Sachsens Landtag beschließt Gesetz

Keine Ver­fas­sungs­feinde ins Refe­ren­da­riat

von Dr. Markus SehlLesedauer: 4 Minuten

Strengere Regeln für den Zugang zum Referendariat hat der sächsische Landtag beschlossen. Auch schon ein Ermittlungsverfahren kann künftig zur Nicht-Zulassung führen. Zu einer Spezialregelung gibt es bereits jetzt verfassungsrechtliche Bedenken.

Unter Tagesordnungspunkt vier hat der Sächsische Landtag am Mittwoch eine Neuregelung für den Zugang zum Rechtsreferendariat beschlossen. In Zukunft werden Bewerber, die die freiheitlich-demokratische Grundordnung in strafbarer Weise bekämpfen, in der Regel nicht in den Vorbereitungsdienst eingestellt. Damit hat Sachsen im Vergleich zu anderen Bundesländern Neuland betreten.

Aber auch für Referendariatsbewerberinnen und -bewerber, gegen die Ermittlungen laufen und denen eine Verurteilung zu einer Freiheitstrafe von mindestens einem Jahr droht, wird der Zugang strenger geregelt. Solche Personen sollen zukünftig regelmäßig abgelehnt werden. Die Formulierung in dem Entwurfstext lautet, dass der Zugang "in der Regel zu versagen" ist. Die Entscheidung selbst trifft das zuständige Oberlandesgericht, also die verantwortliche Ausbildungsstelle für den juristischen Vorbereitungsdienst.

Die Neuregelung zur Verfassungsfeindlichkeit orientiert sich auch an den Zulassungsvoraussetzung für deutsche Rechtsanwälte, worauf die Gesetzesbegründung ausdrücklich verweist. Die Justizministerin Katja Meier (Grüne) sagte zu LTOam Mittwoch: "Ich möchte nicht, dass in Sachsen Feinde unserer freiheitlichen und demokratischen Grundordnung zu Volljuristinnen und Volljuristen ausgebildet werden. Personen, die nach der Bundesrechtsanwaltsordnung keine Zulassung zur Anwaltschaft bekommen können, sollen auch nicht in den juristischen Vorbereitungsdienst aufgenommen werden."

Der Gesetzentwurf regelt auch, dass Referendare bei nachträglich festgestellten Gründen aus dem Vorbereitungsdienst wieder entlassen werden können.

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Anlass für Gesetzesänderung war Fall eines verurteilten Referendars

Anlass zu einer Änderung des sächsischen Regelwerks hatte zuletzt der Fall eines verurteilten Referendars gegeben. Das Amtsgericht (AG) Leipzig hatte den angehenden Juristen Brian E. Ende 2018 wegen schweren Landfriedensbruchs zu einem Jahr und vier Monaten auf Bewährung verurteilt. Das Gericht hatte es als erwiesen angesehen, dass sich der Kampfsportler im Januar 2016 an Krawallen beteiligt hatte. Damals hatten Hunderte von Neonazis und Hooligans in Connewitz randaliert. Als der Referendar am OLG Dresden zugelassen wurde, war bereits bekannt, dass gegen ihn ein entsprechendes Verfahren läuft. Die Justizverwaltung hatte sich dennoch entschieden, ihn in den Vorbereitungsdienst aufzunehmen. Das AG-Urteil hatte nach dem Landgericht Leipzig auch das Oberlandesgericht (OLG) Dresden bestätigt.

Trotz seiner rechtskräftigen Verurteilung wegen Landfriedensbruchs darf der Referendar in Sachsen Volljurist werden. Sein Grundrecht auf Berufswahlfreiheit überwiege das öffentliche Interesse, entschied das OLG Dresden als Ausbildungsbehörde des verurteilten Mannes schließlich im Mai 2020. 

Bei seiner Entscheidung, trotz der rechtskräftigen Verurteilung den Referendar im Dienst zu lassen, hatte das OLG mit seiner Monopolstellung als Ausbildungsbehörde argumentiert. Es bestehe keine Möglichkeit, den juristischen Vorbereitungsdienst außerhalb der Justiz zu absolvieren, teilte die Behörde damals mit. Die Entlassung des Referendars aus dem juristischen Vorbereitungsdienst würde daher bedeuten, dass ihm das Ergreifen eines juristischen Berufes auf Dauer verwehrt bliebe.

