Finanzierung parteinaher Stiftungen: Gesetz soll Steu­er­geld für AfD-Stif­tung ver­hin­dern

von Hasso Suliak

27.04.2021

Ab der nächsten Wahlperiode könnten der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung erstmals Bundesmittel zustehen, verhindern könnte das wohl nur eine entsprechende Gesetzesinitiative. Verfassungsrechtler halten diese für zulässig.

Erhält in Deutschland nach der nächsten Bundestagswahl mit der Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES) eine Einrichtung Millionen an Steuergeldern, obwohl die ihr nahestehende Partei möglicherweise bald vom Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingeordnet werden könnte?

Für ihre politische Bildungsarbeit erhalten die den Parteien CDU, CSU, SPD, FDP, Grüne und Linke nahestehenden aber von ihnen eigentlich unabhängigen Stiftungen seit Jahren üppige finanzielle Unterstützung vom Bund (etwa 581 Millionen Euro im Jahr 2017). Das Geld soll es ihnen ermöglichen, Aufgaben der politischen Bildung und der Politikberatung wahrzunehmen - ohne die Millionen des Steuerzahlers ein für sie kaum zu bewältigender Auftrag.

Doch anders als bei den deutlich geringer ausfallenden Beträgen, die den Parteien auf Grundlage des Parteiengesetzes zufließen, fehlt es bei den Zuwendungen für die parteinahen Stiftungen an einer echten gesetzlichen Grundlage. Die Entscheidung, ob und in welcher Höhe die politischen Stiftungen sogenannte Globalzuschüsse erhalten, erfolgt seit 1967 stets im parlamentarischen Verfahren der Haushaltsaufstellung allein durch den Haushaltsgesetzgeber. Weitere Einzelheiten sind zudem in einer Erklärung festgehalten, auf die sich die Parteien später selbst verständigt haben.

Auch wenn diese Praxis vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) grundsätzlich gebilligt wurde (Urt. v. 14.07.1986, 2 BvE 5/83): Parteien- und Verfassungsrechtler kritisieren schön länger, dass es für derart hohe staatliche Mittelzuwendungen, denen auch immer ein bisschen der Verdacht der verdeckten Parteienfinanzierung anhaftet, kein materielles Gesetz gibt.

Bundesregierung: "Bislang noch keine Zuwendungen für AfD-Stiftung"

Der Ruf nach einer gesetzlichen Grundlage wird nun umso lauter, je näher eine mögliche staatliche Unterstützung für die Desiderius-Erasmus-Stiftung rückt, die seit 2018 von der AfD als "ihre" parteinahe Stiftung anerkannt ist.

Wie die Bundesregierung erst kürzlich in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen bestätigte, erhielt die DES bislang noch keinerlei Zuwendungen aus Bundesmitteln. Um dies zu ändern, hatte die AfD in Karlsruhe eine Organklage angestrengt, scheiterte damit jedoch zunächst in einem Eilverfahren im Juli 2020. Unmittelbar nach dieser juristischen Niederlage, beantragte die DES im August beim Haushaltsausschuss des Bundestages einen Antrag auf Bewilligung eines Zuschusses "für gesellschaftspolitische und demokratische Bildungsarbeit" in Höhe von 900.000 Euro für das Haushaltsjahr 2021. Über diesen Antrag, der LTO vorliegt, ist dem Vernehmen nach bis heute noch nicht entschieden worden.

Dass der DES trotz der von ihr immer wieder an den Haushaltsausschuss gerichteten Anträge bislang staatliche Mittel verwehrt blieben, hat mit den konkreten Voraussetzungen zu tun, aufgrund derer die parteinahen Stiftungen ihre Gelder derzeit erhalten. Maßgeblich ist nach der Rechtsprechung des BVerfG, dass eine förderungsfähige Stiftung eine "dauerhafte, ins Gewicht fallende politische Grundströmung" repräsentiert. In der Staatspraxis wird dies in der Regel so interpretiert, dass eine Stiftung dann in den Genuss der Finanzierung durch den Bund kommt, wenn die nahestehende Partei zweimal in Folge bei Bundestagswahlen die Fünf-Prozent-Hürde überwunden hat und mit Fraktionsstärke in den Bundestag eingezogen ist.

So erhielt etwa die Rosa-Luxemburg-Stiftung nach neun Jahren parlamentarischer Präsenz der SED-Nachfolgeorganisation PDS bzw. Die Linke erstmals 1999 institutionelle Förderung aus dem Bundeshaushalt. Glaubt man nunmehr den aktuellen Umfragen, nach denen der erneute Einzug der AfD in den nächsten Bundestag als sicher gilt, könnte der Erasmus-Stiftung in der nächsten Wahlperiode endlich der erhoffte Millionensegen blühen. Die Vorsitzende der DES, Erika Steinbach, geht davon jedenfalls fest aus, wie sie gegenüber LTO bestätigte.

