Der ADAC hat die Teilnehmerzahlen an seiner Wahl zum "Lieblingsauto der Deutschen" manipuliert. Auch wenn jetzt von Betrug die Rede ist, hat sich der ehemalige ADAC-Pressechef wahrscheinlich nicht strafbar gemacht, den Reputationsschaden wird der Verein auch nicht bei ihm einklagen können. Wer dagegen erfolgreich gegen die Manipulation vorgehen kann, erklärt der Anwalt Arno Lampmann im Interview.
LTO: Der ADAC hat die Teilnehmerzahlen an seinen Umfragen zum Lieblingsauto der Deutschen frei erfunden. Kann sich zivilrechtlich irgendwer dagegen wehren? Etwa die Auto-Hersteller, die auf Platz zwei gelandet sind oder einen der letzten Plätze erreicht haben?
Lampmann: Äußerungsrechtlich sehe ich keine Möglichkeit, die Umfrage anzugreifen und eine Unterlassung der Veröffentlichung zu erreichen. Zwar stimmt die Aussage nicht, dass der VW Golf mit knapp 35.000 Stimmen zum beliebtesten Auto 2013 gewählt worden ist. Die Reihenfolge des Ranking ist aber wohl nicht gefälscht. Wer sollte dann einen Anspruch haben, die Äußerung als unwahr verbieten zu lassen? Es ist - außer VW - niemand persönlich betroffen. Der Gelbe Engel hätte nur weniger Glanz gehabt, wenn die wahren Stimmzahlen angegeben worden wären – mehr nicht.
Um einen Anspruch der Autohersteller aus dem Wettbewerbsrecht herzuleiten, müsste überhaupt erst einmal ein Wettbewerbsverhältnis bestehen. Das ist schon schwierig. Hier liegt allenfalls ein mittelbares vor. Das heißt, der ADAC könnte mit der Umfrage fremden Wettbewerb gefördert haben. Die Rechtsprechung hat hierzu in einer jüngeren Entscheidung zu Rechtsanwalts-Ranglisten Kriterien entwickelt (Bundesgerichtshof, Urt. v. 09.02.2006, Az. I ZR 124/03). Nötig ist eine typische, über die bloße sachliche Berichterstattung der Presse hinausgehende, anpreisende, werbeartige Gestaltung.
Im Ergebnis fördert wahrscheinlich auch die ADAC-Umfrage einen fremden Wettbewerb nicht. Anders wäre es, wenn Automobilfirmen für die gefälschten Zahlen bezahlt hätten. Das wäre ein eindeutiger Rechtsverstoß. Dafür gibt es aber bisher keine Anhaltspunkte.
"Werbung mit Gelbem Engel ist jetzt wohl unzulässig"
LTO: Und wie sieht es mit Wettbewerbern der Zeitschrift ADAC-Motorwelt aus? Etwa der Auto Bild?
Lampmann: Das ist einfacher. Es besteht auf jeden Fall ein Wettbewerbsverhältnis. Mit der Fälschung der Zahlen wollte der ADAC den Gelben Engel außerdem größer machen als er ist, also seine eigene Stellung im Wettbewerb stärken. Konkurrenten könnten den ADAC somit auf Unterlassung, Richtigstellung und gegebenenfalls Schadensersatz in Anspruch nehmen.
LTO: Was ist mit den Verbrauchern? Die erfundenen Zahlen geben der Umfrage mehr Relevanz, ebenso wie die Bezeichnung "Leserumfrage" und "Lieblingsauto der Deutschen". Ist das nicht eine Irreführung, gegen die Verbraucherschutzverbände vorgehen können?
Lampmann: Verbraucherverbände dürfen nur zum Schutze von Verbraucherinteressen tätig werden, also nur Verstöße gegen solche Vorschriften angreifen, die dem Verbraucherschutz dienen. Da das Irreführungsverbot nach heutiger Vorstellung vor allem dem Schutz der Marktgegenseite dient, auf der im vorliegenden Fall überwiegend private Letztverbraucher als Leser der Umfrage stehen, könnten wohl auch die Verbaucherzentralen gegen den ADAC vorgehen.
LTO: Darf VW denn jetzt noch mit dem "Gelben Engel" werben?
Lampmann: Da muss VW aufpassen. Irreführende Werbung muss unterlassen werden. Der Preis hat aber offensichtlich nicht die Relevanz und Repräsentanz, die ihm gegeben worden ist. Allerdings sind eigentlich auch die gefälschten Zahlen so niedrig, dass die Umfrage zum "Lieblingsauto der Deutschen" ohnehin nicht wirklich repräsentativ gewesen wäre. Eine eventuelle Irreführung würde also durch die tatsächlich geringe Teilnehmerzahl lediglich noch wahrscheinlicher.
"Reputationsschaden lässt sich nur schwer beziffern"
LTO: Die Sache entwickelt sich zu einem enormen Imageschaden für den ADAC. Hat der Verein irgendwelche Ansprüche gegen den ehemaligen Pressechef Michael Ramstetter?
