Zahlensymbolik: Eine kurze Geschichte der Sieben im Recht

Nicht erst seit der denkwürdigen Halbfinalbegegnung Deutschland-Brasilien bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2014 hat eine Zahl eine besondere Symbolik: die Sieben. Gerade Juristen begegnet sie auffällig oft. André Niedostadek führt mit Siebenmeilenstiefeln durch die Geschichte der Sieben im Recht.

Die Sieben ist eine symbolische Zahl und wie kaum eine andere im Alltag präsent: Man fühlt sich mit ihr im siebten Himmel, packt seine Siebensachen oder hat mitunter vielleicht nicht alle Sieben beieinander.

Auch in der Literatur, der Musik oder im Film kommt man an ihr nicht vorbei: Anna Seghers beschreibt in dem Roman "Das siebte Kreuz" die Flucht von sieben Häftlingen aus einem Konzentrationslager während der NS-Zeit, die DDR-Rockband Karat und später Peter Maffay machten "Über sieben Brücken" zum Hit und im Thriller "Sieben" sind Brad Pitt und Morgan Freeman einer Mordserie nach dem Muster der sieben Todsünden auf der Spur.

Von Märchen bis zu Kurfürsten

Auffällig oft finden sich die Sieben als Gruppenzahl. Schneewittchen und die sieben Zwerge oder der Wolf und die sieben Geißlein kennt jedes Kind. Dass der japanische Regisseur Akira Kurosawa vor 60 Jahren im Filmklassiker "Die Sieben Samurai" schickte, ein Bergdorf zu retten – woraus im US-Remake "Die glorreichen Sieben" wurden – scheint daher kein Zufall zu sein.

Und im Recht? Auch dort findet sich die Sieben für eine Gruppe, beispielsweise im Vereinsrecht. So bestimmt das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) hinsichtlich der Mitgliederzahl eines rechtsfähigen Idealvereins, dass eine Eintragung nur erfolgen soll, wenn die Zahl der Mitglieder mindestens sieben beträgt; außerdem sollen mindestens sieben Mitglieder die Satzung unterzeichnen (§§ 56, 59 BGB). Warum aber gerade die Sieben? Die Initiative dazu gab der Rechtshistoriker Otto von Gierke (1841-1921), der "Vater des Genossenschaftsrechts": Dabei sollen das französische und das englische Recht Pate gestanden haben.

Kramt man in der unerschöpflichen Truhe der Rechtsgeschichte, so stößt man auf weitere Übereinstimmungen. Fündig wird man etwa in der "Goldenen Bulle" von 1356. Das wohl wichtigste Verfassungsdokument vom Mittelalter bis zur frühen Neuzeit, das seit dem vergangenen Jahr auch zum Weltkulturerbe gehört, regelte die Wahl der römisch-deutschen Könige im Heiligen Römischen Reich. Die oblag einem Kollegium der so genannten Kurfürsten. Erst nach 1648 auf insgesamt neun erweitert, waren es ursprünglich sieben, nämlich drei geistliche Fürstbischöfe (die Erzbischöfe von Mainz, Köln und Trier) sowie vier weltliche Fürsten (der Pfalzgraf bei Rhein, der König von Böhmen, der Herzog von Sachsen und der Marktgraf von Brandenburg). Die Sieben hat als Gruppenzahl also Tradition.

Das Geheimnis entschlüsselt

Doch weshalb ausgerechnet die Sieben? Ein kleines Buch von Bernhard Großfeld, emeritierter Professor für Internationales Wirtschaftsrecht und Rechtsvergleichung an der Universität Münster, zu "Zahlen und Zeichen im Recht" gibt Aufschluss: "Vor allem ist sie eine symbolische Zahl. Nicht nur weil wir mit unseren Sinnen über zwei Ohren, zwei Augen, zwei Nasenlöcher und einem Mund die Welt erfassen. Der eigentliche Schlüssel, um das Geheimnis der Sieben zu lüften, liegt im Zählen: Will man beispielsweise an einer Hand etwas abzählen, dann setzen die fünf Finger keineswegs eine Grenze. Tippt man nämlich mit dem Daumen an die Fingerspitzen vom Zeigefinger hinunter bis zum kleinen Finger und von dort sogleich wieder hinauf, zählt man bis sieben. Das eigentlich Entscheidende dabei: Die Sieben wird im wahrsten Sinne des Wortes zu einer runden Sache: Es bildet sich ein geschlossener Zählkreis.