Initiative will "Wehrhafte-Demokratie-Gesetz"

Verhindern will das nun die Initiative für ein "Wehrhafte-Demokratie-Gesetz", das vor wenigen Tagen von der Bildungsstätte Anne Frank vorgestellt wurde. Bei dem Vorschlag, der vom ehemaligen Bundestagsabgeordneten und früheren Rechtspolitiker der Grünen, Volker Beck, ausgearbeitet wurde, geht es nicht nur darum, die staatliche Finanzierung der Stiftungen nach den bisherigen Kriterien auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen. Gefordert wird vielmehr auch eine Art "Demokratie-TÜV", den jede Stiftung zu durchlaufen hat.

Danach soll die staatliche Finanzierung dann unterbleiben, wenn eine Prüfung durch das Bundesveraltungsamt ergeben hat, dass sich die Stiftung nicht aktiv für die freiheitlich-demokratische Grundordnung einsetzt. Verhindert werden soll so die Finanzierung verfassungsphober und anti-demokratischer Stiftungen: "Ziel ist es, die millionenschwere Förderung der AfD-nahen Desiderius Erasmus-Stiftung aus Steuermitteln nach der Wahl zu verhindern", sagen die Initiatoren. Schließlich sei die Förderung der politischen Stiftungen als Erfüllung des Verfassungsauftrages, politische Bildung zu fördern, zu verstehen. "Es wäre geradezu widersinnig, würden Mittel für die politische Bildung auch an verfassungsphobe Stiftungen gehen, die die freiheitlich-demokratische Grundordnung nicht aktiv unterstützen oder gar gegen ihre Akzeptanz arbeiten und sie ganz oder teilweise ablehnen", heißt es in dem 58 Seiten umfassenden Eckpunktepapier der Bildungsstätte.

Dabei ist den Verfassern wichtig klarzustellen, dass die Förderfähigkeit einer politischen Stiftung nichts damit zu tun hat, ob die an sie angedockte Partei verfassungswidrig ist oder nicht. Der Ausschluss einer politischen Stiftung "einer verfassungsphoben politischen Grundströmung" aus der staatlichen Finanzierung ist ihrer Auffassung nach auch dann zulässig, wenn die ihr nahestehende Partei weder als verfassungswidrig nach Art. 21 Abs. 2 GG gilt noch nach Art. 21 Abs. 3 GG von der staatlichen Parteienfinanzierung ausgeschlossen wurde.

Der Staat, so Autor Volker Beck gegenüber LTO, müsse seine Feinde nichtfinanzieren. Der Direktor der Anne-Frank-Bildungsstätte Dr. Meron Mendel sagt, die DES agiere "mitten im rechts-braunen Geflecht der Neuen Rechten". In der Führungsriege gäben sich ranghohe Vertreter des rechtsextremen ‘”Instituts für Staatspolitik” des Verlegers Götz Kubitscheck, “Rassentheoretiker, Homo-Feinde und Verschwörungstheoretiker die Klinke in die Hand”, so Mendel.

DES unter "prägendem Einfluss verfassungsfeindlich agierender Personen"?

Bei den von LTO angefragten Staatsrechtlern stößt der Gesetzesvorschlag der Bildungsstätte überwiegend auf Zustimmung, so etwa beim Bielefelder Verfassungsrechtler Prof. Dr. Christoph Gusy: Die Initiative, so Gusy, nehme eine Anregung des BVerfG auf, wonach der Umgang mit verfassungswidrigen Parteien nicht mehr ausschließlich von einem Verbotsurteil abhängig gemacht werden müsse. Ein solches Gesetz wäre "ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung", sagt er.

Den Ansatz, die Förderfähigkeit politischer Stiftungen an die Verfassungstreue zu koppeln, teilt jedenfalls im Grundsatz auch der Bonner Staatsrechtler Prof. Dr. Klaus Ferdinand Gärditz: "Soll politische Bildung gefördert werden, ist es ein hinreichender Differenzierungsgrund, staatliche Fördermittel an die Verfassungstreue zu binden bzw. strukturelle Verfassungsfeindlichkeit oder Distanz zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu Ausschusskriterien von der Förderung zu machen", erklärte er auf Nachfrage von LTO.

Allerdings sieht Gärditz bei dem Vorschlag auch Probleme: "Da die Stiftungen eben nicht Teil einer Partei sind, der sie nahestehen, sondern selbstständig handeln, kann man verfassungsfeindliches Verhalten von Parteifunktionären nicht ohne weiteres auch der Stiftung zurechnen. Es wäre also der Nachweis notwendig, dass sich eine Stiftung entweder durch einen prägenden Einfluss von aktiv verfassungsfeindlich agierenden Personen oder durch die ideologische Bekräftigung verfassungsfeindlicher Positionen einer nahestehenden Partei oder durch eine eigene verfassungsfeindliche Agenda 'förderunwürdig' macht."

