Dass der King posthum nochmal mit dem deutschen Rechtssystem zu tun bekommt, hätte er zu Lebzeiten wahrscheinlich nicht gedacht. Eine Besonderheit des Urheberrechts hat Elvis - in Gestalt seiner Rechtsnachfolger - heute aber vor das LG München I geführt. Nicht nur für die Rock'n'Roller unter den Juristen ein interessantes Verfahren, meint Georg Lecheler.
Im Jahre 1973 verkaufte Presley seine Rechte an über 1.000 damals bereits eingespielten Songs an seine Plattenfirma RCA Records, heute Teil von Sony Music. Der Kaufpreis betrug damals 5,4 Millionen Dollar, der tatsächliche Wert der musikalischen Hinterlassenschaft wird heute auf bis zu 130 Millionen Euro geschätzt. Verständlich, dass hier nachträgliche Begehrlichkeiten geweckt werden. Aber warum gerade vor dem Landgericht (LG) München?
Das deutsche Recht adelt "persönliche geistige Schöpfungen" zum urheberrechtlich geschützten "Werk", wenn sie eine gewisse Schöpfungshöhe erreichen. Darin kommt nach deutscher Sicht immer auch die Persönlichkeit ihres Schöpfers zum Ausdruck, weshalb eine besondere persönlichkeitsrechtliche Bindung zwischen dem Erschaffer und seinem Werk besteht. Dagegen wird das Urheberrecht in den USA, vereinfacht gesagt, als schnöde Handelsware betrachtet.
Ein Ausdruck dieses Unterschiedes sind die Regelungen in §§ 32, 32a Urheberrechtsgesetz (UrhG). Diese sehen eine "angemessene Vergütung" des Urhebers vor. Während der Eigentümer einer beliebigen Sache, die er verkauft und die sich später als viel wertvoller herausstellt, grundsätzlich schlicht Pech gehabt und ein schlechtes Geschäft gemacht hat, schützt das deutsche Recht den Urheber mehr. Eben aufgrund der persönlichkeitsrechtlichen Aspekte und weil man annimmt, dass der einzelne Urheber den "großen" Verwertern eher machtlos gegenübersteht. Das amerikanische Recht sieht das so nicht vor, so dass Elvis' Erben in München vor Gericht zogen.
Sind zehn Dollar pro Jahr und Song zu wenig?
Nach zwei missglückten Anläufen begehrte seit Dezember 2010 die Elvis Presley Enterprises LLC als eine der Gesellschaften, die den Nachlass des King of Rock'n'Roll verwalten, vor dem LG München I Zahlung dieser angemessenen Vergütung.
Ihrer Ansicht nach wurde Elvis 1973 übervorteilt, denn er habe für die Rechte in Deutschland letztlich nur eine Pauschallizenz zwischen 10 und 15 Dollar je Song und Jahr erhalten. Diese Vergütung sei nicht angemessen, schon weil 1990 die Schutzfrist für Tonaufnahmen von 25 auf 50 Jahre verlängert wurde, was bei Vertragsschluss gar nicht geahnt werden konnte. Außerdem würden die Rechte inzwischen auf eine Reihe von Arten verwertet, die damals nicht bedacht worden seien – weil sie damals noch nicht denkbar waren, wie etwa die Nutzung als Klingelton.
Dem wird entgegengehalten, dass Elvis' Stern sich damals bereits im Sinken befand, er schnell viel Geld bekommen wollte und der Vertrag, mit der er eine schnelle Zahlung gegen Übertragung aller Rechte erzielte, letztlich damals sehr vorteilhaft für ihn gewesen sei.
Kein Erfolg, aber auch keine Rechtssicherheit
Die Münchener Richter haben die Klage von Elvis' Rechtsnachfolgern am Mittwoch abgewiesen (Az. 21 O 25511/10). Das klingt überraschend, denn das Gesetz stellt ausdrücklich fest, dass es unerheblich ist, "ob die Vertragspartner die Höhe der erzielten Erträge […] vorhergesehen haben oder hätten vorhersehen können" (§ 32a Abs. 1 Satz 2 UrhG).
Die Klageabweisung stützt das Landgericht darauf, dass nach dem Wortlaut des Vertrages später entstehende Nachzahlungsansprüche wegen etwaiger Schutzfristverlängerungen ausgeschlossen waren. Daneben dürfte die Abweisung darauf beruhen, dass die Übergangsregelung des § 132 Abs. 3 UrhG die 2002 neu gefassten "Bestsellerparagraphen" §§ 32, 32a UrhG auf einen Sachverhalt aus 1973 unanwendbar macht.
Dass die materielle Rechtslage nicht nur für Sony Music, sondern für Erwerber von Nutzungsrechten grundsätzlich unbefriedigend ist, liegt dennoch auf der Hand: Sie haben ein Interesse daran, ähnlich einem Kaufvertrag, eine Einmalzahlung zu leisten und dann Ruhe (auch Rechtssicherheit genannt) zu haben – zumal das Anpassungsrecht nur zugunsten des Urhebers wirkt. Der Erwerber kann dagegen keine Verringerung der Vergütung verlangen, wenn er das wirtschaftliche Potential eines Werks überschätzt hat.
Daher ist es erfreulich, dass der Klägervertreter bereits Rechtsmittel angekündigt hat und der Streit nicht mit dem heutigen Urteil endet. Vielleicht nimmt der BGH die Auseinandersetzung später zum Anlass, hier für mehr Rechtsicherheit zu sorgen. Die Unsicherheit auf Seiten der Verwerter wirkt nämlich auch zulasten der Urheber. Ihnen wird bei Verhandlungen mit erheblich mehr Skepsis begegnet, wenn vereinbarte Buyouts nicht mehr verlässlich sind.
Georg Lecheler ist Rechtsanwalt und Junior-Partner bei Oppenhoff & Partner in Köln.
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Elvis' Erben vor dem LG München I: . In: Legal Tribune Online, 23.11.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/4883 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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