Der BGH hat den Finger in die Wunde gelegt: Mit ihren Maskendeals haben CSU-Mandatsträger den Tatbestand der Bestechlichkeit nicht erfüllt. Grund hierfür ist eine Strafbarkeitslücke - die Koalition will diese nun zeitnah schließen.
Vertreter:innen der Ampel-Koalition haben gegenüber LTO einen Gesetzentwurf angekündigt, der den Straftatbestand der Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern nach § 108e Strafgesetzbuch (StGB) ausweiten soll.
Im Koalitionsvertrag hatten SPD, Grüne und FDP bereits vage verabredet: "Wir werden den Straftatbestand der Abgeordnetenbestechung und -bestechlichkeit wirksamer ausgestalten." Wirksamer ausgestalten – das dürfte nach einem am Dienstag veröffentlichtem Beschluss des Bundesgerichtshofes (BGH) nunmehr vor allem bedeuten, § 108e StGB schärfer zu fassen. Einengende Tatbestandsmerkmale, die bislang eine wirksame Strafverfolgung korrupter Mitglieder des Bundestags oder der Landtage verhindern, könnten gestrichen oder entsprechend modifiziert werden
Der BGH hatte in einem am Dienstag bekannt gewordenen Beschluss die Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts (OLG) München bestätigt, wonach der Ex-CSU-Bundestagsabgeordnete Georg Nüßlein und der frühere bayerische Justizminister Alfred Sauter nicht den Tatbestand der Bestechlichkeit von Mandatsträgern erfüllten. Das Geld, das sie mutmaßlich aus Geschäften mit Schutzmasken in der Corona-Pandemie verdient haben, dürfen beide demnach wohl behalten (Beschl. v. 05.07.2022, Az. StB 7-9/22).
BGH beschreibt Strafbarkeitslücke und mahnt
Laut BGH haben beide CSU-Politiker mit ihren Maskendeals nicht den Tatbestand des § 108e Strafgesetzbuch (StGB) erfüllt. Absatz 1 und 2 dieser Norm setzen unter anderem eine (erstrebte bzw. getroffene) Unrechtsvereinbarung zwischen dem Bestechenden und dem bestochenen Parlamentsmitglied mit dem Inhalt voraus, dass dieses "bei der Wahrnehmung seines Mandates" eine Handlung im Auftrag oder auf Weisung vornimmt oder unterlässt. Nüßlein und Sauter hätten indes, indem sie die Gegenleistungen für die Gewinnbeteiligungen erbrachten, nicht ihr Mandat im Sinne dieses Strafgesetzes wahrgenommen, sondern außerparlamentarisch gehandelt. Die Übereinkunft der Beteiligten sei, so der BGH, hier von vorneherein nicht auf ein Verhalten gerichtet gewesen, wie es der aktuelle §108e StGB jedoch beschreibt.
Dass der 3.Strafsenat des BGH das Verhalten der CSU-Politiker dennoch für strafwürdig hält, macht er in seiner Entscheidung einigermaßen deutlich: Dem Gesetzgeber obliege es zu entscheiden, ob und in welchem Umfang er ein bestimmtes Rechtsgut, dessen Schutz ihm wesentlich und notwendig erscheint, gerade mit den Mitteln des Strafrechts verteidigen wolle. Bislang habe er sich dagegen entschieden, das außerparlamentarische Wirken des Mandatsträgers durch §108e StGB zu erfassen - "selbst wenn die hier zu beurteilenden Handlungen ähnlich strafwürdig erscheinen mögen wie das vom Gesetz pönalisierte Verhalten". Falls der Gesetzgeber eine Strafbarkeitslücke erkennen sollte, so der BGH, sei es seine Sache, darüber zu befinden, ob er sie bestehen lassen oder durch eine neue Regelung schließen will.
Unmissverständlich gerügt wird der Gesetzgeber vom BGH auch, weil er im Bereich Korruptionsbekämpfung internationales Recht nicht umsetzt: So habe er das Korruptionsdelikt der missbräuchlichen Einflussnahme, das in zwei von der Bundesrepublik Deutschland geschlossenen völkerrechtlichen Abkommen vorgesehen sei, bislang nicht in das deutsche Recht überführt.
Grüne im Bundestag: "Haben vor so einer Gerichtsentscheidung stets gewarnt"
Dass die Ampel die Mahnungen des BGH ernst nimmt und Strafbarkeitslücken zeitnah schließen will, bekräftigten Rechtspolitiker:innen gegenüber LTO sogleich am Tag nach Bekanntgabe der Entscheidung aus Karlsruhe.