Angesichts der bereits weit fortgeschrittenen jahrelangen Ausbildung des Referendars überwog bei Berücksichtigung des Ausbildungsmonopols des Staates nach Auffassung des OLG Dresden das in Art. 12 Grundgesetz geschützte Grundrecht auf freie Berufswahl. Auch deshalb werden die Zugangsregeln aus einer Verordnung in ein förmliches Gesetz überführt: Wesentliche Entscheidungen zu Grundrechtsfragen müssen eben durch das Parlament entschieden werden.

Gesetz gegen Verfassungsfeinde im Referendariat verfassungswidrig?

Die Änderungen sorgen bei einer Gruppe von Referendaren für verfassungsrechtliche Bedenken. Unterstützt vom Republikanischen Anwaltverein haben sie im Januar eine Stellungnahme an Justizministerin Meier geschickt. 

Besonders kritisch sehen die Nachwuchsjuristen darin den Wechsel von reinem Ermessen zu intendiertem Ermessen ("ist in der Regel zu versagen") bei den Nichtzulassungsgründen: "Diese Regelung in Form von intendiertem Ermessen stellt unserer Ansicht nach einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Berufsfreiheit, den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz, die allgemeine Handlungsfreiheit, sowie einen Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip in Form der Unschuldsvermutung dar."

Die Ausbildungsregeln der einzelnen Bundesländer weisen beim Zugang zum Referendariat feine Unterschiede auf. Die Ausbildungsordnung Bayerns beispielsweise ist an dieser Stelle sogar noch strenger gefasst. Dort heißt es: "ist zu versagen". Allerdings gilt für die Fälle, in denen gegen Bewerber ein Ermittlungsverfahren läuft, das zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr führen könnte, mit der Formulierung "kann" eine weichere Ermessensregel. Auch in NRW gilt für letztere Konstellation eine Kann-Regel. Bei einer strafrechtlichen Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr gilt der Bewerber für die Zulassung als "nicht würdig" und “ist” deshalb abzulehnen. In Bayern wie in NRW gibt es aber keine ausdrücklichen Regelungen zur Verfassungsfeindlichkeit von Bewerbern.

Radikalenerlass 2.0?

Die sächsische Neuregelung zur Ablehnung von Verfassungsfeinden ordnen die Verfasser der Stellungnahme in Tradition des sogenannten "Radikalenerlass" von 1972 ein. Damals beschlossen Bund und Länder, ihre Bewerber für den Öffentlichen Dienst auf Verfassungstreue hin überprüfen zu lassen. Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts 1975 bestätigte, dass der Staat die Verfassungstreue zur Voraussetzung für die Einstellung von Beamten, Richtern und Soldaten machen darf

Die sächsischen Referendare kritisieren die Neuregelung als zu unbestimmt. Sie befürchten, dass es ohne die Orientierung an Straftatbeständen allein den Einschätzungen durch den Verfassungsschutz überlassen bleibt, wer das Referendariat antreten darf. Die Sprecherin der Initiative Anna-Maria Müller sagte dazu: "Der Problematik der Verharmlosung von Neonazis im juristischen Vorbereitungsdienst wird das neue Gesetz nicht gerecht. Statt Neonazis zukünftig besser ausschließen zu können, droht in Sachsen ein 'Radikalenerlass 2.0'."

Der mit der Änderung befasste Rechtsausschuss des Landtags hatte an den kritisierten Passagen keinen Änderungsbedarf gesehen. Laut Begründung des Gesetzentwurfs wird nicht an die Gesinnung der Bewerberin oder des Bewerbers angeknüpft, "sondern an ein nach außen manifestiertes, strafbares Verhalten, das erkennen lassen muss, dass sie oder er die freiheitliche demokratische Grundordnung zu überwinden trachtet. Hierfür reichen allerdings strafbare verbale Aktivitäten aus." 

Das Gesetz tritt nun nach seiner Verkündung in Kraft.

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