Ministerin – diesmal für Verteidigung

Für manche überraschend setzt auch die bisherige Justiz- und zuletzt sogar zusätzliche Familienministerin, Christine Lambrecht, ihr politisches Wirken als Ministerin fort. Die 56-jährige Rechtsanwältin wird künftig das Verteidigungsressort leiten: Am Montag machte sie bereits erste inhaltliche Ankündigungen, indem sie sich für eine Überprüfung von Bundeswehreinsätzen im Ausland aussprach. Diese müssten ständig evaluiert werden und es müsse einen Plan für die Beendigung ("Exit-Strategie") geben, forderte sie. "Wir haben gesehen beim Afghanistan-Einsatz, wie wichtig das ist", sagte Lambrecht, die von Olaf Scholz für das Amt vorgeschlagen wurde.

Lambrecht, die im BMVg auf Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) folgt, sagte: "Für viele wird die Nominierung als Verteidigungsministerin eine Überraschung sein." Sie selbst sehe darin einen großen Vertrauensbeweis und eine Herausforderung.

FDP-Terror-Experte künftig rechte Hand des Bundesjustizministers

Lange spekuliert wurde auch, wen der designierte Bundesjustizminister als Parlamentarischen Staatssekretär mit ins neue Amt in die Berliner Mohrenstraße nimmt: In der "rechtspolitischen Szene" Berlins hatten hier einige mit dem bisherigen innenpolitischen Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Konstantin Kuhle, gerechnet.

Am Freitag gab es aber auch hier eine Überraschung: Neuer Staatssekretär im BMJ (ehemals BMJV) wird der bisherige Terror-Experte der FDP, Benjamin Strasser. Der 34-jährige Rechtsanwalt aus Ravensburg ist seit 2017 im Deutschen Bundestag. Er wird anders als in der vergangenen Wahlperiode einziger "Parlamentarischer" im Ministerium sein, da im neuen Ressortzuschnitt künftig der Verbraucherbereich (und damit ein weiterer Staatssekretärsposten) wegfällt. Strasser kündigte gegenüber LTO an, künftig für "mehr Respekt für Bürgerrechte und den Schutz unseres Rechtsstaats" zu sorgen. Es werde höchste Zeit, "dass wir eine Überwachungsgesamtrechnung auf den Weg bringen", so Strasser.

Da laut Grundgesetz die Bundesregierung aus dem Bundeskanzler und den Bundesminister:innen besteht, Staatsminister:innen und Staatssekretär:innen nicht zu den Regierungsmitgliedern zählen, finden sich im künftigen Ampel-Kabinett also neben Olaf Scholz vier weitere Jurist:innen in den Fachressorts: Nancy Faeser (Innen) und Christine Lambrecht (Verteidigung) für die SPD, sowie Marco Buschmann (Justiz) und Volker Wissing als neuer Verkehrsminister für die FDP.

Jurist mit Liebe zum Punk wird neuer Chef im Kanzleramt

Ein weiterer, überaus einflussreicher Jurist wird künftig ebenfalls mit am Kabinettstisch sitzen. Neuer Kanzleramtsminister und damit rechte Hand von Olaf Scholz wird dessen langjähriger Intimus, Wolfgang Schmidt. Der 51-jährige Volljurist und gebürtige Hamburger war zuletzt Staatssekretär unter Scholz im Bundesfinanzministerium (BMF). Außerhalb des Politikbetriebes hatte Schmidt Bekanntheit erlangt, als er im September im Zusammenhang mit einer Razzia im BMF einen gerichtlichen Durchsuchungsbeschluss in Auszügen auf Twitter veröffentlicht hatte.

Als künftiger Chef des Bundeskanzleramtes unterstehen Schmidt rund 600 Mitarbeiter:innen und er verfügt künftig über einen Etat von 3,65 Milliarden Euro.

Inzwischen sind die Tweets von Schmidt politisch und juristisch unverfänglicher: Zuletzt twitterte er z.B. die Botschaft von Wolfgang "Wölfi" Wendland, dem Sänger der Punk-Band "Die Kassierer": "Punks not dead – weil geimpft."

*präzisiert am Tag des Erscheinens um 14.47 Uhr

Mit Material von dpa

Zitiervorschlag

Juristinnenbund übt Kritik: . In: Legal Tribune Online, 06.12.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/46849 (abgerufen am: 22.11.2024 )

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