2/2: BVerfG: "Der homosexuelle Mann neigt dazu, einem hemmungslosen Sexualbedürfnis zu verfallen"
Doch nicht nur die ordentlichen Gerichte blicken im Umgang mit Homosexuellen auf eine unrühmliche Geschichte zurück. Wohl noch gravierender war das Versagen des Bundesverfassungsgerichts, das 1957 dem damals noch uneingeschränkt geltenden Verbot homosexueller Handlungen seinen Segen erteilte. Die Entscheidung setzt eine grundsätzliche Unerwünschtheit von Homosexualität weitgehend als selbstverständlich voraus und widmet sich vor allem der Frage nach der Ungleichbehandlung gegenüber lesbischen Frauen, deren Handeln straffrei war. Dafür gäbe es jedoch hinreichende Gründe in der unterschiedlichen Sexualität von Mann und Frau:
So gelingt der lesbisch veranlagten Frau das Durchhalten sexueller Abstinenz leichter, während der homosexuelle Mann dazu neigt, einem hemmungslosen Sexualbedürfnis zu verfallen
Ohnehin seien (junge) Frauen weniger anfällig für gleichgeschlechtliche Avancen:
Die Gefahr solcher Fehlprägung ist aber bei Mädchen weit geringer als bei männlichen Jugendlichen. Diese allgemeine Erfahrung wird von den Sachverständigen zum Teil darauf zurückgeführt, daß das Mädchen weit mehr als der Knabe durch ein natürliches Gefühl für sexuelle Ordnung bewahrt werde, zum Teil darauf, daß die Mädchen altersmäßig früher auf heterosexuelle Beziehungen fixiert seien.
BVerfG: Lesben stören weniger
Schließlich werde Homosexualität von Männern aufgrund häufigeren Partnerwechsels schneller verbreitet:
Männliche Homosexuelle streben häufig zu einer homosexuellen Gruppe, lehnen aber familienhafte Bindungen meist ab und neigen zu ständigem Partnerwechsel. Lesbische Verhältnisse hingegen tendieren allgemein zur Dauerhaftigkeit (Scheuner, Wenzky, Giese). Zieht man dazu die größere geschlechtliche Aggressivität des Mannes in Betracht, so macht schon das evident, daß die Gefahr der Verbreitung der Homosexualität beim Manne weit größer ist als bei der Frau.
Und sei bei Frauen auch weniger aufdringlich:
Sodann tritt die männliche Homosexualität unvergleichlich viel stärker als die weibliche in der Öffentlichkeit in Erscheinung, was wesentlich durch das größere weibliche Schamgefühl und die größere Zurückhaltung der Frau in Geschlechtsfragen bedingt sein dürfe
BVerfG: Verbot durch Sittengesetz gerechtfertigt
Etwas knapper kommt das BVerfG auch auf die Frage zu sprechen, ob das Verbot von Homosexualität überhaupt rechtmäßig sein kann. Die in dem Verbot liegende Beschränkung der persönlichen Handlungsfreiheit begründete das Gericht seinerzeit unter Verweis auf Art. 2 Abs. 1 GG, der dem Einzelnen persönliche Handlungsfreiheit (übrigens bis heute) nur gewährt, "soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt". Letzteres sei aber "eindeutig" der Fall, was sich unter anderem aus der diesbezüglichen Haltung der Kirchen ergebe:
Das persönliche sittliche Gefühl des Richters kann hierfür nicht maßgebend sein; ebensowenig kann die Auffassung einzelner Volksteile ausreichen. Von größerem Gewicht ist, daß die öffentliche Religionsgesellschaften, insbesondere die beiden großen christlichen Konfessionen, aus deren Lehren große Teile des Volkes die Maßstäbe für ihr sittliches Verhalten entnehmen, die gleichgeschlechtliche Unzucht als unsittlich verurteilen.
Im Jahr 1973 erhielten die Verfassungshüter noch einmal Gelegenheit, sich mit der Strafvorschrift zu befassen, die zu diesem Zeitpunkt nur noch homosexuelle Beziehungen von über 18-Jährigen mit unter 18-Jährigen unter Strafe stellte. Auch hierin sahen sie kein Problem – die Vorstellung, junge Männer könnten durch die Avancen älterer Männer zur Homosexualität "verführt" werden, hielt sich noch immer (Urt. v. 02.10.1973, Az. 1 BvL 7/72).
Die Folgen für die Verurteilten jener Jahre sind bis heute kaum zu ermessen. Neben zehntausenden Geld- und Haftstrafen steht die Vernichtung ungezählter bürgerlicher Existenzen, die nicht selten zu Auswanderung oder auch Selbstmord der Betroffenen führte.
Constantin Baron van Lijnden, Rechtsprechung zu § 175 StGB: . In: Legal Tribune Online, 12.05.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19372 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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