National Go Fishing Day: Deut­sch­lands regu­lierter Angel­spaß

Gastbeitrag von Marius Möller

18.06.2022

Der 18. Juni gilt in den Vereinigten Staaten als „National Go Fishing Day“ und lädt dazu ein, raus zum Angeln in die Natur zu fahren. Warum in Deutschland der Weg zum Angelgewässer besser zu Fuß erfolgen sollte, erklärt Marius Möller.

Während in den Vereinigten Staaten der 18. Juni alljährlich als „National Go Fishing Day“ zelebriert wird, ist hierzulande keine besondere Bedeutung dieses Datums mit dem Angelsport verknüpft. Nichtsdestotrotz erfreute sich auch in Deutschland das Angeln zuletzt wieder wachsender Beliebtheit: Die Zahl an Anwärtern für einen Fischereischein zum Angeln an Binnengewässern hat in Zeiten der Corona-Pandemie zugenommen.  

Grund dafür war zum einen, dass das Angeln problemlos coronakonform ausgeübt werden kann. Zum anderen besteht seit einigen Jahren in den meisten Bundesländern die Möglichkeit, die Vorbereitung für die staatliche Fischerprüfung bequem von zu Hause aus zu erledigen. Dank des Angebots von Online-Vorbereitungskursen durch kommerzielle Angelschulen muss der Besuch eines Präsenzkurses beim örtlichen Angelverein nicht mehr die Regel sein. 

Binnenfischerei ist Ländersache 

Die Binnenfischerei unterliegt gemäß Art. 70 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) der ausschließlichen Gesetzgebung der Länder, entsprechend gibt es 16 verschiedene Landesfischereigesetze. In fast allen Bundesländern unterliegt die Ausübung der Fischerei der Erlaubnispflicht, in Hessen etwa § 25 des Hessischen Fischereigesetzes (HFischG)). 

Voraussetzung für die Erteilung eines Fischereischeins ist das Bestehen einer staatlichen Fischerprüfung. Um zu dieser zugelassen zu werden, muss vorher ein Vorbereitungslehrgang absolviert werden. Anders als beispielsweise in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Bayern oder Niedersachsen besteht in Hessen die Fischerprüfung lediglich aus einem Multiple-Choice-Theorieteil. Um schließlich zur Fischerprüfung zugelassen zu werden, muss der Prüfling noch an einem sogenannten Praxistag teilnehmen, der vom Verband Hessischer Fischer e.V. organisiert wird und die gute fachliche Praxis der Angelfischerei vermitteln soll. Andere Bundesländer wie Nordrhein-Westfalen oder Bayern setzen stattdessen auf eine praktische Prüfung, bei der vor einer Prüfungskommission Fischarten bestimmt oder Angelmontagen zusammengebaut werden müssen. 

Zum ersten Mal am Wasser 

Nachdem der Jungangler nach bestandener Fischerprüfung im Besitz eines Fischereischeins ist, fehlt zur Ausübung der Fischfangs noch ein Erlaubnisschein für das jeweilige Angelgewässer (§ 13 HFischG), soweit er nicht selbst Eigentümer oder Pächter eines Gewässers ist.  
Weitere Hürden begegnen ihm auf dem Weg zum Angelgewässer: Oft sind die zum Angelplatz führenden Straßen und Wege zum Schutz der Naturräume vor unbefugtem Betreten oder Befahren gesperrt. Damit der Angler als Fischereiausübungsberechtigter seinem legitimen Interesse nachgehen kann, steht ihm nach dem jeweiligen Landesfischereigesetz ein Uferbetretungsrecht zu (§ 15 HFischG). Demnach sind Fischereiausübungsberechtigte und ihre Helfer befugt, die an das Gewässer angrenzenden Ufer, Inseln, Anlandungen und Schifffahrtsanlagen sowie Wasserbauwerke wie Brücken oder Wehre zum Zwecke des Fischfangs auf eigene Gefahr zu betreten und zu benutzen, soweit öffentlich-rechtliche Vorschriften nicht entgegenstehen. 

