Eine sehr betagte Dame von zweifelhafter Sangeskunst schmettert mit einiger Begeisterung das Kirchenlied: "Das Grab ist leer, der Held erwacht, der Heiland ist erstahahanden!", während der Rest der Gemeinde eher zäh vor sich hinsingt – es ist eine lebhafte Kindheitserinnerung, die Martin Rath durch einige heitere wie ernste Betrachtungen zu Rechtsfragen von Tod und Auferstehung führt.
Man müsste doch viel öfter davon lesen: Wenn ein Jurist alt und lebenssatt aus seinem irdischen Dasein scheidet, führt die Todesanzeige oft nicht nur eine Masse an staatlichen Orden auf, die das Bild einer sowjetischen Generalsuniform vors innere Auge rufen. Gar nicht selten war der verblichene Alphajurist zudem Mitglied des Ordo Equestris Sancti Sepulcri Hierosolymitani – zu Deutsch: des Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem.
Man darf also davon ausgehen, dass nicht alle Juristinnen und Juristen Ostern für einen verlängerten Aufenthalt in ihrer Matrazengruft nutzen, sondern einige auch an den Anlass denken. Statthalter des Ordens in Deutschland ist zurzeit beispielsweise der Rechtsanwalt Dr. Detlef Brümmer. Zu den international tätigen Schwergewichten des Grabesritterordens zählt unter anderem der schwedische Diplomat und Jura-Professor Bo Johnson Theutenberg.
Neuer Schick für Immobilienrechtler
Juristinnen und Juristen darf ein gutes Auge für das gute Aussehen einer Amtstracht unterstellt werden. Die Website des Ordo Equestris Sancti Sepulcri Hierosolymitani bietet viele schöne Bilder zur Robe der Ordensritter und -damen und der Mund ist mit der Behauptung nicht zu voll genommen: Besser als das Durchschnittsschwarz des üblichen Juristengewands schaut das schon aus.
Bevor dieser Ostermontagsartikel zu den etwas düsteren Gesichtspunkten des Grabwesens kommt, soll kurz begründet werden, warum die deutschen Immobiliarrechtler, insbesondere die Experten auf dem Gebiet des Wohneigentumsrechts, darum kämpfen sollten, auch solch eine schicke Ritterrobe tragen zu dürfen.
Dort, wo sich in der Altstadt Jerusalems der Überlieferung nach Kreuzigung und Bestattung Jesu vollzogen, findet sich heute ein je nach Glaubensrichtung als Grabes- oder als Auferstehungskirche bezeichnetes Gotteshaus, das sich inzwischen im Besitz von sechs christlichen Fraktionen befindet: Vertreter der griechisch-orthodoxen, der römisch-katholischen, der armenisch-apostolischen sowie der syrisch-orthodoxen, antiochischen, koptischen und äthiopisch-orthodoxen Glaubenslehre nutzen das Gebäude- bzw. Gebäudeteile und kommen überaus häufig wegen ihrer durchaus unfreundlichen Verhältnisse untereinander ins Gerede.
Wann ist eigentlich Ostern?
Notwendige Renovierungsarbeiten unterbleiben, weil Veränderungen die Spannungen unter den Parteien eskalieren lassen. Die Staatsgewalt, hier die israelischen Behörden, mischt sich selten ein, weil es angenehmer ist, wenn sich die Zankhähne untereinander streiten. Gestritten wird allein schon wegen unterschiedlicher Vorstellungen vom Feiern. So fallen etwa das evangelisch-katholische Osterfest einerseits, das griechisch-orthodoxe oft auf unterschiedliche Termine (z. B. 5. April, 12. April 2015 – 27. März, 1. Mai 2016).
Kurzum, auch wenn es in der Grabeskirche nicht darum geht, wer wann Lärm zur Geburtstagsparty machen darf, sondern darum, wer wann Wiederauferstehung feiert, geht es hier im Großen und Ganzen doch zu wie in einer ganz konventionellen Immobilie, deren Eigentümer und Insassen nach den Regeln des deutschen Wohneigentums- und Mietrechts über Kreuz liegen.
Der Ritterorden vom Heiligen Grab zu Jerusalem ist nun nicht allein nach dieser orientalischen Immobilie benannt, er engagiert sich auch für deren Erhalt. Es kann zudem kein Zufall sein, dass der Deutschlandchef des Ordens ein Rechtsanwalt ist, der zu einem immobilienwirtschaftlichen Thema promoviert wurde. Der Ex-Chef der schwedischen Rittersleute vertrat sogar die internationale Eigentümerversammlung auf der größten sonst herrenlosen Immobilie der Welt, er hisste die Flagge Schwedens am Südpol.
Würde es also nicht naheliegen, wollten sich immobilienrechtlich bewanderte Rechtsanwälte ihrer konventionellen Amtstracht entledigen und mit sakralem Ernst einen dieser schicken Grabesritterumhänge anlegen? Eigentümerversammlungen und Gerichtssitzungen, so viel darf versprochen werden, würden jedenfalls deutlich anders laufen als bisher.
Martin Rath, Fragen der ewigen Ruhe und Auferstehung: . In: Legal Tribune Online, 06.04.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15150 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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