Genau das charakterisiert seit jeher ausgehend vom Mittelmeerraum die besondere Stellung der Sieben. Man denke etwa an die sieben Weltwunder der Antike oder an Noah, der der Überlieferung zufolge sieben Paare von reinem Vieh und allen reinen Vögeln mit in die Arche nahm. Damit ist es ein Katzensprung zur Gruppenzahl. Das setzt sich fort über die sieben Sakramente bis hin zu sieben Todsünden – oder besser Lastern –, wie Hochmut, Geiz, Wollust, Zorn, Völlerei, Neid und Trägheit des Herzens. Dem stehen die sieben Tugenden Glaube, Liebe, Hoffnung, Weisheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit und Mäßigung gegenüber. Für unser in der abendländischen Tradition stehendes Rechtsdenken sind diese Einflüsse prägend.

Eher poetisch als rational

Die Sieben findet sich aber nicht nur als Gruppenzahl. Auffälligerweise ist sie zugleich eine wichtige Altersstufe (§§ 105, 106 BGB). So beginnt bekanntlich die beschränkte Geschäftsfähigkeit erst mit der Vollendung des siebenten Lebensjahres. Vorher sind Kinder geschäftsunfähig. Ähnlich ist es im Deliktsrecht. Minderjährige, die nicht das siebente Lebensjahr vollendet haben, sind nach § 829 BGB für einen Schaden, den sie anderen zufügen, gar nicht verantwortlich. Ab dem siebenten Lebensjahr sieht es etwas anders aus. Parallelen finden sich zugleich im Strafgesetzbuch: Ein Kind, das bei Begehung der Tat noch nicht vierzehn (!) Jahre alt ist, gilt als schuldunfähig (§ 19 StGB).

Die Altersgrenze für die beschränkte Geschäftsfähigkeit war keineswegs Konsens. Maßgeblich war unter anderem die Tradition aus preußischem Recht. So findet sich die Altersgrenze schon im "Allgemeinen Landrecht für die Preußischen Staaten" von 1794, das in diesem Jahr sein 220-jähriges Jubiläum begeht. Es galt als eines der modernsten europäischen Gesetzeswerke und umfasste nicht weniger als 19.000 Paragraphen. Zugleich wird der Einfluss des römischen Rechts deutlich. Im Unterschied zum germanischen Recht kannte es vier Altersstufen: Kinder unter sieben Jahren, von 7 bis 14 Jahren – bei Mädchen bis 12 Jahren –, von 14 bis 25 Jahren und dann die Erwachsenen. Die Volljährigkeit ab dem 25. Lebensjahr blieb bis 1875, bevor sie herabgesetzt wurde. Hundert Jahre lang lag sie dann ganz im Sinne der Siebenerreihe bei 21 Jahren, bevor man sie dann 1974 auf 18 Jahre festlegte.

Weshalb aber die Sieben bei den Altersstufen? Friedrich Carl von Savigny führte das auf die griechische Philosophie zurück. Hier ist vor allem Solon (um 640-560 v. Chr.) maßgebend, einer der sieben (!) Weisen Griechenlands. Der Staatsmann und Gesetzgeber unterteilte das ganze Leben in seinen Versen über "Alter und Altern" in insgesamt zehn "Jahrsiebtente". Davon sind die ersten drei heute also zumindest noch fragmentarisch enthalten.

Alles eine Frage der Rechtskultur

War es das schon mit der Sieben? Keineswegs. Sie begegnet uns an anderen Stellen, wie etwa im Handelsgesetzbuch, wo bei einer Schadensanzeige, Fristen von sieben bzw. einundzwanzig (!) Tagen relevant werden können (§ 438 HGB) oder im Urheberrecht, das bekanntlich siebzig Jahre nach dem Tode des Urhebers erlischt (§ 64 UrhG). Auch rechtsgeschichtlich finden sich weitere Spuren. In Eike von Repgows Sachsenspiegel, einem der ältesten Rechtsbücher aus dem 13. Jahrhundert, beruht die Einteilung der mittelalterlichen Gesellschaft auf sieben sogenannten Heerschilden und die Erbfolge reichte bis zum siebten Grad.

Was bleibt? Vielleicht das Bewusstsein, dass unser Recht vor allem eine Errungenschaft mit vielfältigen kulturellen Einflüssen und einem starken traditionellen Erbe ist. Das dürfte gerade im europäischen und internationalen Umfeld zunehmend bedeutsamer werden. Erst eine Sensibilität für Rechtskulturen mit ihren Unterschieden und vor allem Gemeinsamkeiten ermöglicht es, Brücken zu bauen.

Der Autor Prof. Dr. André Niedostadek, LL.M. lehrt Wirtschafts-, Arbeits- und Sozialrecht an der Hochschule Harz.

Literaturhinweis: Bernhard Großfeld, Zeichen und Zahlen im Recht, 2. Auflage, Tübingen 1995.

Zitiervorschlag

André Niedostadek, Zahlensymbolik: . In: Legal Tribune Online, 12.07.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12536 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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