Verfassungsrechtler: "Gesetz überfällig"

Der Münchner Staatsrechtler Prof. Dr. Alexander Thiele begrüßte gegenüber LTO ebenfalls den Anstoß der Anne-Frank-Bildungsstätte: Dass die Finanzierung der parteinahen Stiftungen einer gesetzlichen Regelung zugeführt werde, sei schon lange überfällig, so Thiele. "Der bisherige Zustand ist verfassungsrechtlich bedenklich, wenn nicht gar verfassungswidrig", sagt er. Auch dem "Demokratie-TÜV" ist Thiele nicht abgeneigt: "In materieller Hinsicht dürfte es prinzipiell möglich sein, Stiftungen die Förderung zu entziehen, wenn sie sich gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung richten."

Der Greifswalder Staatsrechtler Prof. Dr. Claus Dieter Classen wies gegenüber LTO darauf hin, dass der Erasmus-Stiftung dann aber "hinreichend" nachgewiesen werden müsse, dass diese keine aus Demokratiegesichtspunkten heraus förderwürdige Bildungsarbeit betreibe. "Der bloße Hinweis, dass die Stiftung der AfD 'ideell nahe steht', wie es auf der Website der DES steht, reicht dafür allerdings auch in Verbindung mit Erkenntnissen des Verfassungsschutzes wohl nicht aus", so der Rechtsprofessor. Erforderlich seien vielmehr entsprechende Erkenntnisse, die die Stiftung selbst betreffen.

Zustimmung für den Gesetzesvorschlag kommt schließlich auch vom Göttinger Staats- und Kirchenrechtler Prof. Hans Michael Heinig: Es sei überzeugend, die staatliche Förderung politischer Stiftungen in die Grenzziehung einzubeziehen, die die wehrhafte Demokratie auszeichne: "Stiftungen, die die liberaldemokratische Verfassungsordnung, die freiheitlich-demokratische Grundordnung, nicht aktiv mittragen und unterstützen, sollten staatlicherseits nicht gefördert werden." Denn sie könnten den wesentlichen staatlichen Förderzweck, Mitwirkung an der Akzeptanzschaffung für diese Ordnung, gar nicht erreichen.

AfD: "Abschaffung der Förderung für alle Stiftungen"

Ob die Politik den Vorschlag so bald aufgreifen wird, ist offen. Gut möglich, dass sogar das BVerfG in diesem Jahr noch im Rahmen des von der AfD angestrengten Organklage-Hauptverfahrens den Gesetzgeber zur Schaffung eines Stiftungsgesetzes ermahnt.

Ohne diesen Wink aus Karlsruhe dürften jedenfalls CDU/CSU kaum zu einem Gesetz zu bewegen sein: Unions-Fraktionsvize Thorsten Frei äußerte gegenüber LTO per se Zweifel, ob die Finanzierung parteinaher Stiftungen überhaupt einer gesetzlichen Grundlage bedürfe: "Die Frage, ob, in welchem Umfang und wen der Staat fördert, bedarf nicht zwingend einer spezialgesetzlichen Regelung." Außerdem, so Frei, gebe es verfassungsrechtliche Bedenken, ob der Bund für ein solches Gesetz überhaupt zuständig sei.

AfD-Rechtspolitiker Stephan Brandner verwies unterdessen auf einen Gesetzentwurf seiner Fraktion, in dem man sich grundsätzlich für eine Abschaffung der Förderung von allen parteinahen Stiftungen einsetze. Diese müsse zumindest auf eine transparente gesetzliche Grundlage gestellt werden. "Dass es dafür lediglich schwammige Verabredungen gibt, ist angesichts der etwa 600 Millionen Euro jährlichen Förderung für einen Rechtsstaat völlig inakzeptabel", so Brandner.

Demgegenüber sehen Grüne und Linke speziell mit Blick auf die Erasmus-Stiftung Handlungsbedarf. "Ich teile das Anliegen, die staatliche Unterstützung für rassistische und antisemitische Strukturen zu unterbinden. Dafür werden wir uns auch mit den anderen demokratischen Fraktionen abstimmen", kündigte die Sprecherin der Linksfraktion für antifaschistische Politik, Martina Renner, an. Und dass auch die Grünen dem Vorschlag ihres ehemaligen Fraktionskollegen Beck etwas abgewinnen können, überrascht nicht: "Wir brauchen klare Regeln, die eine Grundlage für die transparente Finanzierung der politischen Stiftungen in einem Gesetz festlegen", forderte Britta Haßelmann, Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Fraktion. Bundesregierung, CDU/CSU und SPD müssten endlich in die Gänge kommen und ihre Untätigkeit in Bezug auf ein Stiftungsgesetz aufgeben.

Vielleicht werden sie ja bald vom BVerfG dazu aufgefordert

Zitiervorschlag

Finanzierung parteinaher Stiftungen: . In: Legal Tribune Online, 27.04.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/44816 (abgerufen am: 20.11.2024 )

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