Uferbetretungsrechte, die unabhängig vom Eigentümer der Ufergrundstücke bestehen, waren bereits im 20. Jahrhundert in den ersten Fischereigesetzen in Bayern und Preußen vorgesehen. Eine entsprechende Regelung findet sich z. B. in Art. 70 des Fischereigesetzes für das Königreich Bayern vom 15. August 1908. Auch in das preußische Fischereigesetz vom 11. Mai 1916 hat ein gesetzliches Uferbetretungsrecht Einzug gefunden, nachdem sich ein solches Recht in außerpreußischen Fischerei- und preußischen Spezialgesetzen zur Anlieger- und Koppelfischerei bewährt hatte. Denn erst das Uferbetretungsrecht ermöglicht es, unabhängig von Rechtsverhältnissen, der Einwilligung oder dem guten Willen des Ufereigentümers fischen zu gehen.  

Betreten bedeutet nicht Befahren (jedenfalls meistens) 

Das Uferbetretungsrecht ist jedoch nicht allumfassend und findet insbesondere bei der Anfahrt mit Kraftfahrzeugen seine Grenzen. So unterlag ein Fischereiberechtigter in einem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht (VG) Karlsruhe mit dem Begehren, zur Ausübung der Fischerei den Nationalpark Schwarzwald genehmigungsfrei befahren zu dürfen (VG Karlsruhe, Urt. v. 10.09.2015, Az. 2 K 4260/14). Der Landesgesetzgeber habe den Fischereiberechtigten lediglich das Recht eingeräumt, unter den im Fischereigesetz genannten Voraussetzungen bestimmte Grundstücke zu Fuß zu betreten, nicht aber, die in Betracht kommenden Grundstücke darüber hinaus zu befahren. Dies komme auch in der amtlichen Überschrift des § 16 des Fischereigesetzes für Baden-Württemberg zum Ausdruck, die ein "Uferbetretungsrecht" und den "Zugang" zum Gewässer regle. Ein Recht zur genehmigungsfreien "Befahrung" des Nationalparks sehe auch das einschlägige Nationalparkgesetz nicht vor. 

Mit dem Uferbetretungsrecht verhält es sich somit ähnlich wie mit dem Recht zum Betreten der freien Landschaft nach § 59 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatschG). Demnach ist nur das Betreten der freien Landschaft auf Straßen und Wegen sowie auf ungenutzten Grundflächen zum Zweck der Erholung gestattet. Das Befahren von Flächen mit Kraftfahrzeugen stellt dem Wortlaut und allgemeinen Sprachgebrauch nach kein Betreten mehr dar. Anders als in den meisten Fischereigesetzen besteht nach § 59 Abs. 2 S. 2 BNatSchG für den jeweiligen Landesgesetzgeber die Möglichkeit, sonstige Benutzungsarten dem Betreten gleichzustellen. 

Brandenburg etwa hat in seinem Naturschutzgesetz (BbgNatSchG) den fischereiwirtschaftlichen Verkehr explizit von dem Verbot ausgenommen, Wege und Pfade sowie Flächen außerhalb von Wegen mit motorisierten Fahrzeugen zu befahren (§ 44 Abs. 2 S. 3 BbgNatSchG). Das heißt aber noch lange nicht, dass Hobbyangler mit dem SUV bis zum nächstgelegenen Gewässer fahren dürfen. 

Hobbyfischerei hat mit Wirtschaft nichts zu tun 

Unter fischereiwirtschaftlichem Verkehr ist jeder Verkehrsvorgang zu verstehen, der mit einer Bewirtschaftungsmaßnahme am Fischwasser verbunden ist (vgl. Bundestags-Drucksache 19/10617). Dazu zählt z. B. der Besatz mit Fischen, die Durchführung von Kontrollen oder der zu Erwerbszwecken betriebene Fang selbst. Der Angelsport, den Privatpersonen in ihrer Freizeit betreiben, zählt dazu nicht. . Das heißt, dass selbst in Brandenburg berechtigte Hobbyfischer Wege oder Flächen zum nächsten Binnengewässer nicht befahren dürfen. 

