Zum 1. April 2017 sollen die Änderungen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) in Kraft treten. Was sich hiernach ändern wird und warum das besonders für die (IT-)Beratungsbranche problematisch ist, erklärt Martin Gliewe.
Leiharbeit genießt keinen sonderlich guten Ruf; teils infolge aufgedeckter Missbrauchsfälle (bspw. "Schlecker"), teils auch infolge der unkritischen Verbreitung stammtischartiger Parolen von Vertretern aus Politik und Gewerkschaften ("Werkverträge verbieten!"). Nun wurde im Bundestag ein Gesetzentwurf angenommen, der die Praxis der Arbeitnehmerüberlassung verändern wird und missbräuchlichen Modellen vorbeugen soll. Für einige Branchen, namentlich etwa den Bereich der (IT-)Beratung, birgt er jedoch gewaltige und kaum gerechtfertigte Risiken. Doch der Reihe nach:
Am 21. Oktober 2016 hat der Bundestag die Reform des AÜG beschlossen. Der bereits bekannte Tenor der Änderungen ist dabei unverändert geblieben:
Es wird eine arbeitnehmerbezogene Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten eingeführt werden, von der lediglich durch Tarifvertrag oder eine hierauf basierende Betriebsvereinbarung abgewichen werden darf. Nach spätestens neun Monaten, in bestimmten Einzelfällen nach 15 Monaten, sind Leiharbeitnehmern die gleichen Arbeitsbedingungen zu gewähren, wie vergleichbaren Stammarbeitskräften im Entleiherbetrieb (sog. equal pay). Die Möglichkeit, sich erfolgreich auf eine sog. Vorratserlaubnis zu berufen, entfällt durch die Einführung einer Offenlegungs- und Konkretisierungspflicht. Ebenso wird dem bislang geduldeten Weiterverleih von Leiharbeitnehmern durch Entleiher (sog. Kettenverleih) ein Riegel vorgeschoben werden.
Beschlussempfehlung an den Bundestag
Soweit, so schlecht. Bemerkenswert ist allerdings die Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses für Arbeit und Soziales vom 19. Oktober 2016, durch die nicht nur die sog. Festhaltenserklärung für Fälle der illegalen Arbeitnehmerüberlassung gegenüber dem bisherigen Gesetzesentwurf verschärft worden ist, sondern in die sich die folgende "Feststellung" eingeschlichen hat:
"Das Gesetz ziele nicht darauf ab, die unternehmerische Tätigkeit beispielsweise von Beratungsunternehmen einzuschränken. Die Neuregelung solle dem sachgerechten Einsatz von Werk- und Dienstverträgen in den zeitgemäßen Formen des kreativen oder komplexen Projektgeschäfts nicht entgegenstehen, wie sie zum Beispiel in der Unternehmensberatungs- oder IT-Branche […] anzutreffen seien."
Die Branche jubelt – zu Unrecht
Branchenmedien und Verbände überschlagen sich seither mit Entwarnungsmeldungen wie "Bundestag stellt klar: Unternehmensberatung ist keine Zeitarbeit" oder "Neue Arbeitsmarkt-Gesetze betreffen IT-Freiberufler nicht". Der Gesetzgeber habe "ausdrücklich klargestellt", dass das neue Gesetz nicht zu einer Einschränkung der modernen Projektwirtschaft und der Expertenarbeit führen werde. Auftraggeber könnten jetzt „ohne AÜG-Gefahr“ Beratungsprojekte beauftragen.
Weit gefehlt. Denn eines wird dabei übersehen.
Die bisherige Rechtslage betreffend die Einordnung von Vertragsgestaltungen als "Arbeitnehmerüberlassung" oder "Werk-/Dienstvertrag" wird durch die AÜG-Novelle nicht verändert – selbstverständlich unabhängig von der jeweiligen Branchenzugehörigkeit. Das geänderte AÜG wird gerade keine Bereichsausnahme für (IT-)Beratungsleistungen enthalten. So wird in der jubelauslösenden Beschlussempfehlung folgerichtig und ausdrücklich erklärt: "[…] dass mit der Definition der Arbeitnehmerüberlassung in § 1 Absatz 1 Satz 2 AÜG die derzeitige Rechtslage nicht geändert werden solle […]".
Auswirkungen der AÜG-Reform auf (IT-)Beratungsbranche: . In: Legal Tribune Online, 18.11.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21203 (abgerufen am: 07.11.2024 )
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