Der Deutsche Juristentag: Ein weltweit einzigartiges Modell

von Prof. Dr. Martin Henssler

17.09.2012

Rund 3.500 Juristen kommen ab Dienstag in München für drei Tage zusammen, um miteinander zu diskutieren und am Ende Beschlüsse zu fassen. Die Mitglieder des Deutschen Juristentags haben sich nicht nur mit Europa und dem Internet einmal mehr die ganz großen Themen vorgenommen. Was sie sonst noch vor, was sie schon geschafft haben und weshalb der DJT so besonders ist, erläutert Martin Henssler.

Es sind Juristen aller Art und Couleur, die der Deutsche Juristentag (DJT)  unter einem Dach vereint. Von den klassischen Berufsträgern wie dem Richter, dem Staats- oder Rechtsanwalt bis hin zu Unternehmensjuristen und Rechtskorrespondenten treffen sich alle zwei Jahre etwa die Hälfte der rund 7.000 Mitglieder des eingetragenen Vereins, um über aktuelle Entwicklungen des deutschen und europäischen Rechts zu diskutieren.

Das Modell ist weltweit einzigartig. Und obwohl der Verein zahlenmäßig kleiner ist als die großen juristischen Berufsverbände der Anwälte oder Richter, kommt ihm doch ob seiner Überparteilichkeit eine besondere Bedeutung zu. Denn er vertritt weder die partikularen Interessen einer bestimmten Berufsgruppe noch steht er einer der politischen Parteien nahe. Der Verein versteht sich vielmehr als Sprachrohr des gesamten Juristenstandes, als objektiver Mahner, als "das Gewissen des Juristenstandes".

Während der Tagung diskutieren die Teilnehmer in mehreren Abteilungen über bestimmte Themen, die sie im Vorfeld festgelegt haben. Zu jeder Aufgabenstellung hat ein ausgewiesener Experte ein Gutachten erstellt, das als Grundlage der Debatte dient. Geleitet wird die Diskussion jeweils von einem Podium, dem neben dem Gutachter mit den Referenten weitere Fachleute angehören. Am Ende der Erörterung stimmen die Mitglieder des Vereins über die von der Abteilung erarbeiteten Beschlussvorschläge ab.

Oft seiner Zeit voraus

Den DJT gibt es seit 1860. 1933 löste sich der Verein auf, um einer Gleichschaltung durch die Nationalsozialisten zu entgehen. Erst 1947 fanden sich seine Mitglieder wieder neu zusammen. Mittlerweile haben 68 Juristentage stattgefunden, der 69. Deutsche Juristentag wird diesen September zum vierten Mal in München veranstaltet.

In den ersten Jahrzehnten seines Bestehens trug der DJT wesentlich zur Rechtsvereinheitlichung innerhalb des 1871 gegründeten Deutschen Reiches bei. Auch die zeitgeschichtliche Entwicklung hat der Verein stets begleitet. So waren sowohl die Wiedervereinigung und ihre Rechtsfragen Gegenstand der Beratungen als auch aktuell die zunehmende Europäisierung des nationalen Rechts.

Immer wieder konnten die Mitglieder grundlegende Reformen anstoßen. So forderte der DJT etwa bereits 1862 die Abschaffung der Todesstrafe; er wollte Homosexualität entkriminalisieren und Frauen gleichstellen, lange bevor ein entsprechender gesellschaftlicher Konsens erzielt und vom Gesetzgeber umgesetzt worden ist.

Europa und das Internet auf der Tagesordnung des 69. DJT

Auch in diesem Jahr in München stellt der Verein sich einer noch immer höchst aktuellen Herausforderung: Gleich zwei Abteilungen beschäftigen sich mit der Realität des Internets und damit mit einem Bereich, den das Recht bisher noch nicht befriedigend erfassen konnte. So stehen Fragen des Persönlichkeits- und Datenschutzes im Internet auf der Tagesordnung des Referats für IT- und Kommunikationsrecht; auch die Strafrechtler sehen einen grundlegenden Diskussionsbedarf darüber, wo und wie die Grenzen strafwürdigen Verhaltens im Netz zu ziehen sind.

Drängende Themen erörtern die Mitglieder auch gemeinsam mit ihren Gästen in dem vor gut zehn Jahren eingeführten Forum, auf dessen Agenda es dieses Jahr Europa geschafft hat. "Europa am Scheideweg – Krise der Union oder Notwendigkeit einer europäischen Verfassung?", fragen sich am Abschlusstag unter der Leitung von Rechtsanwalt Thomas Mayen der luxemburgische Finanzminister Luc Frieden, der Philosoph Jürgen Habermas, der Präsident des Europäischen Gerichtshofs Vassilios Skouris und der Präsident des Bundesverfassungsgerichts Andreas Voßkuhle.

Einmal mehr haben die Juristen des DJT sich also Themen vorgenommen, welche die schnelllebige Tagespolitik überdauern und auch aus der Medienberichterstattung nicht so schnell verschwinden. Und wie immer werden sie dabei vor allem eins bezwecken: Das Recht weiter verbessern.

Der Autor Prof. Dr. Martin Henssler ist Vorsitzender der Ständigen Deputation des Deutschen Juristentags und geschäftsführender Direktor des Instituts für Arbeits- und Wirtschaftsrecht der Universität zu Köln sowie des Instituts für Anwaltsrecht an der Universität zu Köln.

Homepage des Deutschen Juristentags: www.djt.de

Der djt bei Facebook: http://www.facebook.com/juristentag

Zitiervorschlag

Der Deutsche Juristentag: . In: Legal Tribune Online, 17.09.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7097 (abgerufen am: 25.11.2024 )

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