Beamte dürften nicht streiken. Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerde von vier Lehrern zurückgewiesen. Das Streikverbot sei ein eigenständiger Grundsatz des Berufsbeamtentums und durchaus mit dem Völkerrecht vereinbar.
Entscheidet Euch, liebe Beamte: Lebenslange Festanstellung, klar definierte Besoldungssprünge, unabhängige Amtsführung – oder das Recht für all das Kämpfen zu müssen. Das eine jedenfalls ist mit dem anderen nicht zu vereinbaren. Das entschied heute das Bundesverfassungsgericht (BVerfG). In der Kurzfassung: Beamte dürfen nicht streiken. Das war so und so wird es bleiben und selbst die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) steht dem nicht entgegen.
Das BVerfG hat vier Verfassungsbeschwerden von Beamten zurückgewiesen (Urt. v. 12.06.2018, Az. 2 BvR 1738/12 u.a.). Geklagt hatten vier Lehrer aus Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein. Sie hatten sich an Protesten bzw. Streiks der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) beteiligt. Fast schon zwangsläufig folgte der Eintrag in die Personalakte der Beamten, gegen diese Disziplinarmaßnahmen gingen sie daraufhin gerichtlich vor. Die Begründungen waren für alle Nicht-Beamten nachvollziehbar: Die beamtenrechtlichen Pflichten stehen einer Streikteilnahme entgegen. Ein Beamter darf nicht ohne Genehmigung dem Dienst fernbleiben.
Eingriff ja, aber gerechtfertigt
Für das BVerfG ist die Sache glasklar: "Ein Rosinenpicken lässt das Beamtenverhältnis nicht zu." Ja, das Streikverbot sei ein Eingriff in die Koalitionsfreiheit nach Art 9 Abs. 3 GG. Doch dieser ist nach Ansicht des 2. Senats gerechtfertigt, denn das Streikverbot sei ein eigenständiger hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG.
Das Verbot müsse nicht ausdrücklich im Gesetz formuliert sein, entschieden die Richter in Karlsruhe. Und vor allem stehe es auch im Einklang mit dem Völkerrecht.
Dieser Hinweis ist zwei Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) geschuldet. Die Richter in Strasbourg hatten für Fälle aus der Türkei geurteilt, dass die dortigen Bediensteten ein Streikrecht haben müssten. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hatte in der Folge den Konflikt zwischen Beamten- und Völkerrecht bestätigt, als es selbst über das Streikrecht der Lehrer zu befinden hatte – und dem Gesetzgeber aufgegeben, tätig zu werden. "Das Urteil des BVerfG ist damit vor allem eine Ohrfeige für das BVerwG", sagt der renommierte Staatsrechtler Professor Ulrich Battis, Of Counsel bei GSK Stockmann. "Denn das sagt ja nun, der Konflikt sei wunderbar lösbar."
Kein Konflikt mit dem Völkerrecht
Art. 11 Abs. 1 EMRK gewährleistet jeder Person, sich frei und friedlich mit anderen zu versammeln und sich frei mit anderen zusammenzuschließen; dazu gehört auch das Recht, zum Schutz ihrer Interessen Gewerkschaften zu gründen und Gewerkschaften beizutreten.
Der EGMR-Rechtsprechung komme eine Leit- und Orientierungswirkung zu, erklärten die Richter in Karlsruhe. Urteile des EGMR würden durchaus befolgt, so wie es die Selbstverpflichtung nach Art. 46 EMRK auch vorsehe. Doch man müsse auch die Entscheidungen aus Straßburg durchaus in ihrem Kontext sehen. Und danach widerspreche die Rechtslage in Deutschland keinesfalls den Regelungen der EMRK. Denn immerhin stünde auch Beamten ein Streikrecht grundsätzlich zu, sie könnten dieses Recht nur aufgrund kollidierenden Verfassungsrechts nicht ausüben.
Lehrer sind Staatsbedienstete
Selbst wenn also das deutsche Streikverbot für Beamte einen Eingriff gegen Art. 11 Abs. 1 EMRK darstelle, sei er laut BVerfG aufgrund der Besonderheiten des deutschen Systems des Berufsbeamtentums gerechtfertigt. Das Verbot sei “eine höchstrichterlich seit Jahrzehnten anerkannte Ausprägung des Art. 33 Abs. 5 GG“, formulierte das Gericht.
Im Übrigen, so das BVerfG, seien beamtete Lehrkräfte „dem Bereich der Staatsverwaltung im Sinne von Art 11 EMRK zuzuordnen". Diese klare Feststellung ist für Ulrich Battis die eigentliche Überraschung des Urteils: “Das BVerfG hat in dieser Entscheidung ganz deutlich gemacht, dass beamtete Lehrer zu den Staatsbediensteten zählen", sagt Battis. Die übrigen Ausführungen Karlsruhes, so Battis, hätten sich bereits abgezeichnet.
Die Beschwerde führenden Lehrer könnten ihre Fälle nun noch zusammen mit der sie unterstützenden Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GeW) zum EGMR nach Straßburg tragen. Doch faktisch hätte eine anderslautende Entscheidung dort keinen Einfluss mehr auf die deutschen Rechtslage: "Der wesentliche Unterschied zwischen dem Europäischen Gerichtshof und dem EGMR ist, dass der EGMR nicht das letzte Wort hat", sagt Battis. Das hat das BVerfG.
Tanja Podolski, Streikrecht für Beamte: . In: Legal Tribune Online, 12.06.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/29091 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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