Nach dem TV-L wird Berufserfahrung bei anderen Arbeitgebern für die Einstufung in eine höhere Entgeltgruppe nur pauschal berücksichtigt. Roland Klein zum aktuellen Fall einer Erzieherin, die gegen diese Regelung vor dem BAG scheiterte.
Es verstößt nicht gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit, wenn ein Tarifvertrag die beim selben Arbeitgeber erworbene einschlägige Berufserfahrung gegenüber entsprechenden Zeiten bei anderen Arbeitgebern privilegiert. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der betroffene Arbeitnehmer nur in der Bundesrepublik beschäftigt war und keine Qualifikationen in anderen Mitgliedstaaten erworben hat. Arbeitnehmer mit einschlägiger Berufserfahrung bei privaten Arbeitgebern haben daher keinen Anspruch auf Gleichbehandlung mit Kollegen, deren Vorbeschäftigungszeiten bei demselben öffentlichen Arbeitgeber voll anerkannt werden. Dies hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden (Urt. v. 23.02.2017, Az. 6 AZR 843/15).
Geklagt hatte eine staatlich anerkannte Erzieherin, die seit Januar 2014 beim Land Berlin angestellt war. Sie war zuvor mehr als 10 Jahre lang als Erzieherin bei verschiedenen Vereinen in privater Trägerschaft im Bundesland Brandenburg tätig gewesen. Die Klägerin war vom Land Berlin in die Entgeltgruppe 8 und dort in die Stufe 2 des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) eingruppiert worden. Dies entsprach der Regelung in § 16 Abs. 2 S. 3 TV-L. Danach sind einschlägige Vorbeschäftigungszeiten bei anderen Arbeitgebern durch Einordnung in die Stufe 2 zu berücksichtigen. Demgegenüber erkennt § 16 Abs. 2 S. 2 TV-L einschlägige Vorbeschäftigungen bei demselben öffentlichen Arbeitgeber - hier dem Land Berlin - in voller Höhe an.
Die Frau machte geltend, dass die von § 16 Abs. 2 TV-L vorgesehene Ungleichbehandlung von Beschäftigungszeiten gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit gem. Art. 45 AEUV und Art. 7 Abs. 1 der VO (EU) 492/2011 verstoße. Die Regelung sei insofern nichtig. Ihre Beschäftigungszeiten bei privaten Trägern seien solchen Zeiten beim Land Berlin gleichzustellen, entsprechend sei sie höher einzugruppieren.
Erzieherin beruft sich auf frühere EuGH-Urteile
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte in der Vergangenheit bereits zwei Regelungen zur Anerkennung von Vorbeschäftigungszeiten gekippt.
Im Jahr 1998 hatte er eine ähnliche Vorgängerregelung im Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) wegen Verstoßes gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit für unwirksam erklärt (Urt. v. 15.01.1998, Az. Rs. C-15/96). Seinerzeit waren einschlägige Beschäftigungszeiten im Öffentlichen Dienst, wenn auch bei verschiedenen Arbeitgebern, anerkannt worden, nicht aber bei anderen Arbeitgebern jenseits des Öffentlichen Diensts. Diese Regelung sei diskriminierend, weil sich die Regelung nachteilig auf Wanderarbeitnehmer auswirke, die einen Teil ihrer Dienstzeit in einem anderen Mitgliedstaat verbracht hätten. Laut EuGH sei dies auch nicht gerechtfertigt, insbesondere nicht unter dem Aspekt einer angestrebten Mitarbeiterbindung. Denn ein Arbeitgeberwechsel war nach der Regelung im BAT nicht generell schädlich, sondern nur dann, wenn er außerhalb des Öffentlichen Diensts vorgenommen wurde.
Außerdem hatte der EuGH 2013 eine gesetzliche Bestimmung aus Österreich für unvereinbar mit Art. 45 AEUV erklärt. Nach dieser Bestimmung wurden bei der Zuordnung in höhere Entlohnungsstufen sämtliche Dienstzeiten beim Land Salzburg in vollem Ausmaß berücksichtigt, alle anderen Dienstzeiten dagegen nur teilweise. Darauf, dass die Vorbeschäftigungszeiten einschlägig waren, kam es indes nicht an (vgl. EuGH, Urt. v. 05.12.2013, Az. C-514/12, Rn. 39). Diese Regelung hat nach Auffassung der Luxemburger Richter ebenfalls eine mittelbare Diskriminierung zur Folge, da sie Arbeitnehmer aus dem EU-Ausland benachteilige, die typischerweise seltener entsprechende Vorbeschäftigungszeiten aufwiesen als inländische Arbeitnehmer. Eine Rechtfertigung sei auch hier nicht erkennbar, insbesondere nicht unter dem Aspekt einer Verwaltungsvereinfachung und der Transparenz.
Die klagende Erzieherin war im Rahmen der Revision nun der Ansicht, dass das Urteil des EuGH aus 2013 auch auf ihren Fall übertragbar sei.
So sah es auch das Arbeitsgericht Berlin. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hob das erstinstanzliche Urteil jedoch auf und wies die Klage ab, genau wie das BAG nun die Revision zurückwies. Die Erfurter Richter führten dabei mehrere Argumente an.
BAG zur Eingruppierung nach dem TV-L: . In: Legal Tribune Online, 23.02.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22200 (abgerufen am: 08.11.2024 )
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