Unwirksame Tarifverträge und Lohnuntergrenzen: Die Zeitarbeit wird zunehmend unattraktiv. Ein neuer Weg, Kosten zu senken, sind die so genannten Werkverträge, bei denen Serviceunternehmen die bisher von eigenen Arbeitnehmern erbrachten Leistungen übernehmen. Das Lohnniveau gerade für geringqualifizierte Tätigkeiten werden auch sie weiter senken, prognostiziert Arnd Diringer.
Do what you do best and outsource the rest. Unter diesem Motto wurden zu Beginn der neunziger Jahre viele Unternehmen umstrukturiert. Tätigkeiten, die nicht unmittelbar zum Kerngeschäft gehören, werden seitdem nicht mehr von eigenen Mitarbeitern, sondern durch externe Dienstleister erbracht. Diese können ihre Leistungen oftmals sehr kostengünstig anbieten, da sie anderen Tarifverträgen unterliegen oder überhaupt nicht tarifgebunden sind.
Seit Ende 2002 gewann dann die Leiharbeit durch das als Hartz I bezeichnete Erste Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt zunehmend an Bedeutung. Auch zu ihrem Erfolg haben vor allem die geringeren Personalkosten maßgeblich beigetragen.
Zwar ist der Verleiher nach dem equal treatment Prinzip (§ 9 Nr. 2 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, AÜG) grundsätzlich verpflichtet, dem Leiharbeitnehmer die gleichen wesentlichen Arbeitsbedingungen zu gewähren, wie sie für vergleichbare Arbeitnehmer im Betrieb des Entleihers gelten. Dieses Prinzip, das auch für das Arbeitsentgelt gilt, kann aber durch Tarifvertrag abbedungen werden. Von dieser Möglichkeit hat mittlerweile fast die gesamte Zeitarbeitsbranche Gebrauch gemacht.
Leiharbeit wird zum Auslaufmodell
In der jüngeren Vergangenheit führten jedoch verschiedene Ereignisse dazu, dass der Boom der Leiharbeit gebremst wurde. Mit Entscheidung des BAG vom 14.12.2010 (1 ABR 19/10) sprachen die obersten Arbeitsrichter der Christlichen Gewerkschaft Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) die Tariffähigkeit ab. Damit sind die von ihr geschlossenen Tarifverträge unwirksam, die betroffenen Leiharbeitnehmer können rückwirkend eine Entlohnung nach dem equal treatment-Prinzip verlangen. Andere Tarifverträge sehen zumeist bessere Arbeitsbedingungen vor als die der CGZP, verringern also den Kostenvorteil der Leiharbeit.
Auch die Neuregelungen im AÜG werden dazu führen, dass die Arbeitnehmerüberlassung an Bedeutung verliert. Dazu wird vor allem die in § 3a AÜG geschaffene Möglichkeit beitragen, Lohnuntergrenzen einzuführen.
Schließlich ist es Gewerkschaften und einzelnen Betriebsräten gelungen, für bestimmte Branchen oder Unternehmen Quotenregelungen durchzusetzen, die den Einsatz von Leiharbeitnehmern quantitativ begrenzen.
Vom Outsourcing zum Werkvertrag
Es ist also nicht verwunderlich, dass Unternehmen mittlerweile neue Wege gehen. Dazu gehört auch der Einsatz von Servicedienstleistern, die auf der Basis von Werkverträgen Aufgaben erfüllen, die bislang von eigenen Mitarbeitern der Unternehmen wahrgenommen wurden.
Letztlich handelt es dabei um eine Fortentwicklung der in den neunziger Jahren begonnenen Outsourcing Konzepte. Der einzige Unterschied besteht darin, dass nunmehr auch das "what you do best", also Kernbereiche der unternehmerischen Tätigkeit teilweise auf Drittanbieter übertragen werden.
