Beim 74. Deutschen Juristentag in Stuttgart Ende September wird es vor allem um Themen gehen, die unser aller Zukunft betreffen. In sechs großen Blöcken erarbeiten Juristen Empfehlungen für die Berliner Rechtspolitik. Von Joschka Buchholz.
Nach den "rechtspolitischen Empfehlungen aus Bonn für Berlin" beim 73. Deutschen Juristentag (djt) vor zwei Jahren wird der 74. djt Ende September in Stuttgart stattfinden. Vom Kultur- und Kongresszentrum Liederhaus aus wollen sich die sechs Fachabteilungen den "drängenden rechtlichen und rechtspolitischen Fragen unserer Zeit mit dem Blick auf die Zukunft gerichtet" stellen, wie der Präsident des 74. djt, Richter des Bundesverfassungsgerichts Prof. Dr. Henning Radtke, in seinem Grußwort vorab mitteilt.
Hierfür wurde in den Bereichen Zivilrecht, Arbeits- und Sozialrecht, Strafrecht, Öffentliches Recht, Wirtschaftsrecht und Medienrecht jeweils ein großes Gutachten als Grundlage für weitergehende Debatten erstellt. Ergänzt werden die Gutachten durch mehrere Referate, welche einzelne Themen vertiefen und verschiedene Blickwinkel kritisch beleuchten. Während die Gutachten allesamt von Professorinnen und Professoren erarbeitet wurden, stammen die Referenten unter anderem aus dem Staatsdienst, der Wissenschaft sowie aus der Anwaltschaft und aus der Wirtschaft.
Wie immer das Besondere am djt: An seinem Abschlusstag werden rechtspolitische Beschlüsse erwartet, die dem Gesetzgeber traditionell als Impuls und Grundlage für entsprechende Initiativen dienen und sich nicht selten auch in Gesetzesvorhaben wiederfinden.
Wie das Recht mit Krieg und Krisen umgehen sollte
Die Abteilung Öffentliches Recht befasst sich mit den Rahmenbedingungen für eine effiziente und effektive Krisenbewältigung. Durch die Corona-Pandemie, die Flut im Ahrtal sowie durch die Energie- und Migrationskrisen hätten sich insoweit erhebliche Mängel offenbart. Ein besonderes Augenmerk wird auf die finanziellen Hilfen gelegt: Wie können diese gezielter und sachgerechter verteilt werden, um den Staatshaushalt nicht unnötig zu belasten? Entsprechend wird auf dem djt über das Staatsorganisationsrecht, das Haushaltsrecht, den Katastrophenschutz, das Steuerrecht und das Sozialrecht ein großer Bogen gespannt, bei dem es unter anderem um Zuständigkeiten innerhalb des Staates sowie eine Einbindung von privaten (Hilfs-)Organisationen gehen soll.
Ebenso nimmt die Abteilung Wirtschaftsrecht die Krisenbewältigung in den Blick: "Empfehlen sich im Kampf gegen den Klimawandel gesetzgeberische Maßnahmen auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts?" ist der Titel des zugehörigen Gutachtens, mit dem nicht nur mögliche Pflichten, sondern auch darüber hinausgehende Bemühungen in Unternehmen um den Klimaschutz ausgelotet werden sollen. Schließlich gehe es beim Klimawandel um die "Bewältigung der mittelfristig wohl bedrohlichsten Krise", so djt-Präsident Radtke in seinem Grußwort.
Auch bei der Schlussveranstaltung des 74. djt geht es bei einer Diskussion unter dem Titel "Krieg in Europa - Und das Recht?" um eine nicht weniger drängende aktuelle Krise. Hier werden unter anderem der Kölner Völkerrechtler Prof. Dr. Claus Kreß und der Generalinspekteur der Bundeswehr, Carsten Breuer, über Instrumentarien des Völker- und das Völkerstrafrecht zur Verfolgung und Ahndung von Völkerrechtsverbrechen und weitere Fragen diskutieren. Das interdisziplinär besetzte Panel aus Politik, Diplomatie und Rechtswissenschaft soll insoweit erste Antworten liefern.
Altes Recht für neue Kommunikationskultur
Nicht nur Kriege und andere Krisen beeinflussen den Umgang mit Informationen. Daher beschäftigt sich die Abteilung Medienrecht unter dem Titel "Wie lässt sich öffentliche Informationsverantwortung in Zeiten digitaler und multipolarer Kommunikationskultur realisieren? Welche Aufgaben haben der Staat, die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und die Wissenschaft?" mit der europarechtlichen und nationalen Regelungssystematik zur neuen Medien- und Kommunikationskultur.
Auch die Abteilung Strafrecht fokussiert sich auf den Umgang Informationen. Konkret geht es um den Schutz von Persönlichkeitsrechten bei der Beschlagnahme von Handys, Laptops und anderen Datenträgern. Dazu hat bereits Dr. Mayeul Hiéramente in der LTO vorab einen Beitrag verfasst. Die derzeitig noch geltenden Normen in der Strafprozessordnung seien konzipiert worden, als "die Masse, die Reichweite und die Qualität der heute über Smartphones verfügbaren Informationen noch nicht vorhersehbar waren", heißt es im djt-Programm.
Rechtlicher Rahmen für KI und Legal Tech
Im Zivilrecht steht beim 74. djt die effektive Rechtsdurchsetzung im Fokus. Dem Gesetzgeber sollen am letzten Veranstaltungstag konkrete Impulse mitgegeben werden, wie durch Legal Tech unterstützte Modelle etwa Ersatzansprüche wegen massenhaft auftretender Schäden helfen können. Auch die großen Schlagworte "Zugang zur Justiz" und "Prozessfinanzierung" werden im zivilrechtlichen Block eine große Rolle spielen.
Zukunftsmusik auch im Arbeits- und Sozialrecht: Dort geht es um die Frage, wer durch das Arbeits- und Sozialversicherungsrecht eigentlich geschützt werden soll. Hierbei sollen auch die stetigen Veränderungen der Arbeitswelt durch Formen künstlicher Intelligenz berücksichtigt werden.
Der 74. Deutsche Juristentag findet vom 25. bis zum 27. September 2024 in Stuttgart statt.
Der 74. Deutsche Juristentag in Suttgart: . In: Legal Tribune Online, 04.09.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55340 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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