Nach Worten des stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der Grünen, Konstantin von Notz, sei mit der Entscheidung des BGH das eingetreten, "wovor wir stets gewarnt haben". Dass die bestehenden gesetzlichen Regelungen nicht ausreichten, sei nun noch einmal schmerzhaft deutlich geworden: "Menschen sind zurecht empört, dass Abgeordnete der Union trotz ihres schamlosen Handels in einer schweren gesellschaftlichen Krise nun straflos davon kommen."
Bereits in der vergangenen Wahlperiode, so von Notz, hätten die Grünen darauf verwiesen, dass eine reine Erhöhung des Strafmaßes allein nicht ausreiche, sondern es bei einer Gesetzesreform vielmehr darum gehen muss, den Tatbestand der Abgeordnetenbestechung präziser zu fassen. "Wir setzen uns dafür ein, dass auch der Missbrauch von Rang und Ansehen eines Abgeordneten und eine damit verbundene Vorteilsnahme zukünftig strafbar ist." Zuversichtlich zeigte sich der Jurist, "dass der Justizminister diese Vereinbarung im Lichte des jüngsten Urteils nun rasch umsetzen wird".
Ähnlich reagierte auch der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Stephan Thomae. Er kündigte an, dass im Koalitionsvertrag abgegebene Versprechen der Ampel "zügig" anzugehen: "Es ist klar: Mit ihrem Verhalten haben die CSU-Abgeordneten Sauter und Nüsslein nicht nur ihr Amt genutzt, um sich persönlich zu bereichern. Sie haben damit auch das Vertrauen der Bürger in den Parlamentarismus erheblich beschädigt. Das kann nicht toleriert werden." Die Entscheidung des BGH, so Thomae, mache eine Diskussion darüber notwendig, "wie Abgeordnetenbestechung und -bestechlichkeit wirksam verhindert werden können, ohne das freie Mandat einzuschränken".
SPD-Rechtspolitikerin: "An Gesetzesverschärfung wird bereits intensiv gearbeitet"
Aufs Tempo drückt auch die rechtspolitische Sprecherinder SPD, Sonja Eichwede. Zu LTO sagte sie: "Die bestehenden Strafbarkeitslücken bei der Bestechlichkeit und Bestechung von Abgeordneten wollen wir schnellstmöglich schließen. Wir arbeiten bereits intensiv an einer wirksamen und praxistauglichen Gesetzesverschärfung. Dazu stehen wir innerhalb der Ampelfraktionen im engen Austausch miteinander und sind in Gesprächen mit dem Bundesministerium der Justiz, sodass wir in den kommenden Monaten sicher eine gute Lösung zur Änderung des § 108e StGB präsentieren können." Vorfälle wie die "Maskendeals", so Eichwede, dürften sich in der deutschen Politik nie wiederholen.
Ein Sprecher des Bundesjustizministeriums (BMJ) wollte unterdessen die Entscheidung des BGH nicht kommentieren und verwies auf die Verantwortung des deutschen Bundestags:
Da der Straftatbestand eng mit der Geschäftsordnung und den Verhaltensregeln des Deutschen Bundestages verknüpft sei, gehe die Initiative für entsprechende Regelungen traditionell nicht von der Bundesregierung aus - sondern erfolge aus der Mitte des Bundestags. "So war es auch im Falle der Neufassung der Strafnorm im Jahr 2014 und bei der Änderung der Strafvorschrift im Jahr 2021. Wie in der Vergangenheit wiederholt geschehen, so würde das Bundesministerium der Justiz auch eine auf eine Reform des besagten Straftatbestands gerichtete Gesetzesinitiative im Rahmen seiner Zuständigkeit konstruktiv mit fachlicher Unterstützung begleiten, so dies im Sinne eines zügigen Abschlusses des Gesetzgebungsverfahrens gewünscht ist", erklärte das BMJ.
Dass an einem solchen Gesetz sowohl Legislative als auch Exekutive intensiv und konstruktiv mitwirken, das wünscht sich auch die Antikorruptionsorganisation Transparency International.
Hartmut Bäumer, Vorsitzender von Transparency Deutschland, forderte die Ampelkoalition auf, die Schlupflöcher im Gesetz zügig zu schließen:
"Aus Sicht von Transparency Deutschland stellt auch der Missbrauch der Autorität des Abgeordnetenmandates Korruption dar. Die Strafbarkeit sollte außerdem bereits am Umstand der Vorteilsannahme im weiten zeitlichen Zusammenhang von mandatsbezogenem Handeln greifen – auch ohne konkreten Nachweis der Erteilung eines 'Auftrags oder einer Weisung' seitens des Vorteilsgebers." Zusätzlich müsse das Abgeordnetengesetz künftig auch private Provisionsgeschäfte mit dem Staat verbieten.
Nach BGH-Entscheidung zur Maskenaffäre: . In: Legal Tribune Online, 13.07.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/49044 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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