Juristisch sind solche Konzepte unproblematisch. Die Rechtsbeziehungen zwischen den handelnden Unternehmen bestimmen sich nach den §§ 631ff BGB. Die Firmen haben einen erheblichen Gestaltungsspielraum, da die Regelungen des Werkvertragsrechts fast durchgängig abbedungen werden können. Die Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer richten sich ausschließlich nach den Konditionen des Serviceunternehmens. Eine Pflicht zum equal treatment besteht nicht und auch die übrigen gesetzlichen Regelungen zur Leiharbeit finden keine Anwendung. Gleichwohl bleiben Risiken.
Die Gefahren: Wenn Unternehmen falsch outsourcen
Zum einen müssen Arbeitgeber darauf achten, dass sie bei der Übertragung der Funktionen auf einen Dritten keinen Betriebsübergang nach § 613a BGB auslösen. Diese Gefahr besteht insbesondere, wenn das Serviceunternehmen Betriebsmittel oder Personal übernimmt.
Die Konsequenz wäre, dass alle betroffenen Arbeitsverhältnisse auf den Dienstleister übergehen und wesentliche Arbeitsbedingungen, insbesondere die arbeitsvertraglichen Regelungen, bei ihm unverändert fortgelten.
Außerdem muss das Serviceunternehmen tatsächlich Werkleistungen erbringen und nicht lediglich Personaldienstleistungen. Stellt ein Serviceunternehmen auf der Grundlage eines vermeintlichen Werkvertrags nur Arbeitskräfte zur Verfügung, ohne über die nach § 1 AÜG erforderliche Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung zu verfügen, sind die zwischen ihm und den Arbeitnehmern geschlossenen Verträge unwirksam. Zugleich entsteht ein Arbeitsverhältnis zwischen den Arbeitnehmern und dem Unternehmen, bei dem sie eingesetzt sind.
Hat das Serviceunternehmen reine Personaldienstleistungen unter dem Deckmantel eines Werkvertrags erbracht und hat es die nach § 1 AÜG notwendige Erlaubnis, greift das equal treatment Prinzip. Denn bei solchen Scheinwerkverträgen handelt es sich ja um nichts anderes als Arbeitnehmerüberlassung.
Eine Wunderwaffe auf Kosten der Arbeitnehmer
Wenden Unternehmen Werkvertragskonzepte aber juristisch fundiert an, können sie geradezu wie eine Wunderwaffe wirken. Durch sie werden die gleichen Vorteile erreicht wie durch die Zeitarbeit, ohne dass die Outsourcing-Konzepte aber deren strenger Reglementierung unterliegen. Anders als beim Einsatz von Leiharbeitnehmern müssen Unternehmen auch keine Imageverluste befürchten, da Werkverträge bislang nicht im Focus der öffentlichen Kritik stehen.
Für Arbeitnehmer sind diese Konzepte dagegen nachteilhaft. Servicedienstleister können nur dann am Markt bestehen, wenn sie die Leistungen billiger erbringen können als die Unternehmen selbst. Dies kann nur durch eine geringere Vergütung erreicht werden und lässt sich vor allem in den Bereichen umsetzen, in denen das Angebot an Arbeitskräften den Bedarf erheblich übersteigt: Bei nicht- und geringqualifizierten Arbeitnehmern.
Vor diesem Hintergrund hat der gewerkschaftsnahe Jurist Prof. Däubler in einem für die Partei DIE LINKE erstellten Gutachten ein "Gesetz zur Beschränkung von Fremdfirmenarbeit" vorgeschlagen. Ob dieser Vorschlag umsetzbar ist, ist allerdings zweifelhaft. Selbst wenn ein solches Gesetz käme und tatsächlich die erwünschten Verbesserungen brächte, wäre damit jedoch kaum etwas gewonnen. Denn in einer Feststellung ist Däubler uneingeschränkt zuzustimmen: "Wird auf einem Sektor (…) eine gewisse soziale Verbesserung erreicht, weichen die betroffenen Unternehmer auf andere Mittel (…) aus."
Der Autor Prof. Dr. Arnd Diringer lehrt an der Hochschule Ludwigsburg und leitet dort die Forschungsstelle für Personal und Arbeitsrecht.
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Arnd Diringer, Alternativen zur Zeitarbeit: . In: Legal Tribune Online, 05.09.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/4203 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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