Drei exotische Rechtsgeschichten: Ehe taugt nichts, Geld taugt viel & Taugenichtse exterritorial

von Martin Rath

09.06.2013

2/2: Imperialismus als moralische Idee

Während die Idee einer von Vindikationsansprüchen freien Geldzirkulation heute allenfalls von Anhängern sogenannter alternativer Geldmodelle, also nicht ernsthaft in Frage gestellt wird, bleiben nur unwesentlich jüngere juristisch-politische Konstrukte steter moralischer Kritik ausgesetzt – fraglich, ob sie an ihr scheitern werden.

In einem bereits 2005 erstpublizierten, jetzt frei zugänglichen Aufsatz nimmt Teemu Ruskola, Professor an der Emory University School of Law, den Anspruch der US-Regierung aufs Korn, ihre Bürger davor zu schützen, fremden Rechtsordnungen unterworfen zu werden. Während dieser Anspruch heute im Zusammenhang mit dem Völkerstrafrecht relevant ist, wurde er im Lauf des 19. Jahrhunderts zu einem zentralen Punkt dessen, was Ruskola einen "non-territorialen Imperialismus" nennt. Der entwickelte sich im Verhältnis zwischen den USA und dem chinesischen Kaiserreich: Während das britische Imperium gegen China Krieg führte um das Land für den Drogenhandel zu öffnen, und dabei auch territoriale Ansprüche erhob, beschränkten sich die US-amerikanischen Interessen China gegenüber vor allem auf den Freihandel.  Darüber hinaus setzte die US-Diplomatie allerdings 1844, nach dem Vorbild europäischer Mächte, gegenüber China durch, dass US-Bürger der Jurisdiktion des Landes entzogen blieben – diese Exterritorialität blieb bis 1943 bestehen.

Die Konstruktion, eigene Staatsangehörige im Ausland der fremden Rechtsordnung zu entziehen, war zwar allen imperialen Mächten des 19. Jahrhunderts eigen – die USA hatten indes 1833 bei der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Thailand (Siam) das fremde Recht noch als gleichrangig anerkannt.

War in der US-Öffentlichkeit – mit Blick auf die eigene Kolonialvergangenheit – die gewaltsame Öffnung des chinesischen Marktes für britisch-indisches Opium noch anrüchig erschienen, adaptierte man nun die Idee eines überlegenen christlichen Völkerrechts gegenüber den heidnischen Nationen: In China britisches Opium ins Meer zu werfen war weniger ehrenwert als in Boston englischen Tee.

Lebendige Rechtsgeschichte im Selbstleseverfahren

Die drei Rechtsgeschichten stammen aus aktuellen Postings des höchst lebendigen US-amerikanischen "Legal History Blogs", das eine ganz erstaunliche Anzahl aktueller rechtshistorischer Literatur rezensiert und – sehr vorbildlich – viele Forschungs- und Diskussionspapiere ohne Umwege öffentlich verfügbar macht.

Für den deutschsprachigen Raum kommt Vergleichbares (vielleicht) mit "Hypotheses" in Gang, in seiner Vielfalt dürfte das Legal History Blog aber vorläufig wohl noch die positive Ausnahme bleiben.

Der Text von Sylvia Wairimu Kang'ara über den Einfluss des angelsächsischen Ehe- und Familienrechts in Afrika findet sich hier, eine freundliche Rezension hier. Zur Geschichte des schottischen Banknotenwesens führt dieser Link, schneller zum PDF führt dies. Die irrlichternde Vergangenheit von Exterritorialitätsansprüchen der USA gegenüber dem Kaiser von China ist hier nachzulesen.

Zitiervorschlag

Martin Rath, Drei exotische Rechtsgeschichten: . In: Legal Tribune Online, 09.06.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8876 (abgerufen am: 20.11.2024 )

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