TV Legal: Deutschland sucht den Fernsehnotar

Dr. Jörn Heinemann

29.04.2010

Spätestens seit "Deutschland sucht den Superstar", "Schlag den Raab" oder "Mein Restaurant" scheint keine Casting- oder Gameshow ohne einen Notar auskommen zu wollen. Dabei ist die Funktion, die ein Notar im Rahmen solcher TV-Schlachten tatsächlich ausüben kann, reichlich unbedeutend.

Was ist nur aus der Zeit geworden, in der sich Notare ausschließlich namens- und gesichtslos im Fernsehen präsentierten? Als sie lediglich mittelbar durch die Lottofee Erwähnung fanden, wonach sich der Notar vor Ziehung der Zahlen vom ordnungsgemäßen Zustand der Kugeln und der Maschine – wie auch immer er dies bewerkstelligt haben mochte – überzeugt hatte.

Diese Erscheinungsweise entsprach auch eher der Funktion, die ein Notar in solchen Sendungen tatsächlich haben kann. Er kann lediglich Tatsachen bescheinigen, die er mit den eigenen Sinnen, im Regelfall mit den eigenen Augen, wahrgenommen hat. Das ist reichlich wenig und dürfte die Erwartung so mancher Fernsehzuseher und Fernsehveranstalter gehörig enttäuschen. Denn Wertungen kann der Notar genauso gut bzw. schlecht wie jeder andere Normalsterbliche abgeben.

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Der Notar kann beim besten Willen nicht wissen, nicht feststellen und daher auch nicht notariell bestätigen, welches die längste Wurst der Welt ist, dass jeder dritte Glückskeks oder jedes vierte Ei einen Gewinn enhält und wer nach Ansicht der meisten Telefonanrufer der größte Superstar im Lande ist. Diese Selbstverständlichkeiten scheinen der Allgemeinheit aber unbekannt zu sein, was die Fernsehproduzenten natürlich ins Kalkül gezogen haben: Sie wissen, dass für eine Vielzahl von Menschen mit einer notariellen Mitwirkung an völlig banalen Gewinnspielen der Schein der Wahrheit und Seriosität einhergeht.

Eigentlich sollte der Notar genau in solchen Situationen seine Tätigkeit verweigern, offenbar siegen bei manchen der Wunsch nach Selbstdarstellung und das Gewinnstreben aber über eine vernünftige Berufsauffassung. Immerhin kann man manchen Fernsehnotaren einen gewissen Unterhaltungswert nicht absprechen, die meisten geistern allerdings eher wie Walter Spahrbier durch die Kulisse und bestätigen damit ein weiteres beliebtes Vorurteil über Notare, nämlich dass sie bisweilen ein wenig lebensfremd wirken.

Vae victis: Das Ende des staatlichen Notariats in der DDR

Die zahlreichen Verschwörungstheorien, die das Ende der jüngsten DSDS-Staffel begleiteten, haben durch die Mitwirkung eines Fernsehnotars jedenfalls an Feuer eingebüßt. Wie "Oli" am 18. April 2010 im Blog Roadrunnerswelt messerscharf analysiert, könne das Ergebnis der Telefonabstimmung nicht manipuliert gewesen sein, denn schließlich habe ein Notar das Ergebnis verkündet. Zweifelhaft könne allenfalls sein, ob es sich bei dem Notar tatsächlich um einen Notar gehandelt habe. Durch einen Blick in die Gelben Seiten sei für ihn diese Unsicherheit jedoch ausgeräumt. Über einen solchen Syllogismus kann man als Jurist nur staunen.

Dennoch sollte den vielen Fernsehnotaren eines in Erinnerung gebracht werden. Das staatliche Notariat in der DDR hatte zuletzt deshalb stark an Ansehen in der Bevölkerung verloren, weil bei der Ziehung der Lottozahlen ein für jeden Fernsehzuseher offensichtlicher Fehler vom Staatsnotar übersehen wurde. Ich persönlich würde es daher begrüßen, wenn anstelle der Notare künftig unbestechliche Bürokraten, wie zum Beispiel die Rechtspfleger, die selbst an der Existenz der Gesellschaft bürgerlichen Rechts zweifeln, sich vom ordnungsgemäßen Zustand der Spielgeräte überzeugten.

Der Autor Dr. Jörn Heinemann ist Notar in Neumarkt i.d.OPf.

Zitiervorschlag

Jörn Heinemann, TV Legal: . In: Legal Tribune Online, 29.04.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/447 (abgerufen am: 20.11.2024 )

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