Lampmann: Grundsätzlich ja, die ergeben sich aus dem Arbeitsverhältnis oder dem Vereinsrecht, je nachdem ob Ramstetter ein "normaler" Arbeitnehmer oder eines der gewählten Organe des Vereins bzw. der vom ADAC betriebenen Gesellschaften war. Über die möglichen Anspruchsgrundlagen kann man ohne genaue Kenntnis der Vorkommnisse nur spekulieren.
Ein Reputationsschaden kann sehr hoch ausfallen, lässt sich aber nur schwer beziffern und wird in der Regel als solcher auch nicht ersetzt.
"Kein außerordentliches Kündigungsrecht für Mitglieder"
LTO: Wie sähe es denn mit einem zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch aus, wenn nun Mitglieder des ADAC ihre Mitgliedschaft aufgrund des Vorfalls kündigen, dem ADAC also insoweit ein messbarer Schaden entstünde? Die Anzahl der Kündigungen ist laut Internet-Meldungen bereits signifikant angestiegen. Haben die Mitglieder ein Recht darauf, ihre Mitgliedschaft, die ordentlich nur mit vierteljährlicher Frist beendet werden kann, vorzeitig zu beenden?
Lampmann: Als ersatzfähiger Schaden kämen ein eventueller Mitgliederrückgang bzw. rückläufige Anmeldezahlen und der damit entgangene Gewinn in Betracht.
Der Austritt aus dem Verein richtet sich grundsätzlich nach der Satzung. Nach § 7 Nr. 1 der Satzung des ADAC kann dies zum Schluss der Beitragsperiode mit vierteljähriger Frist erfolgen. Daneben hat jedes Vereinsmitglied beim Vorliegen eines wichtigen Grundes ein Recht zum sofortigen Austritt.
Ein wichtiger Grundes liegt dann vor, wenn dem Mitglied ein Verbleiben im Verein bis zum Ablauf der vorgesehenen Kündigungsfrist nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalls nicht zugemutet werden kann. Da ein Beitritt zum ADAC im Regelfall viele Gründe hat, dürfte die Beschönigung der Umfragezahlen in dem einen Fall keinen so gewichtigen Grund darstellen, der zum sofortigen Austritt berechtigte.
Egal, ob ordentliche oder außerordentliche Kündigungen betroffen sind: Die Bezifferung eines Schadens ist schwierig. Nur im Falle einer außerordentlichen Kündigung, die vom Mitglied entsprechend begründet werden müsste, könnte eine Kausalität überhaupt eindeutig dargelegt werden. Für entgangenen Gewinn sieht das Gesetz aber auch Beweiserleichterungen vor. So ist vom Schädiger in der Regel der Gewinn zu erstatten, welcher nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen, mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte.
"Kein Betrug ohne Schaden"
LTO: Die Medien reden von "Betrug". Könnte der ehemalige Pressechef noch strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden?
Lampmann: Das wird schwierig – zumal ich kein Strafrechtler bin (lacht). Die Leute wurden zwar in die Irre geführt, weil tatsächlich weniger Menschen den VW Golf zum beliebtesten Auto gewählt haben, als der ADAC angegeben hat. Eine kausale Vermögensverfügung und einen Schaden wird man aber nicht darelegen können – ganz abgesehen vom erforderlichen Vorsatz.
Selbst wenn Verbraucher sich aufgrund der Umfrage zum Kauf eines VW Golf entschlossen haben sollten, haben sie ja erhalten, was sie bestellt haben, das erworbene Kfz ist ja unabhängig von dieser Umfrage "seinen Preis wert".
Zum Nachteil anderer Kfz-Hersteller wie auch des ADAC selbst dürfte allenfalls ein Dreiecksbetrug in Betracht kommen. Und selbst für einen solchen zu Lasten der Hersteller gäbe es, da die Stimmanteile ja korrekt wiedergegeben wurden, jedenfalls keinen Schaden - geschweige denn, dass er nachweisbar wäre. Ein Betrug zu Lasten des ADAC selbst wegen eventueller Kündigungen von Mitgliedern würde wohl ebenfalls schon im objektiven Tatbestand scheitern, jedenfalls aber am Vorsatz des Verantwortlichen für die gefälschten Zahlen.
Abgesehen davon wird die bloße Lüge strafrechtlich nicht sanktioniert – es sei denn, Spezialvorschriften regeln etwas anderes. Einzelne Handlungen könnten vielleicht für sich genommen strafrechtlich relevant werden, wenn zum Beispiel Urkunden gefälscht worden sind. Dafür ist allerdings bisher nichts ersichtlich.
LTO: Herr Lampmann, vielen Dank für das Gespräch.
Arno Lampmann ist Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz und Partner der Rechtsanwälte Lampmann, Haberkamm & Rosenbaum.
LTO-Redaktion
Arno Lampmann, Manipulierte ADAC-Leserumfrage: . In: Legal Tribune Online, 21.01.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10722 (abgerufen am: 21.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag