Alljährlich im Advent denkt der sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich an seine Mitarbeiter im Staatsdienst und richtet ihnen seine Weihnachtsgrüße aus. Nicht per Brief, versteht sich, sondern ganz im Sinne einer modernen Verwaltung per E-Mail. Einen Arbeitsrichter versetzte das in Angst und Schrecken.
So eine Rundmail an alle Kollegen in der Landesverwaltung hat natürlich weder Unterschrift noch persönliche Anrede, sondern richtet sich an die "lieben Mitarbeiter".
Das versetzte einen Richter am Arbeitsgericht L. in Angst und Schrecken. Sollte er ab dem kommenden Jahr nur noch schnöder "Mitarbeiter" sein? Hatte es bei seiner Ernennung zum Richter nicht geheißen, dies sei nun auf Lebenszeit, so dass er sich entspannt zurücklehnen und seine richterliche Unabhängigkeit genießen könne?
Wollte der Ministerpräsident ihm etwa seinen verfassungsrechtlichen Status als unabhängiger Richter entziehen, ihn zum bloßen "Mitarbeiter der Sächsischen Landesverwaltung" degradieren? War das als harmloser Weihnachtswunsch verpackte Schreiben womöglich der Versuch, die dritte Staatsgewalt vollständig in die Exekutive einzugliederen? Eine Beseitigung der unabhängigen Richterschaft per E-Mail?
Was war aus der Bindung an Gesetz und Recht geworden?
Und der Ministerpräsident ging sogar noch weiter. Er dankte seinen "Mitarbeitern" für ihren "Anteil am erfolgrechen Wahljahr 2009". "Wir haben die Wahlen auch deshalb gewonnen, weil Sie in der Verwaltung unsere politischen Ideen umsetzen", hieß es da.
Außerdem rief dieser dahergekommene Politiker den Arbeitsrichter auch noch dazu auf, eine "moderne [...] wirtschaftsfreundliche Verwaltung" zu schaffen. "Wirtschaftsfreundliche Verwaltung"! Aus dem Munde eines CDU-Politikers! Das konnte doch nur bedeuten, dass er in Zukunft immer im Sinne der Arbeitgeber entscheiden sollte, ja müsse! Was war aus Gesetz und Recht geworden, denen seine Rechtsprechung unterworfen sein sollte?
Auf nach Karlsruhe!
Gesetz und Recht, das war das Stichwort! Ein Widerspruch gegen diese Weihnachts-E-Mail musste formuliert und eingelegt werden. Das war es! Diesem Handstreich musste auf dem Rechtsweg begegnet werden. Wir sehen uns in Karlsruhe, Herr Ministerpräsident!
Karlsruhe sah die Klage, die der Arbeitsrichter aus L. schließlich einreichte, tatsächlich. Dort errang er einen formalen Sieg. Das sächsische Dienstgericht für Richter hatte es sich zu einfach gemacht, als es die Klage per Gerichtsbescheid abwies. Eine mündliche Verhandlung müsse schon sein, so der Bundesgerichtshof, der auf insgesamt 15 Seiten mit Engelsgeduld auf die formalen Aspekte eingeht und erst ganz zum Ende hin diskret anmerkt, dass die Annahme, es könne am Rechtsschutzinteresse fehlen, "nicht fernliegend ist" (Urt. v. 14.10.2013, Az. RiZ(R) 5/12).
Also auf zurück nach Sachsen, bevor es demnächst wieder heißt: Sie haben Post! Weihnachtspost vom Ministerpräsidenten!
Claudia Kornmeier, Weihnachtspost vom Ministerpräsidenten: . In: Legal Tribune Online, 14.12.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10342 (abgerufen am: 16.11.2024 )
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