75 Jahre nach der Reichspogromnacht: Jüdisches Leben unter dem Schutz des GG

von Thomas Traub

09.11.2013

Vor 75 Jahren brannten in Deutschland über 1.000 Synagogen, ein vorläufiger Höhepunkt der Judenverfolgung im Dritten Reich. Inzwischen leben wieder 200.000 Juden in Deutschland. Während die Verteilung staatlicher Mittel unter den jüdischen Gemeinden nur die Gerichte beschäftigt, diskutierten über die Beschneidung auch der Gesetzgeber und die Gesellschaft lebhaft, berichtet Thomas Traub.

"Die Epoche des Judentums in Deutschland ist endgültig vorbei", sagte der bedeutende Rabbiner Leo Baeck nach seiner Befreiung aus dem Konzentrationslager in Theresienstadt.

Anlässlich der Verleihung des Lord-Jakobovits-Preises im Mai 2013 betonte Bundeskanzlerin Angela Merkel, es grenze an ein Wunder, dass sich diese bittere Prognose nicht erfüllt hat. In Deutschland existieren heute wieder lebendige jüdische Gemeinden. Einen kleinen Beitrag zu diesem Wunder leistet das Religionsverfassungsrecht des Grundgesetzes (GG): als Ordnung zur Entfaltung religiöser Freiheiten.

Willkürmaßnahmen im Gewand des Rechts

Im Jahre 1938 erlebten die jüdischen Gemeinden in Deutschland neben der gewaltsamen Zerstörung ihrer Gebetshäuser auch ihre rechtliche Degradierung. Mit dem "Gesetz über die Rechtsverhältnisse der jüdischen Kultusvereinigungen" aus dem März 1938 wurde den jüdischen Religionsgemeinschaften der Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts entzogen.

Allerdings wird dieses Gesetz – ebenso wie der Entzug der deutschen Staatsangehörigkeit aus rassischen Gründen – zu den nationalsozialistischen Rechtsvorschriften gezählt, die fundamentalen Prinzipien der Gerechtigkeit so evident widersprechen, dass sie von Anfang an als nichtig erachtet werden müssen. Denn der Entzug des Körperschaftsstatus steht im Zusammenhang mit der planmäßig betriebenen Verfolgung und Vernichtung der Juden und ist daher als eine "in das Gewand des Rechts gekleidete Willkürmaßnahme" zu qualifizieren (BVerwG, Urt. v. 15.10.1997, Az. 7 C 21/96).

Daher sind die jüdischen Gemeinden in Deutschland auch heute überwiegend in der Rechtsform einer "Körperschaft des öffentlichen Rechts" i.S.d. Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 5 Weimarer Reichsverfassung (WRV) organisiert, was ihnen beispielsweise das Recht gibt, Kultusgemeindesteuern zu erheben.

Das Verhältnis zwischen dem deutschen Staat und den jüdischen Religionsgemeinschaften ist in zahlreichen Verträgen geregelt. Neben dem Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Zentralrat der Juden in Deutschland haben inzwischen alle Bundesländer Verträge mit jüdischen Gemeinden geschlossen. Außer Themen wie dem Schutz jüdischer Feiertage oder der Pflege verwaister Friedhöfe ehemaliger jüdischer Gemeinden sind dort auch staatliche Zuschüsse an jüdische Gemeinden geregelt.

Zitiervorschlag

Thomas Traub, 75 Jahre nach der Reichspogromnacht: . In: Legal Tribune Online, 09.11.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9992 (abgerufen am: 20.11.2024 )

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