Dies musste auch ein Kläger vor dem Verwaltungsgericht (VG) Frankfurt (Oder) einsehen, der erfolglos eine Befreiung von dem bestehenden Befahrungsverbot begehrte (VG Frankfurt (Oder), Urt. vom 18.01.2010, Az. 5 K 1791/05). Der generelle Ausnahmetatbestand nach § 44 Abs. 2 S. 3 BbgNatSchG gelte für den Kläger, der nur in seiner Freizeit angelt, nicht. Auch eine unbeabsichtigte Härte liege nicht vor, die eine Befreiung rechtfertige. Selbst wenn man eine unbeabsichtigte Härte annähme, wäre eine Befreiung vom Befahrungsverbot nicht mit den Belangen des Naturschutzes vereinbar. Es liege auch keine Benachteiligung des Klägers aufgrund seiner Behinderung vor. Der nach Feststellung des Versorgungsamts gehbehinderte Kläger sei durch die Versagung nicht aufgrund der Behinderung benachteiligt worden. 

Auch für Angler gilt die StVO 

Neben Schildern der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung, die z. B. in der Nähe von Bundeswasserstraßen die Benutzung von Straßen und Wegen beschränken können (vgl. § 2 Abs. 3 der Wasserstraßen-Betriebsanlagenverordnung), sind auch die amtlichen Verkehrszeichen nach der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) bei der Zufahrt zum Angelgewässer zu beachten. 

Häufig sind die zum Angelplatz führenden Wege durch ein Verbot für Fahrzeuge aller Art oder ein Verbot für Kraftfahrzeuge für den Kraftfahrzeugverkehr gesperrt. Bestimmte Verkehrsarten, wie land- und forstwirtschaftlicher Verkehr, können von diesem Verbot ausgenommen sein. Bis zu einer Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Köln war es umstritten, ob die Fahrt von Fischereiberechtigten zum Angelgewässer als landwirtschaftlicher Verkehr anzusehen ist.  

Nach Ansicht des OLG Köln stellt die Fahrt eines Sportanglers zu seinem Fischgewässer unter keinen Umständen "landwirtschaftlicher Verkehr" dar, auch wenn der Begriff der "Landwirtschaft" in der Gesetzgebung bisher nicht einheitlich verwendet wurde (OLG Köln, Beschl. v. 18.04.1986, Az. Ss 89/86). Denn dafür müsste der Zweck des Verkehrsvorgangs maßgeblich mit einer Bewirtschaftungsmaßnahme verbunden sein. Insoweit könne allenfalls "fischereiwirtschaftlicher Verkehr" durch das Zusatzzeichen "landwirtschaftlicher Verkehr frei" privilegiert sein, wenn Bewirtschaftungsmaßnahmen am Fischgewässer vorgenommen werden. 

Die auf Bundesebene unternommenen Anstrengungen, die bestehende Privilegierung des "fischereiwirtschaftlichen Verkehrs" auf die Sportfischerei auszudehnen, fanden in der Plenarsitzung des Deutschen Bundestages am 23. Juni 2021 ein jähes Ende. Der von der FDP-Fraktion eingebrachte Antrag wurde mehrheitlich abgelehnt. In ihrem Koalitionsvertrag postuliert die aktuelle Ampelkoalition, dass sie "die Leistung der Anglerinnen und Angler für den Natur- und Artenschutz anerkennt." Ob die FDP als Teil dieser Koalition und ausgestattet mit der entsprechenden Ressortzuständigkeit nunmehr einen weiteren Vorstoß unternehmen wird, bleibt abzuwarten.  

Immerhin dürfen Angler auch ohne Anpassungen im Straßenverkehrsrecht zumindest solche Wege befahren, die durch die Beschilderung "Verbot für Fahrzeuge aller Art, Anlieger frei" gesperrt sind. Da die Anliegereigenschaft durch die rechtlichen Beziehungen zu dem an die gesperrte Straße anliegenden Grundstück bestimmt wird, darf der Hobbyfischer den nur für Anlieger freigegebenen Weg zum Gewässer befahren, soweit er im Besitz eines Fischereierlaubnisscheins für anliegende Ufer- bzw. Gewässerbereiche ist.  
Dann kann der Angelspaß ja kommen. 

Der Autor Marius Möller ist Beamter im gehobenen Dienst einer kommunalen Straßenverkehrsbehörde. Zuletzt war er außerdem nebenamtlicher Lehrbeauftragter an der Hessischen Hochschule für öffentliches Management und Sicherheit (HöMS) in den Bereichen Straßen- und Verkehrsrecht sowie allgemeines und besonderes Polizei- und Ordnungsrecht. 

Zitiervorschlag

National Go Fishing Day: . In: Legal Tribune Online, 18.06.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/48783 (abgerufen am: 24.11.2024 )

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